-- Anzeige --

VR fragt nach: Wie geht es weiter auf der Brennerautobahn?

20.03.2025 11:26 Uhr | Lesezeit: 5 min
Sabine Lehmann Landesverband Bayrischer Spediteure
Sabine Lehmann, Geschäftsführerin des LBS – Landesverband Bayerischer Spediteure
© Foto: DVZ

Seit Anfang dieses Jahres ist die Brennerautobahn entlang der Luegbrücke einspurig, der Verkehrsfluss dementsprechend gestört. Die VerkehrsRundschau hat mit Sabine Lehmann, Geschäftsführerin des LBS – Landesverband Bayerischer Spediteure, gesprochen, welche Folgen dieser Zustand für deutsche Spediteure hat und wie es weitergehen soll.

-- Anzeige --

Seit Jahresanfang laufen die Bauarbeiten an der Luegbrücke. Haben sich die Unternehmer inzwischen darauf eingestellt? 

Die Unternehmen, die auf der Brenner-Route unterwegs sind, sind seit Jahren leidgeprüft, was Behinderungen auf dieser Strecke angeht. Einerseits sind es baustellenbedingte Einschränkungen, kapazitative Einschränkungen durch hohes Verkehrsaufkommen, Staus durch Unfälle oder Pannen und künstlich hervorgerufene Limitierungen durch Fahrverbote oder Blockabfertigungen. Die Luegbrücke reiht sich damit ein in ein dauerhaftes Szenario von Prüfungen auf Geduld und Leidensfähigkeit.

Andererseits öffnet sie auch den Blick auf Einfallsreichtum und Flexibilität, wie sie für unsere Branche charakteristisch sind. Die Unternehmen nutzen alle Informationsquellen, um sich über jede Veränderung (Unfälle, Pannen, erhöhtes Verkehrsaufkommen, Rückstaus, etc.) zu informieren, um auf dieser Grundlage vielleicht etwas planvoller unterwegs zu sein und mit der Zuversicht aufbrechen, dass die jeweilige Tour gut läuft.

Welche Lösungen wurden gefunden? Die Schiene wird es ja wohl nicht sein.

In gewisser Hinsicht haben die Unternehmen Strategien entwickelt und entwickeln müssen, um sich nicht einfach hinten ans Stauende stellen zu müssen. Wer kann, fährt zu Zeiten, wo er weniger Verkehr erwartet, in Einzelfällen wird der Einsatz von Zero-Emission-Fahrzeugen versucht, manche Aufträge werden abgelehnt. Dort, wo es sich irgendwie noch machen und rechnen lässt, versucht man auf andere Routen auszuweichen. Aber all das ist Notfallmanagement.

Bei langlaufenden Verkehren wird die Schiene vielleicht noch etwas mehr genutzt, vor allem dort, wo es noch freie Kapazitäten gibt und die Transporte durchlaufen können. Auch hier dürften – je nach Zielregion – andere Routen eine (sehr kleine) Rolle spielen können.

Auch die Bayerische Binnenschifffahrt hatte sich als potenzielle Alternative ins Gespräch gebracht. War/Ist das für ein paar Unternehmen wirklich eine Option? 

Ich sehe es schon vor mir: Butterschiffe und Bierdampfer? Spaß beiseite: Egal, wer das ins Spiel gebracht hat – das ist keine Alternative! Man könnte zwar von den Bayerischen Binnenhäfen die Donau ostwärts fahren. Irgendwann müsste man aber auf die Straße oder die Schiene wechseln, um über die Alpen Richtung Norditalien zu kommen. Die Rheinstrecke könnte man auch nutzen, aber auch da endet irgendwann der schiffbare Teil und auch hier wäre ein Weitransport nur noch über die Straße und die Schiene möglich. Oder über die Biskaya – was den ökonomischen, ökologischen und logistischen Irrwitz solcher Vorschläge sichtbar macht. Einzig das Routing von Gütern, die von und nach Asien mit dem Schiff unterwegs sind, sollte angesichts der Herausforderungen im alpenquerenden Verkehr derzeit besser direkt zum Nord- oder Westhafen erfolgen.

Denken Sie, dass genug getan wurde, um die doch beträchtlichen Einschränkungen abzumildern? 

Eigentlich wollte man seitens der ASFINAG bereits früher mit einem Ersatzbau der Luegbrücke beginnen und wäre heute vielleicht schon (fast) fertig. Die Einsprüche einer oder mehrerer Gemeinden in der betroffenen Region gegen diese Baumaßnahmen haben zu jahrelangen Rechtstreitigkeiten und Verzögerungen geführt. Man wollte unbedingt eine Tunnellösung erstreiten. Die Einsprüche wurden offenbar zurückgewiesen, so dass jetzt gebaut werden kann. Aber während gestritten wurde, verschlechterte sich der Zustand der Brücke so massiv, dass jetzt die Einspurigkeit als Ultima Ratio gilt und die Einschränkungen auf dieser Hauptverkehrsachse massiv spürbar sind. Ginge Vernunft vor Emotion wären alle Beteiligten, buchstäblich, weiter. 

Das gilt auch für andere Hürden, die den Ausnahmezustand verschärfen. Das Land Tirol lehnt jegliche Gespräche über eine Aufhebung bzw. Einschränkung des Nachtfahrverbots kategorisch ab. Diese Maßnahme würde die zeitliche Nutzbarkeit dieses europäischen Verkehrskorridors deutlich verbessern: Man könnte die Brenner-Route mehr Stunden am Tag befahren und würde so die Situation entzerren bzw. Staugefahren mindern.

Positiv ist zu sehen, dass jetzt auch die Kommunikation grenzüberschreitend besser aufeinander abgestimmt wird. Wenn zeitgleich auf allen wichtigen Achsen (Brenner, Tauern, Arlberg, Reschenpass, usw.) Baumaßnahmen stattfinden, wird der gesamte alpenquerende Verkehr ausgebremst und kalkulierbare Größen und Routinen sind entwertet. Grund: Auch wenn nicht alle Routen für den Schwerverkehr relevant sind, erhöhen Pkw-Ausweichverkehre dann das Verkehrsaufkommen auf anderen Strecken. Vor diesem Hintergrund wurde und wird versucht, die Baumaßnahmen auf der Tauern-Route und auf der Brenner-Route besser aufeinander abzustimmen, damit zumindest die Möglichkeit besteht, auf andere Routen auszuweichen. Die geplante Sperrung der Bahnstrecke München – Rosenheim – Salzburg auf deutscher Seite wurde verschoben, damit nicht dadurch noch zusätzlicher Druck auf die Haupt(-straßen)routen entsteht.

Eine immer wieder diskutierte Option ist das Slot-System für den Brenner. Rechnen Sie, dass durch den bevorstehenden Regierungswechsel Bewegung in diese Sache kommt? 

Hier stehen politische wie technisch-infrastrukturelle Faktoren einer schnellen und praxistauglichen Lösung entgegen. Die neue Bundesregierung hat ganz andere Herausforderungen in Deutschland – auch und gerade, was die Verkehrsinfrastruktur angeht. Genauso wie die neue österreichische Bundesregierung ihre Themen hat. Dazu kommt: Beim EuGH ist eine Klage Italiens gegen die Tiroler Verkehrsbeschränkungen anhängig. Es fehlt entlang der Zubringerrouten massiv an Parkplätzen als Pufferzonen. Ein digital verlockendes Slot-System, wie es zuletzt diskutiert wurde, wirft mehr Fragen auf, als mit analogen Werkzeugen und Prozessen derzeit zu lösen sind. Entscheidende Stellschrauben, wie das Nachtfahrverbot, werden kategorisch von Tirol aus der Diskussion herausgenommen.

Kurzum: Wir haben hier eine zentrale europäische Verkehrsachse, über die aus ganz Europa Fahrzeuge auf den Brenner zusteuern. Aber wesentliche Fragen, insbesondere eine faire Verteilungslösung hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Slots für alle Beteiligten, sind nicht mal ansatzweise geklärt. Daher ist ein Slot-System, so wie es jetzt gedacht wird, nach unserer Bewertung kein geeignetes Instrument, um die Verkehrsprobleme auf der Brenner-Route zu lösen. Auf absehbare Zeit wird deswegen keine einzige Palette mehr das Nadelöhr Brenner passieren – und wenn sie mit Unterschriftenlisten jener gefüllt wäre, die den Brennernordzulauf als Ärgernis empfinden, nicht als verantwortungsbewusste Lösung.

Bei allem Verständnis dafür, dass die Verkehrsbelastung auf der Brenner-Route für Tirol und die dort lebenden Menschen eine große Belastung ist – aber eben nicht nur dort. Die Menschen auf der bayerischen und der südtirolerischen Seite sind genauso belastet, nicht nur durch das Verkehrsaufkommen, sondern auch durch die Belastungen aufgrund der Anti-Transitpolitik und die damit einhergehenden Maßnahmen des Landes Tirol!

Das Interview führte Gerhard Grünig.

-- Anzeige --
-- Anzeige --

HASHTAG


#Brennertransit

-- Anzeige --

MEISTGELESEN


-- Anzeige --

KOMMENTARE


SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!

-- Anzeige --

WEITERLESEN




NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


Die VerkehrsRundschau ist eine unabhängige und kompetente Abo-Fachzeitschrift für Spedition, Transport und Logistik und ein tagesaktuelles Online-Portal. VerkehrsRunschau.de bietet aktuelle Nachrichten, Hintergrundberichte, Analysen und informiert unter anderem zu Themen rund um Nutzfahrzeuge, Transport, Lager, Umschlag, Lkw-Maut, Fahrverbote, Fuhrparkmanagement, KEP sowie Ausbildung und Karriere, Recht und Geld, Test und Technik. Informative Dossiers bietet die VerkehrsRundschau auch zu Produkten und Dienstleistungen wie schwere Lkw, Trailer, Gabelstapler, Lagertechnik oder Versicherungen. Die Leser der VerkehrsRundschau sind Inhaber, Geschäftsführer, leitende Angestellte bei Logistikdienstleistern aus Transport, Spedition und Lagerei, Transportlogistik-Entscheider aus der verladenden Wirtschaft und Industrie.