Was tun, wenn die Luft raus ist?

Peng! Ein explosionsartiger Knall von vorne rechts und viel Rauch vor der Windschutzscheibe. Auf einmal lässt sich der Sattelzug kaum noch in der Spur halten. Ein Reifen ist defekt. Ein Schock für jeden Lkw-Fahrer. Ein 40-Tonnen-Sattelzug, beladen mit Papierrollen, war vor einiger Zeit auf der Autobahn A 45 in Richtung Langen-Bergheim unterwegs. Der Fahrer hatte sich unbemerkt einen Fremdkörper im rechten Vorderreifen eingefahren, der daraufhin schleichend Luft verlor. Auf gerader Strecke platzte plötzlich der Reifen. Der Fahrer verlor die Kontrolle, das Fahrzeug durchbrach die Leitplanke und stürzte die Böschung hinab. Lkw und Ladung mussten mit dem Autokran geborgen und als Totalschaden verbucht werden. Der Fahrer war zum Glück nur leicht verletzt. Nicht immer gehen Reifenschäden so dramatisch aus. Aber rund ein Drittel aller Pannen sind auf Schäden an den Pneus zurückzuführen. "Im Rekordsommer 2015 verdoppelten sich die Reifeneinsätze zum Teil auf 300 an Spitzentagen allein in Deutschland", berichtet Sigmund Schichor vom ADAC Truck-Service. Meist kapitulierte das Material in Folge von Überhitzung und Überlastung, die Ursachen lägen jedoch oft anderswo, sagt der Experte für Lkw-Technik und Pannenprävention bei Deutschlands bekanntem Pannendienst. Reparaturkosten und Folgeschäden Reifenpannen sind nicht nur eine Gefahr für Fahrer und den nachfolgenden Verkehr. Auch die Reparatur und Kosten schlagen in der Spedition zu Buche. Mit bis zu 1000 Euro pro Reparatur und Reifen muss gerechnet werden und in der Regel fällt das Fahrzeug eineinhalb bis zweieinhalb Stunden aus. Hinzu kommen dann noch mögliche Folgeschäden: Die peitschenartig hin und her schleudernden Reifenteile beschädigen nicht selten Elektrik oder Luftfederbalg. "Das kann sich schnell zu einem Schaden von 800 bis 1000 Euro aufsummieren", sagt ADAC-Experte Schichor. In den seltensten Fällen aber platzt ein Reifen ohne Vorwarnung. Meistens führen Fremdkörper zu schleichendem Luftverlust. Bei Zwillingsbereifung muss in solchen Fällen der noch intakte Reifen die Last beider Reifen tragen. Dann kommt es aber nicht selten zu einer Überhitzung, sodass auch dieser Pneu platzt. Oftmals dauert es dann mehrere Tage, bis der Schaden eintritt. Eigentlich können lange Fahrzeiten und hohe Lasten den heutigen Lkw-Reifen nichts anhaben. "Doch bei zu niedrigem Reifendruck in Kombination mit extremer Hitze oder Kälte häufen sich Reifenschäden", beobachtet der ADAC TruckService immer wieder. Denn ist der Luftdruck zu niedrig, wölbt sich der Reifen nach außen und bildet einen Balg. Je niedriger der Luftdruck, desto stärker walkt ein Reifen. Der Rollwiderstand und damit die Abnutzung erhöhen sich. Zudem steigt der Kraftstoffverbrauch. Im Sommer kann die Asphalttemperatur auf bis zu 60 Grad Celsius ansteigen. Die Reifen werden weicher, ihre Auflagefläche vergrößert sich, sie verschleißen schneller, überhitzen und können in Kombination mit zu niedrigem Luftdruck Feuer fangen. Das Schwierige für die Fahrer: Bei einer zwillingsbereiften Hinterachse fällt ein Balg am innen liegenden Reifen nicht sofort auf. Die Ursache von Reifenbränden ist oft auch ein Radlagerschaden infolge extremer Belastungen beim Rangieren über Hindernisse wie Bordsteine. Der Rollwiderstand steigt dann, der Reifen überhitzt und fängt Feuer. Ein weiterer, häufiger auftretender Grund für Reifenschäden: eine defekte Bremse. Blockiert beispielsweise diese am Auflieger, bemerkt der Fahrer das selten sofort. Das blockierende Rad schleift dann mit. Abhängig von Ladung, Profiltiefe und Achszahl ist der Reifen innerhalb kürzester Zeit, meistens 50 Meter bis 2 Kilometer, durchgeschliffen und verliert Luft, begleitet von lautem Quietschen der Bremse und Rauchentwicklung. Am besten ist es natürlich, Reifenschäden zu vermeiden. Hier können Fahrer und Fuhrparkmanager einiges tun (siehe Kasten Experten-Tipp). Kommt es aber dennoch zum Ernstfall, lautet die erste Regel für den Fahrer: "Ruhe bewahren und eines auf jeden Fall vermeiden: eine Vollbremsung", rät ADAC-Experte Schichor. Grundsätzlich gelte: bei Reifenpannen niemals vollbremsen, sondern den Lkw ausrollen lassen, gegebenenfalls mit leichten Zwischenbremsungen. Ein etwas anderes Verhalten ist indes bei einem Reifenbrand sinnvoll. "Fängt ein Reifen Feuer, sollte der Fahrer auf dem Standstreifen weiterfahren, bis sich der brennende Reifen von der Felge gelöst hat - am besten im Schritttempo", sagt ADAC-Mann Schichor. Denn hält der Fahrer sofort an, greift mit hoher Wahrscheinlichkeit das Feuer auf den Auflieger über und der Lkw brennt vollständig ab. Außerdem bei Reifenbränden wichtig: Die Zugmaschine vom Trailer abkoppeln und circa 20 Meter entfernt abstellen, damit auch hier das Feuer nicht übergreifen kann. Während der Fahrer bei geplatzten Hinterreifen meist gefahrlos anhalten kann, führt ein Reifenplatzer an der Lenkachse zu einem abrupten und unkontrollierten Richtungswechsel. "Hier sollte der Fahrer möglichst schnell, aber dosiert bremsen, aber eine Vollbremsung in jedem Fall vermeiden", empfiehlt Schichor. Besser die Polizei rufen Im Gegensatz zum Hinterreifen kündigt sich ein Defekt am Vorderreifen oftmals auch an: Verliert beispielsweise ein Vorderreifen Luft, lässt sich das Fahrzeug zunehmend schwerer lenken. Zieht der Lkw dabei nach rechts, ist der rechte Reifen defekt und umgekehrt. Hier gilt für den Fahrer: sofort Tempo reduzieren und Reifendruck prüfen. Der allerwichtigste Ratschlag, den jeder Fuhrparkleiter seinen Fahrern auch schriftlich geben sollte: Niemals den Reifen auf der Fahrbahn zugewandten Seite ohne Absicherung wechseln. "Dabei kommt es immer wieder zu Unfällen mit Todesfolge", weiß ADAC-Experte Schichor zu berichten. Besser sei es, die Pannenstelle abzusichern und dann die Polizei zu informieren. Diese verfügt über ein Feuerwehr-Alarmierungssystem und benachrichtigt dann automatisch die Autobahnmeisterei. Danach ist Zeit für die Reparatur oder Zeit, den Pannendienst zu rufen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Lkw-Panne www.verkehrsrundschau.de/dossiers Experten-Tipp Reifenpannen wirksam vorbeugen - Regelmäßige Abfahrts- und Luftdruckkontrolle, Reifen und Reserverad auf Beschädigungen, wie Schnitte durch Fremdkörper, prüfen- Die Funktionsfähigkeit der Reserveradhalterungen sicherstellen- Verändert sich das Lenkverhalten während der Fahrt, sofort anhalten und Vorderreifen prüfen, ggf. eine Werkstatt anfahren- Wartungsintervalle einhalten- Spätestens alle vier Wochen (im Sommer zwei Wochen) den Fülldruck am kalten Reifen und Reserverad überprüfen- Nach dem Radwechsel nach 50 bis 100 Kilometern Radmuttern nachziehen, da andernfalls Felgen und Radnaben beschädigt werden- Einbau eines Reifendruckkontrollsystems (RKDS): Neufahrzeuge sind in der Regel mit einem RKDS ausgerüstet. Macht ein Reifen schlapp, warnt das System, bevor es zu einer Panne kommt. Bei Altfahrzeugen lohnt sich eine Nachrüstung. Die Kosten von rund 1000 Euro amortisieren sich nach 1 bis 1,5 Jahren durch den geringeren Dieselverbrauch sv Checkliste Reifenschäden richtig melden Diese Angaben sollten Sie für den Pannendienst parat haben:- Standort des Fahrzeugs- Eigene Rückrufnummer- Fahrzeugpapiere- Reifengröße und -position- Winter- oder Sommerreifen- Ersatzrad vorhanden und einsatzbereitEine weitere wichtige Frage: Ist die Felge in Ordnung? Wenn die Felge beschädigt ist, dann sind noch folgende Angaben zu liefern:- Stahl- oder Aluminiumfelge- Lochung- Scheiben- oder Trommelbremse- Einpresstiefe (diese Angabe finden Sie auf der Felge z.B. ET0, ET120, >0120

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