Weg mit dem Verbrennungsmotor, Vorhang auf für den Wasserstoffantrieb auf der Schiene: Das erste Netz mit Wasserstoffzügen für Passagiere hat in Niedersachsen den Betrieb aufgenommen - nach Einschätzung der Landesnahverkehrsgesellschaft ist es das weltweit erste. Das habe man überprüft, sagte die Sprecherin der Geschäftsführung der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen, Carmen Schwabl, am Mittwoch zur Inbetriebnahme in Bremervörde. Das Land schreibe damit „Eisenbahn-Geschichte“. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte, das Projekt habe „weltweit Vorbildcharakter“.
Zunächst 5, bis zum Jahresende schließlich 14 wasserstoffbetriebene Regionalzüge sollen den Angaben nach stündlich auf der 126 Kilometer langen Strecke zwischen Cuxhaven, Bremerhaven, Bremervörde und Buxtehude fahren - und 15 Diesel-Züge ersetzen. Betreiber sind die Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (EVB), weitere Partner sind der Zughersteller Alstom und der Industriegase-Spezialist Linde. Von September 2018 bis Februar 2020 waren zwei Wasserstoff-Prototypen im Testbetrieb mit Passagieren auf der Strecke im Einsatz. Das sei ein „markanter Meilenstein“ gewesen, sagte Schwabl. Auch in Hessen sollen künftig 27 Wasserstoffzüge fahren.
Alle Strecken ohne elektrische Oberleitung kommen für Wasserstoffzüge in Frage
„Wir werden keine Dieselfahrzeuge mehr kaufen“, kündigte sie an. Alle Strecken ohne elektrische Oberleitung, auf denen Dieseltriebzüge führen, seien Kandidaten für Wasserstoffzüge. Große Diesel-Netze gebe es im Raum Weser-Ems zwischen Wilhelmshaven, Oldenburg und Osnabrück sowie im Harz und in der Heide. Auf kürzeren nicht-elektrifizierten Strecken von 60 bis 80 Kilometern Länge könnten auch Hybridzüge eingesetzt werden, die sowohl mit Strom aus der Oberleitung als auch per Akku fahren können. In Niedersachsen seien 47 Prozent der Strecken nicht elektrifiziert, bundesweit sogar 61 Prozent.
Die im Betrieb emissionsfreien Alstom-Züge vom Typ Coradia iLint hätten eine offizielle Reichweite von 1000 bis 1200 Kilometern mit einer Tankfüllung - im Testbetrieb seien es 600 bis 800 Kilometer gewesen. Der Coradia iLint ist nach Angaben von Alstom der erste mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle angetriebene Personenzug. In einer Brennstoffzelle wird aus Wasserstoff und Sauerstoff Strom erzeugt, der Zug fährt also elektrisch. Auf der Strecke können damit den Angaben zufolge 4400 Tonnen CO2 jährlich eingespart werden. Eine Wasserstofftankstelle in Bremervörde musste eigens errichtet werden, eine künftige Wasserstoffproduktion per Elektrolyse mit regenerativ erzeugtem Strom ist geplant.
Die DB will bis 2040 Dieselkraftstoffe komplett abschaffen
Die Deutsche Bahn hatte im Februar angekündigt, bis 2040 Dieselkraftstoffe vollständig aus ihrer Flotte verbannen und ersetzen zu wollen. Der Konzern setzt dabei eigenen Angaben zufolge unter anderem auf Biokraftstoffe, die aus Rest- und Abfallstoffen hergestellt werden sollen. Vorhandene Dieselmotoren müssten dafür nicht umgerüstet werden. Neufahrzeuge sollen künftig nur noch mit Wasserstoff- oder Batterieantrieb angeschafft werden.
Ministerpräsident Weil sprach bei der Inbetriebnahme von einem „Meilenstein auf dem Weg zur Klimaneutralität im Verkehrssektor“. Das Projekt hat ein finanzielles Volumen von über 93 Millionen Euro, mehr als 85 Millionen Euro davon stammen vom Land, 8,4 Millionen Euro vom Bund, wie Landesverkehrsminister Bernd Althusmann (CDU) sagte. Schwabl machte aber auch klar: Das Ziel sollte sein, künftig alle Strecken zu elektrifizieren. Das dürfte aber noch viel Zeit kosten. (dpa/sn)