Interview: "Wichtig ist die Verhältnismäßigkeit"

Bald wird die Polizei technisch in der Lage sein, sämtliche Fahrzeugdaten auszulesen, um nach einem Unfall die Schuldfrage zu klären. Darf sie das so einfach? Daniela Mielchen: Im Prinzip läuft damit das Aussageverweigerungsrecht eines Beschuldigten leer. Die Polizei kann zwar Beweise sicherstellen und beschlagnahmen. Die Beschlagnahme geht aber nur unter bestimmten, engen Voraussetzungen. Es muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Existiert ein Anfangsverdacht für eine erhebliche Straftat, dürfte der Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen - und nichts anderes ist die Beschlagnahme von Daten - als verhältnismäßig angesehen werden. Bei leichten Vergehen oder Ordnungswidrigkeiten könnte das jedoch schon anders aussehen. Da aber bei jedem Unfall ein gewisser Anfangsverdacht besteht, ist zu befürchten, dass die Polizei künftig Sicherstellung und Beschlagnahme routinemäßig durchführt. Ein großes Problem sehe ich jedoch darin, dass diese Abwägung in der Praxis die Polizei vor Ort vornimmt und nicht etwa ein Richter. Wie das? Eine Beschlagnahme unterliegt dem sogenannten Richtervorbehalt. Das bedeutet, dass ein Richter sie anordnen muss. Nur bei Gefahr im Verzug - wenn also die Anfrage beim Richter durch die Zeit, die sie in Anspruch nimmt, den Erfolg der Maßnahme gefährdet - darf der Beamte selbst entscheiden. Gefahr im Verzug kann aber bei Fahrzeugdaten in der Regel immer angenommen werden, da die Daten meistens nur kurz gespeichert sind oder sich löschen lassen. Damit treffen Polizeibeamte in der Praxis Abwägungen, die eigentlich beim Richter liegen sollen. Ist das bislang noch Zukunftsmusik? Keineswegs. Bereits jetzt verfährt die Polizei so. Gibt es beispielsweise nach einem Verkehrsunfall keine erkennbare Unfallursache, beschlagnahmt die Polizei in manchen Teilen Deutschlands das Handy, um herauszufinden, ob der Fahrer telefoniert oder SMS verschickt hat. Ich halte das für rechtlich bedenklich.