Die tariflichen Ausbildungsvergütungen in Deutschland sind 2022 im Vergleich zum Vorjahr im bundesweiten Durchschnitt um 4,2 Prozent gestiegen. Der Vergütungsanstieg lag damit deutlich über dem Vorjahresniveau (2,5 Prozent). Die Auszubildenden in tarifgebundenen Betrieben erhielten im Durchschnitt über alle Ausbildungsjahre 1.028 Euro brutto im Monat und somit erstmals im Schnitt mehr als 1000 Euro. Für Auszubildende in Westdeutschland ergab sich mit 1.029 Euro ein leicht höherer Durchschnittswert als für ostdeutsche Auszubildende mit 1012 Euro. Dies sind die zentralen Ergebnisse der Auswertung der tariflichen Ausbildungsvergütungen für das Jahr 2022 durch das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB).
Aufgrund der hohen Inflation mussten die Auszubildenden – so wie die meisten Arbeitnehmer – trotz des höheren Anstiegs Reallohnverluste hinnehmen. Insbesondere bei Tarifabschlüssen zu Beginn des Jahres beziehungsweise aus den Vorjahren, in denen Tariferhöhungen für 2022 vereinbart wurden, konnte die Entwicklung der Preise noch nicht berücksichtigt werden. Zum Teil reagierten die Tarifparteien aber auch mit Sonderzahlungen, die sich allerdings nicht in der Berechnung der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütungen niederschlagen.
Insgesamt zeigt sich für die in Industrie und Handel ausgebildeten Berufe ein hohes Vergütungsniveau. Lediglich in 13 der 103 Ausbildungsberufe, für die Vergütungsdurchschnitte ermittelt wurden, lag der tarifliche Durchschnittswert unterhalb von 1000 Euro. Im mittleren Vergütungsbereich lagen die Berufe Industriekaufmann/-frau und Kaufmann/-frau im Einzelhandel, aber auch der noch relativ neue Ausbildungsberuf Kaufmann/-frau im E-Commerce mit 1065 Euro.
In Tarifverträgen werden grundsätzlich keine Unterschiede nach Geschlecht gemacht, wie das BIBB betont. Dennoch lassen sich bei entsprechenden Auswertungen Unterschiede in der Vergütungshöhe zwischen männlichen und weiblichen Auszubildenden feststellen. Männliche Auszubildende erhielten 2022 im Durchschnitt über alle Ausbildungsjahre mit 1034 Euro im Vergleich zu 1017 Euro für weibliche Auszubildende leicht höhere tarifliche Ausbildungsvergütungen.
Nachdem 2020 und 2021 mit rund 2,5 Prozent die tariflichen Steigerungen etwas schwächer ausfielen, gab es 2022 mit 4,2 Prozent wieder einen kräftigen Anstieg bei den tariflichen Ausbildungsvergütungen. Aber auch in diesem Jahr fanden die Tarifverhandlungen unter schwierigen Rahmenbedingungen statt. Zwar traten die Auswirkungen der Coronapandemie etwas in den Hintergrund, aber mit Ukrainekrieg, Energiekrise, hoher Inflation und deren ungewissen Folgen für Betriebe und Beschäftigte rückten neue Brandherde in den Blickpunkt. Hohe tarifliche Forderungen konnten nur zum Teil umgesetzt werden. Für die Beschäftigten wie für die Auszubildenden ergaben sich daher angesichts der hohen Inflation Reallohnverluste. Ob es gelingt, diese zumindest teilweise auszugleichen, müssen die anstehenden Tarifverhandlungen zeigen. Zum Teil wird hier auch mit dem Mittel von Sonderzahlungen gearbeitet, von denen die Auszubildenden in der Regel anteilsmäßig profitieren, die allerdings nicht zu einer Erhöhung der Vergütungstabellen führen und daher nur kurzfristig Erleichterung bringen.
2022 lag die durchschnittliche tarifliche Ausbildungsvergütung bei 1028 Euro. Insgesamt erhielten rund 60 Prozent der Auszubildenden Ausbildungsvergütungen von mehr als 1000 Euro. Im Ausbildungsbereich öffentlicher Dienst traf dies auf alle Auszubildenden zu, in Industrie und Handel auf etwa drei Viertel der Auszubildenden, im Handwerk und den freien Berufen allerdings auf weniger als 30 Prozent der Auszubildenden. Im Handwerk war der Anteil der Auszubildenden mit tariflichen Ausbildungsvergütungen unterhalb von 850 Euro mit 38 Prozent besonders hoch. Zu berücksichtigen ist, dass nur ein Teil der Auszubildenden in einem tarifgebundenen Betrieb lernt und somit in die entsprechenden Tarifvereinbarungen in seiner Branche und Region eingebunden ist. Für einige Branchen gibt es keine Tarifvereinbarungen, in anderen Branchen nur in einem Teil der Regionen. Insgesamt galt 2021 für 25 Prozent der Betriebe ein Branchen- oder Haustarifvertrag; 52 Prozent der Beschäftigten arbeiten in diesen Betrieben.