Vor der Zerreißprobe

Panagiotis Manolopoulos hat seine Kunden in zwei Gruppen aufgeteilt. Der einen hat Militzer & Münch (M & M) vor dem 29. Juni, als die griechische Regierung Kapitalverkehrskontrollen einführte, eine Rechnung ausgestellt, der anderen erst anschließend. "Für die erste gelten die üblichen Zahlungsfristen", sagt der Geschäftsführer der Athener M & M-Niederlassung. "Bei der zweiten ziehen wir unsere Forderung sofort möglichst cash ein." Allerdings können die griechischen Mitarbeiter des Unternehmens immer weniger Geld eintreiben. So sind seit Anfang Juli die Sendungsmengen um 40 Prozent eingebrochen. "Importverkehre finden kaum noch statt, Exportverkehre lassen stark nach", resümiert Manolopoulos. Eine Erfahrung, die auch andere deutsche Speditionen derzeit in Griechenland machen. Mit dem Start der Kapitalverkehrskontrollen sind Verkehre in das südeuropäische Land praktisch zum Erliegen gekommen. Da griechische Kunden nur nach Genehmigung eines fünfköpfigen Komités Auslandsüberweisungen vornehmen dürfen, fürchten viele Verlader Zahlungsausfälle und haben ihre Sendungen gestoppt. "Nur große Konzerne, die ihre Griechenland-Niederlassungen versorgen, erteilen noch Transportaufträge", sagt Andre Ventker, Geschäftsführer der Enco Spedition in Hilden. Auch Verkehre ab Griechenland drohen ins Stottern zu geraten. Da zunehmend einheimische Firmen ihre Mitarbeiter und Lieferungen weder bar noch bargeldlos bezahlen können, müssen sie ihre Produktion einschränken oder völlig stilllegen. Da dadurch die Chancen auf Rückladungen sich gegen Null bewegen, sind die Transportpreise drastisch gestiegen. "Eine Tour kostet jetzt 4000 Euro statt 2000 bis 2500 Euro", sagt Efstratios Keramidas, Inhaber von Gial Trans in Köln. Acht der insgesamt 16 Lkw des Familienunternehmens transportieren im Juli vor allem Wassermelonen nach Deutschland. Für fünf Züge konnte Keramidas in der letzten Woche Rückladungen nach Italien mit anschließender Fährüberfahrt nach Griechenland organisieren. Die übrigen Lkw lässt der Spediteur erst einmal auf dem Hof stehen, die Fahrer hat er in den Urlaub geschickt. Keine schnelle Erholung in Sicht Das Beispiel zeigt, dass auch manche deutsche Logistikunternehmen in der Griechenland-Krise einiges zu verlieren haben. Vor allem Unternehmen wie Frigo Trans, die nach der Einführung des Euro in 2002 in Griechenland hier Lager und Netze aufgebaut haben, müssen die weitere Eskalation oder den Grexit fürchten. "Wir kommissionieren und distributieren überwiegend Importverkehre", sagt Frigo-Trans-Chef Peter Norheimer (siehe Kasten). Genau diese würden sich durch die Wiedereinführung der Drachme drastisch verteuern. Allerdings ist ersten Experteneinschätzungen zufolge nach dem Kompromiss der Euro-Regierungschefs die Wahrscheinlichkeit eines Grexits eher unwahrscheinlich - so der Stand zu Beginn der Woche. Trotzdem ist angesichts des Hin und Her der letzten Monate mit einer schnellen Erholung der Sendungsmengen auch in den kommenden Wochen nicht zu rechnen. Im Gegenteil. Denn die Kapitalverkehrskontrollen werden vermutlich noch mehrere Monate bleiben. "Sind solche Maßnahmen erst einmal eingeführt, können sie aufgrund des grassierenden Vertrauensverlusts in der Bevölkerung nur schwer revidiert werden", sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Kreditversicherung EulerHermes. Ausdrücklich erinnert Subran an Zypern. Die Mittelmeerinsel hat die 2013 eingeführten Beschränkungen erst im Januar 2015 wieder aufgehoben. EulerHermes, Atradius und andere Kreditversicherer haben längst die Reißleine gezogen und übernehmen Deckungen für Griechenland nur noch in Ausnahmefällen, zum Beispiel, wenn Rechnungen über ein Auslandskonto bezahlt werden. Auch manche griechische Firma hat offenbar Präventivmaßnahmen getroffen. So berichtet die Frankfurter Spedition Morataikis von Kunden, die ihren Firmensitz nach Zypern verlegt oder eine Schweizer Bankverbindung eröffnet haben. "Wir fahren derzeit trotzdem nur für Stammkunden", schränkt ein Mitglied der Unternehmerfamilie ein, die seit 30 Jahren Griechenland-Verkehre anbietet. In Krisenzeiten trauen selbst langjährige Marktkenner Bonitätsauskünften nur bedingt. Sie bestehen auch bei Stammkunden auf Vorkasse, wenn diese nur über Inlandskonten verfügen. Auch große Firmen wie Hellmann transportieren nur, wenn im Voraus bezahlt wird. "Wir hatten schon vor den Kapitalverkehrskontrollen leicht rückläufige Sendungsmengen während der letzten Monate", sagt Rolf Telljohann, Produktmanager Europa-Verkehre der Spedition. Diese Entwicklung gibt einen langjährigen Trend wieder. Seit Ausbruch der Finanzkrise sinken die deutschen Außenwirtschaftszahlen für Griechenland kontinuierlich. 2014 exportierte Deutschland für fünf Milliarden Euro (2008: acht Milliarden Euro) Waren nach Griechenland. Vor allem Elektroartikel, Maschinen und Pharmaprodukte werden ausgeführt. Auch die Importe gingen in dieser Zeit von knapp zwei auf 1,6 Milliarden Euro (2014) zurück. Meist handelt es sich um Lebensmittel und Textilartikel. Für 2015 wird als Folge der verschlechterten Wirtschaftslage ein nochmaliger Rückgang erwartet. Bleibt die Hoffnung, dass es irgendwie weitergeht. "Am Ende werden sich Griechenland und seine Gläubiger auf eine Lösung einigen", bleibt M&M-Manager Manolopoulos zuversichtlich. Aus der Praxis Pharmalogistiker Frigo-Trans Hellas: auf Grexit vorbereitet Peter Norheimer wünscht keinen Grexit. Aber er ist darauf vorbereitet. "Wir stehen im ständigen Kontakt mit unserem Verlader" versichert der Geschäftsführer von Frigo-Trans in Fußgönheim: Wahrscheinlich müssen dann Verträge völlig neu verhandelt werden. Da ein bekannter Arzneimittelhersteller einen professionellen Logistikpartner vor Ort wünschte, hatte der Pharmalogistikdienstleister 2002 die Tochter Frigo-Trans Hellas gegründet. Von einen Athener Vorort baute er ein landesweites Distributionsnetz auf, das Pharma- und Diagnostikprodukte temperaturgeführt umschlägt. Seit Ausbruch der Krise 2010 hat sich das Sendungsaufkommen deutlich verringert. "Wir transportieren mehr Sendungen, aber kleinere Volumina", sagt Norheimer.Krankenhäuser und Ambulanzstationen bestellen als Folge von Budgetkürzungen nur noch das unbedingt Notwendige. Jetzt muss Frigo-Trans wegen der Kapitalverkehrskontrollen die Filiale mit Barmitteln aus Deutschland versorgen. "Unser Logistiknetz funktioniert weiter ohne Reibungsverluste", versichert der Geschäftsführer. Sollten humanitäre Hilfen der EU notwendig werden, stehe es jederzeit zur Verfügung. bot

Ifo-Geschäftsklima trübt sich ein - "Wirtschaft fehlt Kraft"

CTL und Waberer’s schließen Kooperation

Who is Who 2025: Zukunft? Ja, bitte!

EU-Zollreform: Utopie oder machbar?

Klimaneutraler Güterverkehr: Das fordert die Verkehrspolitik

Alle Schlagzeilen

Vor der Zerreißprobe

HASHTAG

#Landverkehr

BGL: Geschäftslage trübt sich ein

Seifert eröffnet Niederlassung in Warschau

Kostentreiber Nahverkehr

MEISTGELESEN

Änderung durch EU-Mobilitätspaket: Mitführungspflicht verdoppelt sich

A7 wird zeitweise gesperrt

Duvenbeck übernimmt Sander Logistics

STELLENANGEBOTE

Bereichsleiter (m/w/d) Vertrieb

Leiter Versandlogistik (m/w/d)

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

Teamleiter Lager im Handelslager/ Brennschneidbetrieb (w/m/d)

WEITERLESEN

NEWSLETTER