Was ist Sozialdumping?

Im Europäischen Parlament wächst der Druck auf die EU-Kommission, mehr gegen das große Lohn- und Einkommensgefälle in der EU zu unternehmen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist dazu auch bereit, seine zuständigen Kommissarinnen für Verkehr und Soziales haben aber keinen Plan, wie das gehen könnte. Der Verkehrsausschuss und der Sozialausschuss versuchen eine gemeinsame Position des Parlamentes zum "Sozialdumping" zu formulieren. Gesonderte Abstimmung für Verkehr Weil die Situation der Arbeitnehmer im Verkehrsgewerbe nicht mit der in anderen Branchen vergleichbar ist, wird der Verkehrsausschuss am 7. April ein gesondertes Votum zu dem Thema abgeben. Seine Abgeordneten stehen allerdings vor dem gleichen, grundsätzlichen Problem: Sie verabscheuen das "Sozialdumping", aber sie wissen nicht genau, was damit gemeint ist. Der niederländische Abgeordnete Peter van Dalen von der Europäischen Volkspartei (EVP) wünscht sich von der EU-Kommission vor allem eine klare Definition dieses ebenso handlichen wie unpräzisen Begriffs: "Wir müssen dafür sorgen, dass die Fahrer nicht ausgebeutet werden." Das könnten sicher alle Abgeordneten unterschreiben, sich dann aber darüber in die Haare geraten, was unter "ausbeuten" zu verstehen ist. Vollkommen legitim ist es nach Ansicht der polnischen Abgeordneten Elzbieta Lukacijewska (EVP), wenn eine Transportfirma Kostenvorteile in Form von günstigen Preisen an ihre Kunden weitergibt. Ein Missbrauch sei es dagegen, wenn Transportunternehmen aus Westeuropa über Briefkastenfirmen im Osten Fahrer zu den dort üblichen Löhnen anheuerten, um sie dann in ganz Europa einzusetzen. Auch Konservative und Liberale aus den alten EU-Ländern bestreiten nicht, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit von einzelnen Firmen missbraucht wird. Die große Mehrheit bezahle ihre Leute aber korrekt, sagt der Sprecher der Konservativen im Verkehrsausschuss, Wim van de Camp. Er möchte den Ausdruck "Sozialdumping" deswegen am liebsten gar nicht in der Stellungnahme des Parlamentes erwähnen. Auch der liberale Abgeordnete Pavel Telicka aus Tschechien sieht dafür keine Notwendigkeit. "Niemand ist für Sozialdumping, aber Wettbewerbsvorteile gehören nun einmal zum Binnenmarkt." Mit zweierlei Maß gemessen Auf der linken Seite des politischen Spektrums hält man das für Haarspalterei. "Unterschiedliche Löhne sind eine Bedrohung für den sozialen Zusammenhalt", sagt die tschechische Abgeordnete Katerina Konecna von den Grünen. So weit möchte der deutsche Obman der Sozialdemokraten im Verkehrsausschuss, Ismail Ertug, nicht gehen. Den Konservativen wirft er vor, mit zweierlei Maß zu messen: "Wenn Etihad oder Emirates mit niedrigen Löhnen in unseren Luftverkehr eindringen, dann sind sie sehr wohl gegen soziales Dumping. Aber wenn eine europäische Firma auf dem Güterverkehrsmarkt das Gleiche tut, dann ist es Wettbewerb." Den Sozialdemokraten gehe es nicht um Ideologie, sondern um die wirklichen Verhältnisse und um pragmatische Lösungen. Dazu gehöre eine klare Definition für Sozialdumping. Uneins sind die Abgeordneten auch darüber, welche Instrumente geeignet sind, um die Lage im europäischen Güterverkehr zu verbessern. Die einen wollen "schwarze Listen" von Verkehrsunternehmen, die wiederholt oder besonders gravierend gegen Sozial-, Sicherheits- oder Kabotagevorschriften verstoßen. Andere wollen Bußgelder drastisch verschärfen. Wieder andere sehen im digitalen Tachografen eine Art Wunderwaffe gegen schwarze Schafe. "Und wir müssen die Mautdaten einsetzen, um Verstöße gegen die Kabotage zu bekämpfen", sagt der deutsche Abgeordnete Dieter-Lebrecht Koch (EVP).

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