Wandt Spedition meldet Insolvenz in Eigenverwaltung an: Flucht nach vorn

Unter dem Slogan „Unser Standort heißt Braunschweig. Unser Arbeitsplatz Europa“ führen die beiden geschäftsführenden Gesellschafter Aline und Anthony Wandt die Wandt Spedition Transportberatung in Braunschweig derzeit in dritter Generation. Am 25. Februar 2025 dann der Schock: Das Traditionsunternehmen meldet Insolvenz in Eigenverwaltung an. Die Wandt Spedition ist kein Einzelfall. Im Gegenteil: 2024 gab es so viele Regelinsolvenzen in Deutschland wie seit zehn Jahren nicht mehr. Und trauriger Spitzenreiter hierzulande war laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) im vergangenen Jahr der Wirtschaftsbereich „Verkehr und Lagerei“, also die Logistik. Aber zurück zur Wandt Spedition. „Meine Schwester und ich arbeiten während des besagten Verfahrens weiter – mit allen unseren Aufgaben und Pflichten“, kündigt Geschäftsführer Anthony Wandt gegenüber der VerkehrsRundschau an. „Unterstützt werden wir dabei in den kommenden Monaten von Markus Langguth, Geschäftsführer der auf operative Begleitung spezialisierten Unternehmensberatung Confer Si, und unserem Rechtsbeistand, Adrian Bölingen von der Beratungsgesellschaft Baker Tilly“, sagt Wandt. „Das Amtsgericht Braunschweig hat uns zudem Torsten Gutmann von der Rechtsanwaltskanzlei Pluta als Sachwalter zur Seite gestellt.“ Großes Firmenjubiläum Erst im vergangenen Jahr hatte das Speditionsunternehmen das 85-jährige Firmenjubiläum gefeiert. 1939 von Adalbert Wandt senior in Braunschweig gegründet, war das Unternehmen zunächst im Güternahverkehr gestartet und entwickelte sich sukzessive im Verlauf der vergangenen Jahre zu einer Mittelstandsgröße mit derzeit 134 Mitarbeitern und 40 eigenen Lkw an vier Lagerstandorten. Wandt ist für Kunden aus der Automobil-, Maschinenbau- und Lebensmittelbranche tätig, unter anderem im Güterfernverkehr, aber auch in der Logistik. 2024 dann das Schicksalsjahr: So habe die Entscheidungsschwäche der Bundesregierung dazu geführt, dass in nahezu jeder Kundenbranche viele Firmen aufgrund der unsicheren Lage ihre Investitionen zurückgestellt hätten. „Das hat sich auch in unserer Mengenentwicklung widergespiegelt“, schilderte es Anthony Wandt in einem Gespräch im Dezember gegenüber der VerkehrsRundschau. Weniger Aufträge, höhere Kosten Konkret seien dadurch 2024 die Sendungsmengen auf Einzelkundenebene im Stückgutgeschäft um sechs Prozent zurückgegangen, im Teil- und Komplettladungsgeschäft sogar um zehn bis zwölf Prozent. Und alles das bei anhaltend hohen Kosten-Mehrbelastungen wie unter anderem die fast doppelt so hohe Lkw-Maut, die in diesem Jahr im Schnitt um zehn Prozent höheren Personalkosten aufgrund der Tarifabschlüsse im Speditions- und Logistikgewerbe in Niedersachsen sowie die höheren Finanzierungskosten durch die Zinsentwicklungen der Vergangenheit. Erschwerend kam laut dem Geschäftsführer die anhaltend hohe Volatilität hinzu – mit entsprechenden Preisschwankungen, insbesondere im Teil- und Komplettladungsgeschäft. Anthony Wandt wörtlich: „Letztendlich haben unsere Gegenmaßnahmen der vergangenen Monate nicht in der erforderlichen Geschwindigkeit gewirkt, um unsere Kostenstruktur an die geänderten Bedingungen anzupassen. Hier hilft uns jetzt das Eigenverwaltungs-Verfahren, um einen klaren Restrukturierungsfahrplan festzulegen und gestärkt aus dem Verfahren herauszukommen.“ Und er betont: „Es war für uns also, wenn Sie so wollen, eine Flucht nach vorne.“ Selbst für Branchenkenner kam der Insolvenzantrag der Wandt Spedition „sehr überraschend“, räumt Daniel Hensel, Geschäftsführer der Hensel Logistik in Grolsheim, unumwunden ein. „Ich kenne Wandt als sauber geführtes Unternehmen, ohne aber präzise Einblick in die Zahlen zu haben.“ Gleichwohl sei grundsätzlich die wirtschaftliche Gesamtlage vieler Auftraggeber im Moment sehr angespannt, betont er, insbesondere im Automotive-Segment, für das die Wandt Spedition auch tätig sei. „So gesehen bin ich relativ sicher, dass wir in diesem Jahr noch von etlichen Insolvenzen in unserer Branche hören werden.“ Grund dafür sei, dass Transportunternehmen immer eine bestimmte Fuhrparkgröße vorhalten müssten – mit entsprechenden Fixkosten, erklärt Hensel. Brechen dann krisenbedingt Auftragsmengen weg, etwa weil der Auftraggeber schwächele, habe man als Dienstleister schnell ein Problem. Zumal derzeit auch Ersatzaufträge Mangelware seien. „Ein Transportunternehmer kämpft aktuell also ganz schnell mit so starken Auftragsrückgängen, die er irgendwann nicht mehr auffangen kann“, betont der Geschäftsführer. „So schnell kann er seine Kosten gar nicht anpassen, vor allem wenn er im Büro eine gewisse Verwaltungsstruktur aufgebaut hat und sein Fuhrpark stark an Leasingverträge gebunden ist. Da rutscht man ganz schnell in ein negatives Betriebsergebnis und in die Zahlungsunfähigkeit, insbesondere wenn man über zu wenig Eigenkapital verfügt“, weiß er. Da könne das Unternehmen an sich noch so gesund sein. Angespannte Wirtschaft Und diese Misere könne derzeit jede Firma treffen – sowohl kleine, mittelgroße oder große, unterstreicht Hensel, vor allem wenn das Unternehmen sehr speziell auf eine Kundenbranche ausgerichtet sei und diese notleidend werde. Deshalb habe er das Geschäftsportfolio von Hensel Logistik sehr breit aufgestellt, um solche Marktentwicklungen ausgleichen zu können. „Aber selbst das ist im Moment nicht einfach. Es knistert ja derzeit in vielen Branchen.“ Eine Insolvenz muss aber nicht das Ende eines Unternehmens bedeuten. Es kann auch saniert werden: entweder im Regelinsolvenzverfahren oder aber im Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Ein Weg, für den sich Wandt entschieden hat. Die Eigenverwaltung berge den Vorteil, dass die bisherige Geschäftsführung weiterhin vollständig handlungsfähig bleibe und den begonnenen Restrukturierungskurs weiter fortsetzen könne. Darauf verweist Adrian Bölingen, Rechtsanwalt und Partner der Beratungsgesellschaft Baker Tilly. Vorteile der Eigenverwaltung Grundsätzlich sei es so, erklärt Bölingen, dass ein Eigenverwaltungs-Verfahren vom Insolvenzgericht nur angeordnet werden könne, wenn das Unternehmen eine schlüssige Planung für das Verfahren präsentiere und Insolvenzantragsgründe vorliegen. Im Rahmen eines solchen Eigenverwaltungs-Verfahrens muss laut Bölingen ein Konzept vorgelegt werden, in der Regel ein Sanierungskonzept, das die Vorteile für alle Beteiligten, also etwa Gesellschafter, Lieferanten und Dienstleister, aufzeigt. „Das Unternehmen kann auch in der Eigenverwaltung nicht ,nach Gusto‘ alte Zöpfe abschneiden.“ Ziel sei vielmehr, Maßnahmen zu identifizieren, die auf dem Weg zu einem stabilen Unternehmen mit einer ausreichenden Wertschöpfung erforderlich seien. „Hier unterscheidet sich die Eigenverwaltung nicht von einer außergerichtlichen Sanierung“, betont Bölingen. Es sei immer konzeptionelles Vorgehen gefragt, von dem alle Beteiligten überzeugt werden müssen. Und an welchen Stellschrauben wird Anthony Wandt nun drehen, um das Unternehmen wieder zukunftsfit aufzustellen? „Diese Frage zu beantworten, dazu ist es jetzt zu früh. Das mit dem Insolvenzantrag auf Eigenverwaltung ist noch ganz frisch“, betont er. Langguth von Confer Si und Anwalt Bölingen, die die Spedition beraten, müssten sich zunächst einen Überblick über die Lage verschaffen. Ziel: Abschluss im dritten Quartal Erste Ideen, wie er sein Unternehmen wieder auf Kurs bringen will, hat der Geschäftsführer aber schon. So stehen bei ihm in diesem Jahr die Effizienz in den Prozessen, insbesondere die weitere Optimierung der Produktionskosten im Eigenfuhrpark, ganz oben auf der Prioritätenliste, neben der Stärkung des Vertriebs in der Region und der Auslotung weiterer Kooperationen mit neuen Geschäftspartnern. „Wichtiges Ziel in diesem Jahr ist es auch, dass wir uns als Wandt Spedition verstärkt auf unsere Region sowie auf kürzere und mittlere Transportentfernungen fokussieren wollen“, unterstrich der Unternehmenschef im Dezember. Denn dadurch ließen sich nicht nur die Arbeitszeiten der Lkw-Fahrer verbessern, sondern die Fahrzeuge auch im 1,5- oder sogar Zweischichtbetrieb einsetzen, was in eine höhere Produktivität einzahle. Ende April werde dann das eigentliche Eigenverwaltungs-Verfahren eröffnet, sagt Anthony Wandt. „Nach der Eröffnung, also voraussichtlich ab Mai, planen wir schnellstmöglich einen Insolvenzplan vorzulegen.“ Was für ihn wichtig ist: „Meine Schwester und ich können selbst unseren Restrukturierungskurs mit Hochdruck vorantreiben. Unser ausgesprochenes Ziel ist, dass wir im dritten Quartal das Insolvenzverfahren abschließen.“ Das sei zwar ein ambitionierter Zeitplan und liege auch nicht nur in ihrer Hand. „Wir sind aber überzeugt, dass wir es jedenfalls bis Jahresende schaffen“, zeigt sich der Geschäftsführer zuversichtlich. Interview: Was hat zu Ihrer Schieflage geführt? Sie haben am 24. Februar Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Wie geht es Ihnen damit? Das ist hart. Gerade in der Eigenverwaltung hat man aber als Unternehmer die große Chance, seine Expertise mit einzubringen, um das Ruder wieder herumzureißen. Allerdings sind wir da auch ein gutes Stück von unseren Gläubigern und Kunden abhängig. Was hat jetzt zu Ihrer Schieflage geführt? Die drei Hauptgründe dafür sind, dass das Mengenvolumen unserer Kunden 2024 insgesamt weniger wurde und dadurch auch weniger planbar wurde. Hinzu kommt, dass Neugeschäfte nicht zum Abschluss kamen, weil keine Entscheidungen getroffen wurden oder aber nur sehr zögerlich, und natürlich die gestiegenen Produktionskosten. Sie haben jetzt den Insolvenzantrag auf Eigenverwaltung gestellt. Welche Schritte stehen jetzt an? Meine Schwester und ich arbeiten während dieses Verfahrens weiter – mit allen unseren Tätigkeiten und Pflichten. Unterstützt werden wir dabei in den kommenden Monaten von Markus Langguth, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Confer Si, und unserem Rechtsbeistand, Adrian Bölingen der Beratungsgesellschaft Baker Tilly. Das Amtsgericht Braunschweig stellte uns zudem Torsten Gutmann von der Rechtsanwaltskanzlei Pluta als Sachwalter zur Seite. Gibt es einen Punkt, der trotz dieser Misere positiv ist? Es hat mich sehr, sehr gefreut, wie gut unsere Mitarbeiter mit dem Thema umgehen, und wie viel Zuspruch wir von diesen bekommen. Die wollen alle mit uns anpacken, dass es wieder vorangeht. Darauf bin ich wirklich stolz.

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