Berlin. Deutschland soll nach dem Willen der großen Koalition bei der Nutzung neuartiger klimafreundlicher Wasserstoff-Energie weltweit zum Vorbild werden. Dazu verabschiedete das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin die Nationale Wasserstoffstrategie (NWS), die Milliarden-Zuschüsse, rechtliche Erleichterungen und konkrete Produktionsziele vorsieht. Neben den laufenden Förderprogrammen soll mit sieben Milliarden Euro erreicht werden, dass sich Wasserstoff am Markt durchsetzt, weitere zwei Milliarden sind für internationale Partnerschaften eingeplant.
Die Strategie hat nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) drei Kernziele: Die Vorreiterrolle deutscher Unternehmen im Bereich der Wasserstofftechnologien ausbauen, neue Wertschöpfungsketten für die deutsche Wirtschaft schaffen und zur Erreichung der Klimaziele beitragen. 38 Maßnahmen sind im Aktionsplan der NWS enthalten.
NSW soll gesamte Wertschöpfungskette abdecken
Wie das BMVI weiter bekannt habe, soll die NWS die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick nehmen – also Technologie, Erzeugung, Speicherung, Infrastruktur und Anwendung in Fahrzeugen. Mit den HyLand-Projekten ist das Ministerium nach eigenen Angaben bereits daran, in einzelnen Regionen die Wasserstofftechnologie von der Erzeugung bis zur Nutzung vor Ort aufzubauen. Im nächsten Schritt soll das bundesweit geschehen. Zusätzlich soll ein Wasserstoff-Anwendungs- und Technologie-Zentrum für die Zulieferindustrie sowie eine eigene Brennstoffzellproduktion in Deutschland unterstützt und aufgebaut werden.
Im Zentrum steht der NWS steht sogenannter grüner Wasserstoff, der ausschließlich mit erneuerbarer Energie gewonnen wird. Er kann als Basis für Kraft- und Brennstoffe dienen, um etwa in Industrie und Verkehr die Nutzung von Kohle, Öl und Erdgas abzulösen.
Großes Potenzial im Bereich Mobilität
Wie aus der NWS hervorgeht, sieht die Bundesregierung im Bereich Mobilität großes Potenzial zur Anwendung von Wasserstoff. „Vor allem im Luft- und Seeverkehr wird sich langfristig ebenfalls eine Nachfrage nach klimaneutralen Treibstoffen entwickeln, welche auch durch die wasserstoffbasierten Energieträger […] gedeckt werden kann“, schreibt sie in dem Papier. Sowohl im Luft- als auch im Seeverkehr seien für die Dekarbonisierung klimaneutrale synthetische Kraftstoffe erforderlich. Im Luftverkehr sowie in der Küsten- und Binnenschifffahrt könnten je nach Einsatzbereich auch Brennstoffzellen sowie batterieelektrische Antriebe zur Anwendung kommen.
Für den Landverkehr gelte: „Die Einführung von Brennstoffzellenfahrzeugen kann unter anderem im ÖPNV […], in Teilen des Straßenschwerlastverkehrs (Lkw), bei Nutzfahrzeugen (zum Beispiel für den Einsatz auf Baustellen oder in der Land- und Forstwirtschaft) oder in der Logistik (Lieferverkehr und andere Nutzfahrzeuge wie Gabelstapler) die batterieelektrische Mobilität ergänzen und den Ausstoß von Luftschadstoffen sowie CO2-Emissionen erheblich senken“. Der Einsatz im Straßenverkehr setze allerdings auch den bedarfsgerechten Aufbau der erforderlichen Tankinfrastruktur voraus.
900 Millionen Euro Förderung für Lkw
Von den 38 Maßnahmen der NWS in Stufe eins betrifft den Bereich Transport und Logistik in erster Linie Maßnahme sechs in der Rubrik Verkehr. Hier geht es nämlich um die konkreten von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Fördersummen. 2,1 Milliarden Euro stehen demnach beim Kauf elektrisch betriebener Fahrzeuge zur Verfügung und 900 Millionen Euro gibt es beim Kauf von Nutzfahrzeugen mit alternativen, klimaschonenden Antrieben.
Die Fördermaßnahmen basieren auf dem Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) und werden durch zusätzliche Mittel aus dem Energie- und Klimafonds (EKF) ergänzt, sie stehen bis 2023 zur Verfügung.
3,4 Milliarden Euro für Tank- und Ladeinfrastruktur
Aber nicht nur die Fahrzeuge selbst, auch eine entsprechende Tankinfrastruktur will die Bundesregierung fördern, wie aus dem Papier hervorgeht. Der EKF bekommt dafür über alle alternativen Technologien hinweg, ebenfalls bis 2023, 3,4 Milliarden Euro als Zuschüsse zur Errichtung einer Tank- und Ladeinfrastruktur. Laut NWS soll der Ausbau des Wasserstoff-Tankstellennetz zügig voranschreiten.
Die Strategie kommt mit einem guten halben Jahr Verspätung, da wichtige Fragen lange zwischen den Ministerien umstritten waren. „Wir wollen bei den neuen Wasserstoff-Technologien hin zu grünem Wasserstoff weltweit führend sein, als Ausrüster für die Welt, aber auch als Produzenten“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Die Ziele des Pariser Klimaabkommens könnten nur erreicht werden, wenn auch andere Länder die Potenziale erkennen würden.
Wasserstoff wird vorläufig noch importiert
Bis 2030 sollen in einem ersten Schritt Erzeugungsanlagen für Wasserstoff von bis zu fünf Gigawatt Gesamtleistung in Deutschland entstehen. Ein Nationaler Wasserstoffrat soll die Politik in Zukunft beraten, zudem soll es einen Innovationsbeauftragten beim Bund geben. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wies darauf hin, dass sich sein Ministerium bereits mehr als 700 Millionen Euro vor allem in die Forschung und Entwicklung investiert habe. Die Förderung von Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie im Verkehr sei auch ein wesentlicher Pfeiler des Konjunkturprogramms, das der Koalitionsausschuss am 3. Juni beschlossen hat.
Das Kabinett geht davon aus, dass ein großer Teil der benötigten Wasserstoff-Menge auf absehbare Zeit importiert werden wird. Entwicklungsminister Gerd Müller unterzeichnete am Mittwoch eine Vereinbarung mit der marrokanischen Regierung zum Aufbau einer ersten industriellen Produktionsanlage für Wasserstoff in dem nordafrikanischen Land.
Positive Reaktionen von Branchenverbänden
Der Mobilitätsverband der deutschen Wirtschaft Deutsches Verkehrsforum (DVF) begrüßte den Beschluss NWS als wichtigen Schritt für den Klimaschutz im Verkehr und für die industrielle Zukunft Deutschlands. "Neben der direkten Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien, etwa bei batterieelektrischen Verkehrsmitteln, ist auch grüner Wasserstoff nötig, um den Verkehrssektor langfristig auf eine nicht-fossile Grundlage zu stellen“, sagte Präsident Raimund Klinkner.
Auch aus der Luftfahrt kam Zustimmung. Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) betonte, dass die Nachfrage nach Luftverkehr weltweit nach der Corona-Krise wieder zunehmen werde. Daher brauche es weiter große Anstrengungen, um den Luftverkehr stärker mit dem Klimaschutz in Einklang zu bringen. Dabei würde neben der Modernisierung der Flotten vor allem der Ersatz des fossilen Kerosins durch alternative Kraftstoffe auf Basis von erneuerbaren Energien eine Rolle spielen.
Der Verband der internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) sagte, dass Wasserstoff aus erneuerbaren Energien als Kraftstoff insbesondere im Transport- und Schwerlastbereich ein enormes Potential habe. Präsident Reinhard Zirpel meinte dabeu, dass ein Kraftakt erforderlich sei, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen: „Deutschland hat mit einer entschlossenen Forcierung von Wasserstoff lange abgewartet. Daher ist jetzt umso mehr Tempo gefragt.“ Das gelte unter anderem beim Aufbau einer ausreichenden Infrastruktur für Wasserstofftankstellen. (dpa/sn)