Hannover. Martin Winterkorn nahm kein Blatt vor den Mund. Als der VW-Konzernchef kürzlich bei einer Konferenz der Top-Manager auf die Lage der Nutzfahrzeugsparte zu sprechen kam, redete er Klartext. Bei VW Nutzfahrzeuge fehle es an Ideen und Konzepten, die Marke müsse ein besseres Ergebnis vorlegen, sagte Winterkorn nach Darstellung von Teilnehmern. Ohne Zweifel: VW Nutzfahrzeuge zählt derzeit neben der spanischen Tochter Seat zu den größten Baustellen im Konzern. Bei Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) mit Sitz in Hannover bestehe "Handlungsbedarf", heißt es in Konzernkreisen. Im vergangenen Jahr brachen die Zahl der Auslieferungen und der Umsatz drastisch ein, das Ergebnis sank um 16,5 Prozent auf 313 Millionen Euro. Dabei polierte der Verkauf des brasilianischen Schwerlastergeschäfts an MAN die Bilanz noch auf. Ohne diesen Sonderertrag von 600 Millionen Euro wäre VWN in die roten Zahlen gerutscht - wie dies bei den Nutzfahrzeugsparten von Daimler und MAN in der Krise der Fall war. Die Lage bei den leichten Nutzfahrzeugen bleibe zwar schwierig, sagte Winterkorn bei der Vorlage der Bilanz 2009 in der vergangenen Woche. Mittelfristig aber werde das Segment stark wachsen. "Die damit verbundenen Chancen wird die Marke Volkswagen Nutzfahrzeuge in enger Zusammenarbeit mit Volkswagen noch gezielter nutzen." Das bedeutet im Klartext: VWN solle stärker mit der Zentrale zusammenarbeiten und deren Kompetenzen nutzen. Die VW-Spitze fordere von der Nutzfahrzeugsparte eine Strategie, wie die Marke wachsen könne, verlautet aus Konzernkreisen. Denn leichte Nutzfahrzeuge - etwa Transporter und Stadtlieferwagen - seien ein strategisch wichtiges Segment auf dem Weg zur weltweiten Nummer eins. Während Hauptkontrahent Toyota pro Jahr zwei Millionen leichte Nutzfahrzeuge verkauft, waren es bei VW im vergangenen Jahr gerade einmal rund 360.000 - es gibt also noch viel Luft nach oben. Schließlich will der VW-Konzern bis 2018 Toyota als weltgrößten Autobauer ablösen. VW Nutzfahrzeuge aber habe bislang ein klares Zukunftskonzept vermissen lassen und sich mit der Zeit von Wolfsburg abgenabelt, heißt es hinter den Kulissen. Die Konzernführung um Winterkorn wolle bei VWN nun näher hinschauen und sich mehr um die Marke kümmern. In der Zentrale nämlich habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, die Nutzfahrzeugsparte ein wenig "vergessen" zu haben - vor dem Hintergrund des langen Übernahme-Machtkampfs mit Porsche und der eingefädelten Allianz mit Suzuki. Die VWN-Spitze um den neuen Markenchef Wolfgang Schreiber soll eine Wachstumsstrategie erarbeiten. Wie diese genau aussehen könnte, ist derzeit noch nicht klar. Als denkbar aber gilt beispielsweise, dass der Lieferwagen Crafter, den VWN derzeit von Daimler fertigen lässt, künftig in Eigenregie gebaut wird. Außerdem soll das Nutzfahrzeugwerk neben dem Transporter T5 ein zweites Standbein bekommen. Das versucht das Unternehmen seit Jahren, bislang aber ohne Erfolg. Der frühere, glücklose Markenchef Stephan Schaller, der Anfang Februar durch Schreiber ersetzt wurde, hatte sich deswegen eine verbale Ohrfeige des einflussreichen Konzernbetriebsratschefs Bernd Osterloh eingefangen, als dieser mit Blick auf fehlende neue Produkte sagte: "Da sieht der Vorstand von Nutzfahrzeugen nicht gerade gut aus." Nun soll es Markenchef Schreiber richten, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger als Vertrauter Winterkorns gilt. Dabei scheint nach Darstellung aus Unternehmenskreisen eine mögliche Integration von VWN in die Konzern-Kernmarke Volkswagen-PKW vorerst vom Tisch zu sein - darüber war nach dem Verkauf des Schwerlastergeschäfts an MAN spekuliert worden. (dpa)
VW-Nutzfahrzeugsparte soll auf Vordermann gebracht werden
VW verkaufte im vergangenen Jahr 360.000 Nutzfahrzeuge / Operatives Ergebnis sank um 16,5 Prozent auf 313 Millionen Euro