Wenn sich beide Seiten einig sind

Die Auftragslage in der kleinen Spedition ist - gelinde gesagt - angespannt. Es gibt keinen Ausweg: Die Lohnkosten müssen gesenkt werden. Aber eine betriebsbedingte Kündigung ist stets rechtlich verzwackt - Ausgang ungewiss. Im Übrigen müssen in einem solchen Prozess zumeist Betriebsergebnisse, Auftragslage und andere Interna preisgegeben werden. Eine lange Prozedur mit zweifelhaftem Ende steht dem Unternehmer bevor. Kein Kündigungsgrund nötig Als Kündigungskandidat kommt im beschriebenen Fall der noch nicht so lange beschäftigte Fahrer A in Betracht. Die Chance, dass dieser jedoch "kampflos" geht, ist gering. Aber welche Alternative gibt es? Viele Speditionsinhaber stellen sich genau diese Frage und ob nicht vielleicht eine einvernehmliche Trennung per Aufhebungsvertrag möglich ist. Ein Aufhebungsvertrag ist das Gegenstück zum Arbeitsvertrag: Dieser hat seinerzeit das Arbeitsverhältnis begründet, der Aufhebungsvertrag hebt es nun wieder auf. In diesem vereinbaren der Arbeitgeber und ein bestimmter Arbeitnehmer übereinstimmend, das bestehende Arbeitsverhältnis zu einem festgelegten Zeitpunkt - zumeist zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist - aufzulösen. Für den Chef bringt diese Form der Vertragsbeendigung erhebliche Vorteile: So gelten sämtliche Kündigungsschutzvorschriften nicht. Der Arbeitgeber muss damit keinen Kündigungsgrund benennen und ist nicht an Kündigungsfristen gebunden. Sogar der besondere Schutz von Schwangeren, schwerbehinderten Menschen, Betriebsräten oder älteren Arbeitnehmern ist außer Kraft gesetzt. Sollte ein Betriebsrat bestehen, so hat der bei einem Aufhebungsvertrag nichts zu sagen und muss demgemäß nicht angehört werden. Wie aber muss ein Aufhebungsvertrag dokumentiert werden? Wichtig: Er ist nur gültig, wenn er schriftlich abgefasst und von beiden Parteien unterzeichnet ist. Aufhebungsverträge in Form von Fax, SMS, mündlicher Vereinbarung oder E-Mail sind unwirksam (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 11. September 2007, Aktenzeichen: 14 Sa 571/06). Die Unterschriften müssen den Urkundentext räumlich abschließen, eventuelle Nachträge oder Änderungen sind erneut zu unterschreiben (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. April 2007, Aktenzeichen: 2 AZR 208/06). Der Schriftform unterliegt auch ein Vorvertrag für einen Aufhebungsvertrag, also in dem sich beide zunächst verpflichten, demnächst einen solchen Vertrag mit detaillierten Regelungen abzuschließen. Ist der Vorvertrag nicht schriftlich, so kann keiner der Beteiligten später auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags klagen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, Aktenzeichen: 6 AZR 242/09). Eine der Herausforderungen für den Speditionsinhaber liegt darin, wie er Fahrer A davon überzeugt, sich auf einen Aufhebungsvertrag einzulassen und nicht einfach eine Kündigung abzuwarten. Die Initiative für einen Aufhebungsvertrag kann auch vom Arbeitnehmer ausgehen, etwa dann, wenn er bereits einen neuen Job sicher hat und vor Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist dort anfangen möchte. Geht die Initiative - wie hier - vom Arbeitgeber aus, so muss dieser für die durch den Aufhebungsvertrag genannten Vorteile meist in die Kasse greifen: Abfindungszahlung heißt das Zauberwort. Grundsätzlich besteht bei einer vertraglichen Auflösung des Arbeitsvertrags keine Verpflichtung, eine Abfindung zu zahlen; aber ohne "goldenen Handschlag" wird man Fahrer A kaum zur Zusage bewegen. Hier stellt sich gleich die nächste Frage: In welcher Größenordnung spielt sich eine solche Zahlung ab? Die Arbeitsgerichte sind da recht unverbindlich - Motto: Es kommt darauf an! Wenn der Mitarbeiter selbst die Vertragsauflösung wünscht, noch keinen gesetzlichen Kündigungsschutz genießt oder die Kündigung wasserdicht wäre, kann man von einer Abfindungszahlung weitgehend Abstand nehmen. Würde dagegen eine vom Arbeitgeber erwogene Kündigung vor Gericht kaum standhalten, muss der Speditionsinhaber je nach Chancenverteilung ins Portemonnaie greifen. Hinsichtlich der Höhe gibt es keine festen Regeln, sodass es im Wesentlichen Verhandlungssache ist, welcher Betrag fließen soll. Es hat sich in der Praxis die Faustformel entwickelt: Pro Beschäftigungsjahr ein halbes Monatsgehalt brutto. Das ist jedoch lediglich ein Pauschalwert. Mögliche Folgen kommunizieren Hat der Inhaber der Spedition sich mit dem Fahrer darüber geeinigt, dass er bei einer Geldzahlung das Arbeitsverhältnis löst, ist das Prozedere noch immer nicht ganz abgeschlossen. Denn der Abschluss des Aufhebungsvertrags hat für den Ex-Mitarbeiter Konsequenzen, die sich für ihn nachteilig auswirken können. Zwar gilt der Grundsatz: Jeder muss sich selbst informieren über die Folgen seines Handelns (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2001, Aktenzeichen: 3 AZR 339/00). Wenn der Arbeitgeber jedoch aus betrieblichen Gründen die Trennung vorschlägt, muss er den Arbeitnehmer auf bestimmte mögliche Folgen hinweisen: Bei vielen außergerichtlichen Aufhebungsverträgen verhängt die Arbeitsagentur eine Sperrfrist von bis zu zwölf Wochen, während der sie kein Arbeitslosengeld I zahlt. Dies hat möglicherweise auf die Höhe der Abfindungszahlung einen nachteiligen Einfluss. Jedenfalls sollte der ausscheidende Mitarbeiter diesen Umstand kennen (siehe Kasten Seite 148). Hinzu kommt, dass die gezahlte Abfindung steuerlich wie Arbeitslohn zu behandeln ist, das heißt: Das Jahreseinkommen kann steigen. In Folge droht eine höhere Steuerklasse, weshalb entsprechend mehr Geld versteuert werden muss - wenn auch mit einer speziellen steuerlichen teilweisen Entlastungsmöglichkeit. Eine Hinweispflicht für den Chef besteht insbesondere dahingehend, dass sich der Arbeitnehmer unverzüglich bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend melden muss. Besteht in einem Unternehmen eine Betriebsrente oder existieren sonstige Formen betrieblicher Vorsorge, so sollte der ausscheidende Arbeitnehmer über denkbare nachteilige Folgen für Versorgungsanwartschaften bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsvertrags informiert werden (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. Oktober 2000, Aktenzeichen: 3 AZR 605/99). Da Abfindungszahlungen für den Verlust des Arbeitsplatzes kein beitragspflichtiges Einkommen sind, besteht zwar Lohnsteuerpflicht, jedoch keine Beitragspflicht in der Sozialversicherung, wenn die Abfindung als Entschädigung für den Wegfall künftiger Verdienstmöglichkeit gezahlt wird. Sofern auf all diese Punkte hingewiesen wurde, sollte man diese ausdrücklich in den Aufhebungsvertrag aufnehmen. Insgesamt gilt bei den Hinweispflichten: lieber zu viel als zu wenig. Wenn der Arbeitgeber allerdings den Mitarbeiter berät und auf mögliche Fallstricke hinweist, so muss das stimmen. Ansonsten drohen Schadensersatzansprüche. Das Fazit lautet also: Der Speditionsinhaber muss auch bei der vermeintlich unproblematischen einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses einiges beachten - vor allem dann, wenn er es ist, der die Trennung wünscht. Um nicht den Tücken eines solchen Aufhebungsvertrags zum Opfer zu fallen, sollte dieser keinesfalls nur oberflächlich ausgehandelt und formuliert werden. Fachkundigen Rat einzuholen ist eine gute Investition. Arbeitslosengeld Wann keine Sperrfrist gilt Nach Ansicht der Bundesagentur für Arbeit gibt es keine Sperrzeit, wenn die Abfindung zwischen 0,25 und 0,5 Monatsverdienste pro Beschäftigungsjahr beträgt, der Arbeitgeber betriebsbedingt zum selben Zeitpunkt hätte kündigen können und die Kündigungsfrist eingehalten worden wäre und der Arbeitnehmer nicht unkündbar war. kk Checkliste Welche Punkte der Aufhebungsvertrag beinhalten sollte - Einigkeit, dass der konkrete Arbeitsvertrag zum (am besten: Ende der ordentlichen Kündigungsfrist) beendet wird.- Arbeitnehmer kann noch offenen Urlaub nehmen, ist ansonsten freigestellt.- Der Arbeitnehmer erhält zum Ende der Auslauffrist ein wohlwollendes Arbeitszeugnis.- Der Arbeitnehmer gibt alle in seinem Besitz befindlichen Betriebsmittel (zum Beispiel Fahrzeugschlüssel, Arbeitskleidung, Handy) zurück.- Der Arbeitgeber zahlt eine Abfindung, die zum Beendigungszeitpunkt fällig wird- Der Arbeitnehmer wurde auf folgende sozialrechtliche, steuerliche und arbeitsrechtliche Nachteile hingewiesen (...). kk

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