Rotterdam. Die Havarie des mit rund 2400 Tonnen Schwefelsäure beladenen deutschen Binnentankschiffes „Waldhof" auf dem Rhein am 13. Januar dieses Jahres verursachte „mindestens" zwischen 50 bis 55 Millionen Euro an wirtschaftlichem Schaden. Diesen Betrag ermittelten die Fachleute des niederländischen Beratungs- und Untersuchungs-Institutes NEA in einer umfangreichen Dokumentation.
Das renommierte Institut erhielt im Frühjahr vom Zentralbüro für die Rhein – und Binnenschifffahrt CBRB in Rotterdam den Auftrag, die Kosten dieser Havarie zu ermitteln. An den Kosten der Untersuchung, die nach VerkehrsRundschau-Informationen „mehrere zehntausend Euro" betragen, beteiligten sich neben dem CBRB auch der Hafenbetrieb Rotterdam (HbR), die Koninklijke Schuttevaer, die Vereinigung der Befrachter und Logistikdienstleister in der Binnenschifffahrt, das Büro Binnenschifffahrt (Kantoor Binnenvaart), der Verlader- und Logistik-Verband EVO sowie die staatliche niederländische Wasserstraßen-Verwaltung (Rijkswaterstaat).
Der Image-Schaden für die Binnenschifffahrt wiegt schwer
Rund fünf Monate benötigten die NEA-Experten, um die umfangreichen Daten zusammenzutragen und auszuwerten. „Wir haben dazu eine Vielzahl von Gesprächen mit betroffenen Firmen aus der verladenden und transportierenden Wirtschaft geführt", berichtete Martin Quispel, Leiter der Abteilung Intermodaler Verkehr beim NEA in Zoetermeer bei Den Haag, der VerkehrsRundschau.
Der Gesamtbetrag setzt sich aus verschiedenen Kostenblöcken zusammen. Den mit Abstand größten Schaden – rund 26 Millionen Euro – trug die verladende Wirtschaft davon. Sie war nämlich dazu gezwungen, kurzfristig neue Transportalternativen zu entwickeln, um dadurch den Zusammenbruch komplexer Logistikketten zu vermeiden.
Immerhin blieb der Rhein bei St. Goarshausen für insgesamt 33 Tage gesperrt. Binnenschiffstransporte mussten zum Beispiel auf Bahn oder LKW umgeladen werden oder zwischengelagert werden. Der Binnenschifffahrt entstand ein Schaden von gut 14 Millionen Euro als Folge des Zwangsaufenthaltes und der damit einhergehenden Umsatzverluste. Auf die Versicherungsgesellschaften entfielen Kosten von gut zwei Millionen Euro.
Weitere Millionen Euro Schaden entstand der Industrie durch Produktionsausfälle beziehungsweise – beeinträchtigungen. Über die bislang zu quantifizierenden Kosten hinaus gäbe es jedoch noch weitere Folgekosten, so Quispel. So lasse sich derzeit noch gar nicht absehen, wie nachhaltig der Imageschaden für den eigentlich als zuverlässig geltenden Verkehrsträger Binnenschiff wirke. So sei nicht auszuschließen, dass Teile der verladenden und auch transportierenden Wirtschaft künftig verstärkt auf andere Land-Verkehrsträger, allen voran die Bahn, zurückgreifen, um auf diese Weise „auf Nummer sicher" zu gehen.
Untersuchung muss jetzt auch zu politischen Konsequenzen führen
Nach Überzeugung von Martin van Dijk, Vorsitzender der Abteilung „International" bei der niederländischen Binnenschiffs-Organisation Koninklijke Schuttevaer, wird die Untersuchung auch für die politischen Entscheidungsträger in den Rheinanliegerstaaten sowie bei der EU-Kommission und bei den mit der Rheinschifffahrt direkt befassten Fachbehörden haben. So komme es jetzt darauf an, in einer gemeinsamen Anstrengung das Krisenmanagement zu verbessern. Van Dijk verwies in dem Zusammenhang auf das in Cuxhaven ansässige „Havariekommando". Es wurde als Folge eines schweren Schiffsunglücks Ende der 1990er-Jahre vor der dänischen Nordseeküste als Idee entwickelt und zum 1. Januar 2003 umgesetzt. Im Havariekommando sind sowohl der Bund als auch die Küstenbundesländer vertreten und gewährleisten ein gemeinsames Unfallmanagement für den Bereich von Nord- und Ostsee. Ein solch ein Modell, so van Dijk weiter, könnte man auch für die international sehr bedeutsame Wasserstraße Rhein denken.
In dem Zusammenhang sei es auch wichtig, über die Stationierung von geeignetem Bergungsgerät nachzudenken. Tatsache ist, dass es in Deutschland kein leistungsstarkes Gerät gab, sondern dass es aus den Niederlanden herangeführt werden musste. Das wiederum kostete ebenfalls wertvolle Zeit.
Die jetzt vorliegende Untersuchung solle auch exemplarisch aufzeigen, welche Folgekosten eine lokal begrenzte Havarie haben kann, so van Dijk. (eha)
greis