Wer kommt für den Schaden auf?

Zwei Dürrejahre in Folge haben die Binnenschifffahrt zuletzt schwer belastet. Extrem niedrige Pegelstände führten dazu, dass die Frachter mit deutlich weniger Ladung oder gar nicht verkehren dürfen. Leidtragende sind nicht nur Reeder und Partikuliere, sondern auch deren Auftraggeber. Denn die Einschränkungen haben Mehrkosten zur Folge, weil kurzfristig umdisponiert werden muss, und sie führen mitunter zu teuren Verzögerungen. Doch wer muss eigentlich für Verspätungsschäden durch Niedrigwasser aufkommen - und ab welchem Punkt? Antworten auf diese Frage geben bei einem Frachtvertrag über den nationalen Transport per Binnenschiff das Handelsgesetzbuch (HGB) sowie international das Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (CMNI). Das CMNI gilt bei grenzüberschreitenden Beförderungen und besagt, dass der Frachtführer seinem Auftraggeber bei einer Lieferfristüberschreitung, die er verschuldet, grundsätzlich einfach die vertraglich vereinbarte Fracht zurückerstatten muss. Voraussetzung für die Anwendung der CMNI ist, dass der Ladehafen und der Löschhafen in zwei verschiedenen Staaten liegen, wobei mindestens einer von beiden ein Vertragsstaat ist. CMNI-Vertragsstaaten sind neben Deutschland unter anderem Belgien, Bulgarien, Frankreich, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Rumänien, Russland, Schweiz, Slowakei, Tschechien und Ungarn. Findet die Beförderung nur auf deutschen Binnengewässern statt, hat der Absender nach einer Lieferfristüberschreitung grundsätzlich sogar Anspruch auf den dreifachen Betrag der vereinbarten Fracht. Der Frachtführer haftet grundsätzlich nur dann, wenn er den Schaden vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass er wahrscheinlich eintritt, herbeigeführt hat. Er trägt dafür die Beweislast. Haftungsausschluss bei höherer Gewalt Beim Logistikdienstleister Contargo kennt man die wetterbedingten Herausforderungen der Binnenschifffahrt - und ist darauf vorbereitet. Die Spezialisten für den Containerhinterlandverkehr befördern einen großen Teil der in Auftrag gegebenen Container auf den Wasserstraßen mit gecharterten Binnenschiffen. "Dabei agieren wir nicht nur als Spediteur für unsere Kunden, sondern auch als Frachtführer und Terminaloperator", sagt der Contargo-Prokurist und Rechtsexperte Frank Weisbecker. Wenn es wegen Niedrigwassers zu Störungen in der Lieferkette kommt, greifen Notfallpläne. "Wir erweitern dann unsere Flotte zum Beispiel um zusätzliche Schubleichter, die jeweils mit weniger Tiefgang fahren, weitere Binnenschiffe oder nutzen bei extremen Niedrigwasser unsere Bahnund Lkw-Kapazitäten, um Güter im Hauptlauf oder abschnittsweise auf andere Verkehrsträger zu verladen", erklärt Weisbecker. Kunden würden darüber frühzeitig informiert und Lieferfristen dadurch trotzdem in der Regel eingehalten. Bleiben die Binnenschiffe auf ihrem Weg zu den Seehäfen in Rotterdam oder Antwerpen doch mal auf dem Trockenen sitzen, richtet sich eine etwaige Haftung laut dem Leiter der Corporate-Services-Abteilung nach den genauen Umständen: "Wenn wir einen Fehler in der Disposition gemacht haben, wodurch ein Ladestopp in den Häfen nicht eingehalten werden kann, bekommt der Auftraggeber im Rahmen der Haftung sein Geld zurück." Wenn die Pegelstände auf den Wasserstraßen zu niedrig sind und ein Beförderungshindernis darstellen, berufen sich einige Logistikdienstleister allerdings auf höhere Gewalt und lehnen Schadenersatzforderungen ab. Ein solcher Haftungsausschluss ist aufgrund der gesetzlichen Regelungen mithilfe von Klauseln im Frachtvertrag und in allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich. Das Landgericht Leipzig hat höhere Gewalt vor Kurzem so definiert: Ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch nach den Umständen äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden kann und das auch nicht im Hinblick auf seine Häufigkeit in Kauf genommen zu werden braucht. In der Binnenschifffahrt kann das ein plötzliches amtliches Befahrensverbot sein. "Es gibt da immer mal unterschiedliche Rechtsauffassungen", erklärt Weisbecker. Um Streit oder Schadenersatzforderungen im Zweifel zu vermeiden, rät er dazu, dass beide Parteien bei individuellen Rahmenverträgen klären, welche Leistungshindernisse als höhere Gewalt gelten und miteinander sprechen, wenn der Fall eintritt, was zu tun ist. "Um Rechtssicherheit für den Fall von Niedrigwasser zu schaffen, empfehle ich, Mindestpegelstände festzulegen, bis zu denen gefahren werden muss." Mehr zum Thema finden Sie unter #Binnenschifffahrt www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Wetterkapriolen werden für die Binnenschifffahrt zunehmend zur Herausforderung. Nicht nur, dass zeitweise weniger oder gar keine Güter transportiert werden dürfen, wenn Flüsse etwa kaum Wasser führen. Auch Lieferfristüberschreitungen können für Ärger sorgen. Dabei gibt es eigentlich gesetzliche Regelungen. Haftung gemäß CMNI GeltungsbereichFrachtverträge über grenzüberschreitende Binnenschiffstransporte, sofern sich Abgangs- und Bestimmungsort in einem der Vertragsstaaten befindenHaftungsumfang:- Güterschäden:66,67 SZR (Sonderziehunhgsrechte) je Packung oder Ladungseinheit bzw. 2 SZR je kg des in der Frachturkunde erwähnten Gewichts der verlorenen oder beschädigten Güter (maßgeblich ist der höhere Wert) oder 26.500 SZR je Container (1500 SZR für Container und 25.000 SZR für Güter), wenn in Frachturkunde Packungen oder Ladungseinheiten nicht als im Container verpackt angegeben sind- Lieferfristüberschreitungen: der einfache Betrag der vereinbarten FrachtHaftungsgrundsatz:Verschuldenshaftung mit umgekehrter BeweislastHaftungsausschlüsse:- unabwendbares Ereignis,- Handlungen oder Unterlassungen des Absenders, Empfängers oder Verfügungsberechtigten,- Be- und Entladefehler durch den Absender, Empfänger oder Dritte- Beförderung auf Deck oder in offenen Schiffen, wenn dies mit Auftraggeber vereinbart worden ist- natürliche Beschaffenheit der Güter- Verpackungs- und KennzeichnungsmängelReklamationsfristen:- bei äußerlich erkennbaren Schäden sofort bei Ablieferung,- bei äußerlich nicht erkennbaren Schäden unverzüglich bis spätestens sieben Tage nach Ablieferung- bei Lieferfristüberschreitung spätestens 21 Tage nach AblieferungVerjährungsfrist:ein JahrQuelle: HDI/Kravag

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