Bonn/Köln. Eigentlich ist es wie jedes Mal in der Vorweihnachtszeit: Kaufen, Bezahlen, Verpacken, Zustellen. In der wichtigsten Verkaufssaison des Jahres schwingt sich der Onlinehandel wieder zu neuen Höchstleistungen auf - und bringt die Paketzusteller ins Schwitzen. Immer mehr Verbraucher meiden Hektik und Gedränge in Kaufhäusern oder auf Weihnachtsmärkten. Geschenke für die Liebsten werden vom Sofa daheim bequem per Mausklick im Internet geordert.
Im Schlepptau der Versender um Amazon, Otto, Zalando und Co.profitieren in dem Geschäft besonders die Paketdienstleister. Frank Appel, Vorstandschef der Deutschen Post, nennt die Zusteller auf Neudeutsch auch gerne die Enabler - also jene, die den Boom des Onlinehandels erst ermöglichen. Und der ist für den Konzern hochlukrativ: Das Paketgeschäft ist ein Wachstumstreiber, der so manche Delle aus dem Einbruch des klassischen Briefgeschäftes wieder wettmacht.
Plus von 12 Prozent im E-Commerce
Die Chancen sind gut, dass der Onlinehandel auch in den kommenden Jahren seine Dynamik beibehält: Der langfristige stetige Aufwärtstrend sei intakt, heißt es nüchtern in einer Studie über den Kurier-, Express- und Paketmarkt (KEP) 2015 des Bundesverbandes Paket und Expresslogistik. Bis 2019 rechnen Unternehmensberater von Arthur D. Little mit einem Volumen von 70 Milliarden Euro. Der Handelsverband Deutschland erwartet im Weihnachtsgeschäft und im gesamten Jahr 2015 ein Plus von jeweils 12 Prozent auf 11 Milliarden Euro beziehungsweise 41,7 Milliarden Euro im E-Commerce.
Und weil die Post mit Paketen jetzt richtig abgeht, müssen die Unternehmen für mehr Hände in Zustellung und Sortierung sorgen: Rund 10.000 zusätzliche Aushilfskräfte stellt die Deutsche Post nach eigenen Angaben ein. Außerdem kommen 10.000 zusätzliche Fahrzeuge zum Einsatz, um den anstehenden Paket-Ansturm bewältigen zu können. „Im Vergleich zum Vorjahr erwarten wir einen Anstieg der Sendungsmengen vor Weihnachten um rund 10 Prozent“, meint ein Konzernsprecher.
Auch bei den Konkurrenten Hermes und DPD herrscht in diesen Tagen Hochbetrieb. Aufgrund des guten Geschäftsklimas, locker sitzender Geldbörsen und des anhaltenden Online-Booms rechnen beide mit Rekordergebnissen und einem Plus von jeweils 15 Prozent bei den Sendungsmengen. Rund 4000 zusätzliche Arbeitskräfte stellt DPD ein, bei Hermes sind es 5600.
300.000 Pakete pro Tag
„In der Woche vor Heiligabend wird das Paketvolumen um rund 50 Prozent höher sein als im Jahresschnitt“, prophezeit DPD-Sprecher Peter Rey. An Spitzentagen sollen 300.000 Pakete pro Stunde deutschlandweit zugestellt werden. Hermes-Geschäftsführer Dirk Rahn spricht sogar von der bislang größten Belastungsprobe in der Geschichte des deutschen E-Commerce.
So bleibt für die Paketboten in diesen Tagen kaum Zeit zum Ausruhen. Auf sie wartet ein Knochenjob und Schwerstarbeit. Kiloweise müssen Pakete und Päckchen in Häuser und Etagen geschleppt werden, auch an Sonntagen. Die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Andrea Kocsis weiß um die Herausforderungen, die sich durch den Anstieg des Paketaufkommens für die Zusteller ergeben.
Deshalb sei eine Bezahlung nach Tarif und ein guter Arbeits- und Gesundheitsschutz so wichtig, betont die Gewerkschafterin. Zwar ist in der Branche inzwischen durch den gesetzlichen Mindestlohn dem Wildwuchs ein Riegel vorgeschoben worden. Aber bei vielen Subunternehmen, die vor allem für die Konkurrenten der Post in der Zustellung unterwegs sind, gelten die Arbeitsbedingungen oft als nicht optimal. Betriebsratsstrukturen zum Schutz der Beschäftigen ließen sich in diesen Bereichen nur schwer aufbauen, sagt Kocsis und zieht den Schluss: „Die Branche ist gefordert, sich hier nachhaltiger aufzustellen.“ (dpa)