Wir fahren nicht um jeden Preis

Wie kam es zum aktuellen Schritt von Seifert, der Zertifizierung als Compliant Carrier, ein Siegel für rechtssichere Prozesse? Arnold Külper: Mitte 2018 startete unsere Partnerschaft mit FUMO. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht, auch mit der Hinterlegung unserer gesamten festfahrenden Subunternehmer. Wir waren begeistert vom System und haben das auch weitervermarktet an alle unsere Partner. Da war es ganz entscheidend, die nächste Stufe zu zünden - unsere internen Prozesse durchleuchten zu lassen. Praxisorientiert und nachhaltig, um zu sehen, wie gut wir rechtssicher aufgestellt sind, um nicht in Obliegenheitsverletzungen zu kommen. Welche Prozesse wir noch nachjustieren müssen. Welche Prozesse als gut befunden werden. Und letztlich auch ein Bindeglied zwischen unseren Dekra-Audits, den ISO-Zertifizierungen und einer praxisorientierten, rechtssicheren Zertifizierung zu schaffen. Und der Aufwand hat sich gelohnt? Arnold Külper: Ja. Das Hauptthema, um das es hier geht, ist, in einem immer differenzierteren Transportmarkt in Deutschland und Europa, mit jeder Menge Kleinstunternehmern, die für uns einen Großteil der Transporte abwickeln, gegenüber unseren Kunden zu demonstrieren, dass sie mit Seifert den Millimeter besser sind. Wir sind rechtssicher! Wir hatten aktuell einen konkreten Anwendungsfall mit dem Compliant-Carrier. Ein großer Verlader aus der Papierbranche hat das Zertifikat abgefordert, weil die Muttergesellschaft rechtssichere Transportprozesse eingefordert hat. Die fanden das klasse, weil wir partnerschaftlich und im Eigeninteresse den Check absolviert haben. Was bringt die Zertifizierung intern? Julian Seifert: Wir schaffen damit einen einheitlichen und gleichmäßig hohen Standard über alle unsere Standorte. Ein Beispiel ist die Unterstützung der Fahrer in puncto Rechtssicherheit. Dazu haben wir vor gut zwei Jahren angefangen, Prozesse wie die regelmäßige Führerschein- und Fahrerkartenkontrolle digital zu implementieren. Zudem wollten wir einen externen Einblick, welcher uns objektiv bewertet, wie wir stehen. Lässt sich das Thema interne Schulung über ein System abbilden? Julian Seifert: An dem Thema sind wir gerade dran. Wir haben auch eigene, spezifische Schulungen zum Beispiel in der Lagerlogistik, im Bereich Komponenten oder der Modulfertigung - die wir teilweise für Auftraggeber aus dem Automotive-Bereich übernehmen und wo es dann spezifische Schulungen geben muss. Unser Ziel ist, die Mitarbeiter ortsunabhängig, ohne Mehreinsatz und, ohne samstags oder sonntags zu schulen, dafür begeistern zu können. Auch gerade aufgrund der Fremdsprachlichkeiten in dem Tool, das wir aktuell benutzen, eine Eindeutigkeit zu erzielen. Das Thema ist auf jeden Fall vielfältig, wir müssen neben den Schulungen, die der Gesetzgeber oder der Versicherungsträger uns abverlangt, auch verschiedenste Coachings abbilden können. Das ist aktuell eine meiner Aufgaben, die Digitalisierung - nicht nur als Schlagwort, sondern tiefgreifend voranzubringen. Prozesse zu managen, Prozesse zu coachen, die richtigen Tools dafür auszuwählen und das Ganze auch nachhaltig zu gestalten. Wo wollen Sie am Ende stehen? Julian Seifert: Am Anfang standen die Pflichtschulungen. Jetzt integrieren wir die Learning-Management-Systeme und versuchen, das clever in einem Gesamtkonstrukt zu integrieren. Zudem steht das Thema Pflichtschulungen für unsere Mitarbeiter auf der Agenda - und deren Hauptpunkt die Weiterbildung, wo wir uns breiter aufstellen wollen. So streuen wir unser Know-how und sind flexibler. Sie favorisieren ein umfassendes System, über das sie alles machen können? Arnold Külper: Genau. Für den gesamten gewerblichen sowie kaufmännischen Bereich. Alles auf einer Plattform, multilingual. Ist der Bedarf bei den Fahrern am größten? Arnold Külper: Grundsätzlich ja. Wir dürfen nicht den Fehler machen, den Fahrern zu viele Pflichten aufzuerlegen. Die sind bei uns von montags bis samstags auf der Straße. Dazu kommen noch drei, vier Frontalschulungen im Jahr - da tut man dem Fahrer keinen Gefallen. Alternativ haben unsere Fahrer hin und wieder Standzeiten. Und wenn diese Arbeitszeit genutzt wird, um, sagen wir mal, einen ADR-Kurs oder einen Ladesicherungskurs online zu machen, würden wir alle viel gewinnen. Wie sind Eure Fahrer ausgestattet oder anders gefragt: Welche Technik eignet sich am besten für Online-Schulungen? Julian Seifert: Alle Fahrer haben oder bekommen ein großes Smartphone, um die Displayfähigkeit zu gewährleisten. Da sind wir kurz vor Abschluss des Roll-outs. Darüber läuft auch unsere Telematik. Unsere Herausforderung ist aktuell, mehr und eine bessere Funktionalität gewährleisten zu können. Dann können wir unser Thema darüber optimierter abbilden. Da gibt es viele Möglichkeiten, die wir gerade prüfen. Wird es auch eine Art Seifert App geben oder eine Fokussierung auf Fleetboard, weil Seifert ja viel Mercedes fährt? Arnold Külper: Für die Telematik haben wir eine eigene App über unseren TMS-Anbieter. Es gibt auch schon eine Seifert App, über die wir unsere Lernthemen an verschiedenen Stellen ausspielen. Wir haben da im Moment ganz viele Initiativen. Und wir bringen die gerade alle zusammen, um ein großes, cleveres System dahinter zu entwickeln. Auch die Möglichkeit, das offline zu nutzen, damit unsere Kolleginnen und Kollegen bei allen sich bietenden Gelegenheiten die Zeit nutzen für Schulungen oder Qualifizierungen. Was Fleetboard betrifft, nutzen wir nur noch die Hardware im Fahrzeug. Übrigens bilden wir auch die Fuhrpark-Prozesse in unserem System ab, etwa die digitalisierte Führerscheinkontrolle oder die Abfahrtskontrolle unserer Lkw. Wie gesagt, wir arbeiten an einem insgesamt schlüssigen System. Kommen wir zurück zum Thema Auditierung. Welche Impulse gab das? Julian Seifert: Grundsätzlich mal die sehr positive Rückmeldung, dass wir gut bewertet wurden und keine gravierenden Schwächen haben. Aber wir haben Punkte identifiziert, die aus Unwissenheit nicht optimal liefen - etwa, weil nicht alle Bereiche ausreichend miteinander kommunizieren. Das war auch der Unternehmensgröße geschuldet - das Thema, 'wenn Seifert wüsste, was Seifert weiß, dann wären wir schon mal weiter'. (lacht) Jetzt passen unsere Prozesse, sind sicher und können bei Bedarf noch einmal adaptiert und/oder verändert werden. Das Audit war für uns eine ehrliche Ist-Aufnahme. Und genau das sollte es sein. Welche Erkenntnisse gab es neben der Feststellung, dass Seifert jetzt prozesssicher ist? Julian Seifert: Zugegeben gibt es noch zwei, drei Sachen, wo man sich immer verbessern kann. Beispielsweise Vertragsgestaltung oder Transport-AGB. Da werden wir jetzt noch mal zwei, drei Punkte aufnehmen. Das ist auch gut für die Außenwirkung und letztlich auch ein Marketinginstrument. Erwähnenswert ist, dass wir das nicht nur in Ulm machen, sondern an allen Speditions-Standorten. Gehen wir mal weg von internen Prozessen hin zum Markt. Wie stellt sich für Euch die momentane Situation dar? Arnold Külper: Das ist branchenabhängig. Man muss differenzieren, welche Relationen, welches Land, Containerfracht, Straßenfracht ... Das ist durchwachsen. Wir haben höheres Volumen im europäischen Straßengüterverkehr als letztes Jahr, was wir aber sehen und wo wir intern auch die richtigen Weichen stellen werden. Wir haben einen großen Eigenfuhrpark. Und auf Sicht können wir diesen ausbauen. Großflottenbetreiber stürzen sich auf den freien Markt und fischen Frachten ab. Die gehen verstärkt in Kontraktgeschäfte. Im Gegensatz dazu hören kleine Unternehmer auf, weil es keine Nachfolger gibt. Wir können Spitzen wie an Ostern oder Weihnachten erschwert abdecken, weil weniger Frachtraum da ist. In diesen Zeiten fällt es uns schwerer, unsere Kunden zu bedienen. Das erfordert ein engeres Forecast-Verhalten von unseren Kunden. Wie sehen Waren und Produktionsbedingungen aus? Unsere Kunden sollten ihre genauer prognostizieren auch im Eigeninteresse der Liefertreue an ihre Kunden in Zeiten eines sehr volatilen Frachtmarkts ... Das gesamte Interview finden Sie unter: www.verkehrsrundschau.de/plus/seifert In Kürze Die Seifert Logistics Group hat sich einer externen Zertifizierung unterzogen, arbeitet an einem digitalen Aus- und Weiterbildungssystem und plant zudem, den Eigeneintritt künftig deutlich zu erhöhen.

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