Zweigleisig fahren

Seit dem ersten Januar rollt er: der Kopernikus II. Dreimal pro Woche verbindet der Zug das Terminal in Krefeld mit dem polnischen Poznan (Posen). Er wird komplett von der Spedition DLS aus dem norddeutschen Siek befrachtet. 3,1 Millionen Euro für einen neuen Zug Für den Osteuropa-Spezialisten ist es schon der zweite Streich: Vor anderthalb Jahren wurde mit Kopernikus I bereits ein Zug auf die Schiene gesetzt, der mehrmals pro Woche Krefeld mit Warschau verbindet. Dieses Angebot kam am Markt so gut an, dass DLS nachgelegt und 3,1 Millionen Euro in einen zweiten Zug investiert hat. "Das war für uns strategisch: Wenn wir es nicht machen, würde es jemand anders tun", erklärt May-Britt Schrader, Prokuristin bei DLS. Das Beispiel zeigt: Auch in Zeiten sinkender Dieselpreise bleibt es für Speditionen attraktiv, Transporte auf die Schiene zu verlagern. Zumal kaum einem Segment in der Logistik so gute Wachstumsaussichten eingeräumt werden wie dem KV: Bis 2025 soll die Menge der Güter, die multimodal transportiert werden, jährlich um 8,4 Prozent zunehmen. Das prognostiziert eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. Innerhalb Europas sollen die Transporte sogar um fast zehn Prozent pro Jahr wachsen. Auf den Zeitraum von 2008 bis 2025 bezogen bedeuten diese Zahlen: Der kontinentale KV verdreifacht sich. Was war für DLS die ursprüngliche Motivation, den neuen Verkehrsträger für sich zu erschließen? "Es gab schlichtweg keine attraktive Verbindung nach Warschau", erklärt Schrader. Auch mit der Auslastung des zweiten Zugs hat das Unternehmen kein Problem: Neben bestehenden Kunden konnte ein großes schwedisches Möbelhaus als Auftraggeber im Verkehr Richtung Westen gewonnen werden. In Richtung Osten rollen Papier, Granulate und harmlose Chemie in Trailern sowie Containern. Überwiegend arbeitet DLS mit der Industrie zusammen, mitunter nutzen aber auch andere Spediteure den Zug. Bevor Kopernikus II starten konnte, war zunächst viel Vertriebsarbeit nötig. "Für ein Projekt dieser Größenordnung braucht man sichere Zusagen von Verladern", berichtet Schrader. Das wichtigste Verkaufsargument seien die CO2-Einsparung sowie der zuverlässige Transport gewesen. "Der Fahrermangel tut natürlich sein Übriges", resümiert Schrader. Als Traktionär fungiert - wie bei Kopernikus I - die Privatbahn ERS; die Niederländer kümmern sich um Trassen, Loks und Waggons. Ziel war, ein möglichst bequemes Angebot für die Verlader zu schaffen, sprich: Ankunftszeiten früh am Morgen und Abfahrten möglichst spät abends, damit Ladungen noch lange abgeliefert werden können. Von der Investitionssumme floss der Großteil in die Anschaffung von 120 neuen kranbaren Trailern, hinzu kamen Ausgaben für EDV und Personal. Obwohl Kopernikus II erst kurze Zeit verkehrt, plant DLS schon weiter. Man werde weitere Ballungsgebiete in Polen mit Deutschland verbinden, heißt es von der Spedition, die noch vor wenigen Jahren ausschließlich im Straßensegment aktiv war. Und wie wäre es mit einer Nord-Süd-Verbindung? Derartiges sei nicht geplant, sagt Schrader - und schmunzelt, "aber sag' niemals nie". Nosta hat Bremerhaven im Blick Den KV als neues Standbein erschließen - diese Strategie verfolgt auch Nosta aus Osnabrück seit mehreren Jahren. Um in das Geschäft einzusteigen, hat das Transportunternehmen auf einem ehemaligen Gelände der britischen Streitkräfte ein eigenes Terminal eingerichtet. Als erster Kunde wurde der Papierhersteller Technocell gewonnen, der den Verkehr zwischen seinen Werken in Dresden und Osnabrück mit dem Nosta-Zug abwickelt. "Am Anfang ist es wichtig, einen Massengutkunden mit 60.000 bis 70.000 Tonnen zu haben", erklärt Rüdiger Tepe, Leiter des KV-Geschäfts. Nosta baut seinen Schienenservice sukzessive aus. Seit Anfang des Jahres rollen die 640 Meter langen Containerzüge auch ins niederländische Vlissingen und nach Antwerpen, im Februar kommt eine Verbindung nach Bremerhaven hinzu. Unter den Kunden sind zum Beispiel ein Sportartikelhersteller sowie ein Reifenimporteur. Um weiter wachsen zu können, will Nosta die Fläche an seinem Terminal dieses Jahr um 13.000 Quadratmeter erhöhen und eine Gefahrgutwanne einrichten. Was braucht ein Spediteur, um in den KV einzusteigen? "Geduld und Nerven", sagt Tepe. Die Verbindung nach Antwerpen etwa habe von Planung bis Umsetzung zwei Jahre benötigt. Wie bei DLS war auch bei Nosta ein wichtiges Argument im Gespräch mit den Kunden - neben dem Preis - der Umweltschutzaspekt. Das allein überzeuge aber nicht, betont Tepe, "wichtig ist, dass Sie etwas bieten, was die Straße nicht bieten kann - etwa Containerzwischenlagerung". Er gibt ein Beispiel: Für einen Importeur treffen 50 Container an einem Seehafen ein. Sie müssen innerhalb von drei Tagen abgeholt werden, sonst ist Lagergeld zu zahlen, nicht selten 50 Euro pro Tag. Nach zehn Tagen Lagerung am Hafen wären schon 25.000 Euro für die Ladung fällig. Deshalb holt Nosta die Container per Zug ab, lagert sie im Terminal und stellt dem Kunden einzelne Behälter just-in-time zu, wenn der sie braucht. Bisher läuft das Schienengeschäft für Nosta gut. Auf der Relation Osnabrück - Dresden liegt die Auslastung nach eigenen Angaben bei 80 Prozent, im Verkehr Richtung Belgien und Niederlande bei 90 Prozent. Lediglich einige Tankcontainer fahren leer zurück nach Deutschland. "Immer paarige Verkehre - das wäre natürlich unser Traum", sagt Tepe und lacht. Ein Neues Instrument als Entscheidungshilfe für Transporteure Wann es sich lohnt, KV-Transporte anzubieten Trotz guter Erfolgsaussichten wagen nur wenige Spediteure den Einstieg in den Kombinierten Verkehr (KV). Das soll ein Projekt der TU Darmstadt ändern: KoVoS (Kombinierter Straßen-/ Schienengüterverkehr oder Straßentransport) will Mittelständler bei der Verkehrsträgerwahl unterstützen. Dafür wurden in Expertenworkshops zunächst die größten Hürden identifiziert. "Die Aufnahme des KV bedeutet nicht nur eine bloße Umstellung des Transports, sondern auch die Erweiterung beziehungsweise Änderung des bestehenden Geschäftsmodells", erläutert Professor Ralf Elbert, Leiter des Fachgebiets Unternehmensführung und Logistik an der TU Darmstadt. Vor allem die steigende Komplexität wird von vielen Spediteuren als Hürde gesehen, schließlich agiert das Unternehmen im KV nicht mehr allein, sondern muss mit Traktionären und sogar Konkurrenten zusammenarbeiten, etwa im Vor- oder Nachlauf."Die zweite Hürde ist die technische Machbarkeit", erklärt Wissenschaftler Lowis Seikowsky, der das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Projekt betreut. Bei vielen Unternehmen fehle es zum Beispiel an kranbaren Sattelaufliegern oder Wechselbrücken.Als Entscheidungshilfe für Transportunternehmen und Verlader haben die Wissenschaftler einen kostenlosen Internettest namens "KV-Navigator" entwickelt. Er lässt sich innerhalb von fünf Minuten bearbeiten und misst auf einer Punkteskala, wie bereit der Betrieb für die Nutzung des KV ist und ob er sich in das Produktionskonzept aufnehmen lässt. Der "KV-Navigator" ist ab März auf der Webseite von KoVoS verfügbar: kovos.de. cg

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