Win-win-Situation

Ob Digitalisierung der Logistikprozesse, Expansion oder die Unternehmensstrategie, die komplett neu ausgerichtet wird - die Gründe, warum Unternehmen die Liquidität ausbauen müssen oder wollen, sind vielfältig. Auf der anderen Seite sehen wir nach wie vor einen Logistikimmobilienmarkt, der von Investoren mit vollen Kassen geprägt ist, die jedoch vor einem deutlich verknappten Angebot stehen. Wer jetzt Lagerhallen in attraktiven Lagen versilbern will, hat also gute Karten. Entsprechend interessant ist in diesen Zeiten das Modell Sale-and-Lease-Back geworden: Dabei wird eine Logistikimmobilie an einen Investor verkauft und anschließend wieder zurückgemietet (siehe Glossar Seite 28). So schlägt der Verkäufer gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Er kommt an Geld, das er direkt ins Kerngeschäft investieren kann, und ist gleichzeitig Herr über die weitere Nutzung der Immobilie. Es gibt aber einen weiteren Grund, warum das Modell verstärkt aufs Tableau rücken könnte: "Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist die Sicherstellung der Liquidität von elementarer Bedeutung", meint Bodo Hollung, Geschäftsführer von LIP Invest aus München (siehe Expertentipp auf Seite 29). Unsicherheitsfaktoren wie der Brexit, die konjunkturelle Abkühlung sowie das Coronavirus wirkten sich auf den Logistikmarkt aus. "Sale-and-Lease-Back-Modelle können jetzt sehr gut genutzt werden, um Liquidität freizusetzen", so Hollung. Rahmenbedingungen denkbar günstig "Sale-and-Lease-Back ist ein Thema, das uns in den letzten 15 Jahren kontinuierlich begleitet", berichtet derweil Kuno Neumeier, Geschäftsführer der Münchener Logistikimmobilienberatung Logivest - ohne allerdings einen allgemeinen Trend auszumachen. "Die Umstände, die dazu führen, dass ein Unternehmen diesen Schritt geht, sind sehr, sehr individuell", betont der Logivest-Chef. Eines kann er aber mit Sicherheit bestätigen: "Weil die Zinspolitik die Kaufpreise extrem in die Höhe getrieben hat, sind die Rahmenbedingungen für Sale-and-Lease-Back denkbar günstig." Auch in diesem Jahr sollte das so bleiben, die Kassen der Investoren seien voll, daran ändere auch das Coronavirus nichts. "Wer sich mit dem Gedanken trägt, seine Immobilie im Sale-and-Lease-Back zu verkaufen, sollte es also jetzt tun", lautet die klare Empfehlung. Dazu sollten sich gerade kleine und mittlere Logistikunternehmen, für die diese Art von Transaktionen noch Neuland ist, aber bewusst sein, dass sie sich dabei mit hochkomplexen Vertragswerken auseinandersetzen müssen. Als entscheidende Parameter gelten Laufzeit des Mietvertrages und Höhe der monatlichen Nettokaltmiete. "Je länger die Laufzeit, desto höher der erzielte Verkaufspreis", bringt es Neumeier auf den Punkt. Aber auch kürzere Verträge können unter Umständen durchaus sinnvoll sein: "Ein Logistikdienstleister betreut in seiner eigenen Immobilie einen Kunden, der Vertrag läuft aber in fünf Jahren aus und es ist davon auszugehen, dass der Kunde nicht verlängert", skizziert Neumeier ein Szenario. Um das Risiko zu minimieren, dass er dann mit einer leeren Logistikimmobilie dasteht, könne er einen Vertrag mit einer Laufzeit von fünf Jahren abschließen. "Er bekommt dann zwar nicht den bestmöglichen Kaufpreis, kann aber viel flexibler agieren. Wir raten dem Verkäufer in solchen Fällen, eine Verlängerungsoption einzubauen", so Neumeier. Der Vorteil: Wenn er zwölf Monate vor Ablauf ein neues Geschäft für den Standort gefunden hat, kann er den Mietvertrag verlängern, wenn nicht, aus der Immobilie ausziehen. Viele Stellschrauben zu klären Bei der Planung einer Sale-and-Lease-Back-Transaktion stellt sich zudem die Frage, welche Verpflichtungen auf den Verkäufer und späteren Mieter zukommen. Man unterscheidet in der Immobilienbranche hier zwischen sogenannten Double- und Triplenet-Verträgen. Bei Doublenet-Verträgen kümmert sich der künftige Eigentümer um Nebenkosten, Instandhaltung und Verwaltung, bei Triplenet-Verträgen der künftige Mieter. "Wir empfehlen Triplenet-Verträge nur Logistikern, zu deren Kernkompetenzen auch das Property-Management gehört", betont Neumeier. Kleine und mittlere Logistiker entschieden sich seiner Erfahrung nach daher häufig dafür, diese Verantwortung an den Käufer abzugeben. Bei komplizierten, hochindividualisierten Anlagen könne es dagegen sinnvoll sein, Triplenet-Verträge abzuschließen. "Wenn der bisherige Nutzer seine Immobilie gut kennt und in absehbarer Zeit ohnehin keine Verwendung mehr für sie hat, würde es die Sache sehr verkomplizieren, wenn der Investor für diesen kurzen Zeitraum aufwendige technische Ankaufsprüfungen durchführen müsste oder hohe Rückstellung und Risikoabschläge einkalkulieren müsste", beschreibt Dominic Thoma, Team Leader Industrial Investment München bei Jones Lang LaSalle (JLL), derweil die Investorenperspektive. Richtig knifflig wird es aber, wenn es um die Festlegung der Miete geht. Mit einer Miete, die im Marktvergleich eher hoch angesiedelt ist, kann der Verkaufspreis zwar in die Höhe getrieben werden. Experten raten aber dazu, diesen Hebel nicht auszureizen. "Ist die Immobilie in einem tollen Zustand, kann eine Miete am oberen Ende der Marktmietbandbreite natürlich für ein höheres Ergebnis beim Verkaufspreis sorgen", sagt JLL-Experte Thoma. Verkäufer sollten dies aber nicht übertreiben. Wenn die Geschäfte mal nicht mehr so gut laufen, könne das dem späteren Mieter auf die Füße fallen. "Ich nenne das gerne den Karstadt-Effekt", so Thoma. Die Warenhauskette hatte einst im großen Stil Sale-and-Lease-Back betrieben und konnte bekanntlich am Ende die teuren Mieten durch das Kerngeschäft nicht mehr refinanzieren. "Auch Investoren finden es übrigens nicht zwingend verkehrt, wenn zum Wohle des operativen Geschäftes die Miete an der unteren Bandbreite angesetzt wird", so Thoma. Wenn der Mieter nach Ende der Laufzeit auszieht, habe er zudem deutlich mehr Hebel, die Miete nach oben anzupassen. Das größte Risiko für Verkäufer ist nach Ansicht des JLL-Experten jedoch, dass sie sich schlecht oder zu wenig beraten lassen. "Der Hausjurist mag zwar schon seit Jahrzehnten mit dem Unternehmen verbunden sein, hat aber vielleicht noch nie eine derartige Transaktion begleitet", gibt er zu bedenken. In solchen Fällen könne es sogar passieren, dass Verträge zum Nachteil des Verkäufers aufgesetzt würden. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen sollten sich daher eine Beratung ins Boot holen, die einen neutralen Blick von außen mitbringt und sowohl die Welten der familiengeführten Logistikunternehmen als auch der Investoren kennt, empfiehlt der JLL-Vertreter. "Sonst ist eine eigentlich sehr gute Verhandlungsposition schnell verloren. Wenn der Vertrag erst einmal geschlossen ist, lässt es sich als Mieter schlecht nachverhandeln." Langsam setzt das Umdenken ein Die Zeiten sind also günstig, um die eigene Immobilie in liquide Mittel umzuwandeln. Gerade kleinere Unternehmen halten an eigenen Immobilien aber traditionell gerne fest, oft aus Traditionsgründen. "Das in Immobilien schlummernde Kapital wäre oftmals besser in das Kerngeschäft oder in nötige Investitionen angelegt", hält Hollung von LIP Invest dagegen. Doch auch hier finde durch die Veränderung der Märkte ein Umdenken statt. Mehr zum Thema finden Sie unter #Immobilien www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit ist finanzielle Unabhängigkeit besonders wichtig. Ein Weg, um an liquide Mittel zu kommen, ist das Sale-and-Lease-Back von Immobilien. Was Logistiker darüber wissen sollten und auf welche Fallstricke besonders kleine und mittlere Unternehmen achten müssen. Glossar Sale-and-Lease-BackEin Nutzer und Eigentümer einer Logistikimmobilie kann im Rahmen von Sale-and-Lease-Back-Transaktionen seine Immobilie an einen Investor verkaufen und verpflichtet sich im Gegenzug, das Objekt über eine längere Laufzeit und zu bestimmten Konditionen wieder zurückzumieten. Durch den Verkaufserlös kann sich der Logistiker die Liquidität beschaffen, die er beispielsweise für die Umstrukturierung seines Unternehmens oder Investitionen in innovative Lösungen braucht.RückkaufoptionEs gibt Varianten mit und ohne Rückkaufoption. Ersteres ist dem Leasingmodell, wie wir es aus dem Fahrzeugbereich kennen, sehr ähnlich. Das heißt, der Verkäufer hat nach Ablauf der Mietzeit die Möglichkeit, die Immobilie zu einem festgelegten Restwert zurückzukaufen. Hierzulande wird der Großteil der Transaktionen ohne Rückkaufoption realisiert.Double-/Triplenet-VerträgeBei einem sogenannten Doublenet-Vertrag ist der künftige Eigentümer für die klassischen Nebenkosten, Instandhaltung (Dach und Fach) und Verwaltung zuständig. Beim Triplenet-Vertrag erklärt sich der Mieter für das sogenannte Dach und Fach zuständig, kümmert sich also wie ein Eigentümer um das Gebäudemanagement und alle Nebenkosten. Hier zahlt der künftige Mieter im Wesentlichen Grundsteuer, eine vereinbarte Instandhaltungspauschale und die Nettokaltmiete an den Eigentümer. Im Umkehrschluss kann der Investor seine Rendite fix kalkulieren, weil er keinen Verwaltungs- und Kostenaufwand hat. Entsprechend höher fällt bei Triplenet-Verträgen der Kaufpreis aus. mh

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