Verkehrssünderdatei

VerkehrssünderdateiRamsauers RechenspieleDer Bundesverkehrsminister hat in Berlin die Eckpunkte für die Änderung der Verkehrs-sünderdatei vorgestellt: Das neue Punktesystem kennt nur noch schwere und besonders schwere Delikte und führt möglicherweise schneller zum Verlust des Führerscheins.Der Punktetacho, den Peter Raumsauer (CSU) präsentierte, erinnert ein bisschen an ein Glücksrad. Die Scheibe in den Ampelfarben veranschaulicht das Bewertungssystem, das sich das Bundesverkehrsministerium für die Reform der Verkehrssünderdatei des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) in Flensburg überlegt hat. Zu gewinnen gibt es nichts. Im Gegenteil: Wer überdreht, kassiert Punkte.Einfacher, gerechter, transparenter – das sind die Kernansätze der Reform, dessen Eckpunkte seit vergangener Woche vorliegen. Nach den Vorstellungen des Ressortchefs soll der Bewertungskatalog künftig schwere und besonders schwere Verstöße stärker betonen und die Ermittlung der Fahreignung in den Fokus rücken. Deshalb schlägt er vor, das inzwischen über 50 Jahre alte Verkehrszentralregister zum sogenannten Fahreignungsregister umzubauen.Ab acht Punkten ist der Lappen wegNicht nur die Bezeichnung ändert sich: Der Bundesverkehrsminister bestätigte in Berlin auch, das Punktesystem von sieben auf zwei Kategorien reduzieren zu wollen: Auf schwere Verstöße und besonders schwere Verstöße, die mit einem Punkt beziehungsweise mit zwei Punkten geahndet werden sollen. Ordnungswidrigkeiten mit bisher einem bis vier Punkten ohne Regelfahrverbot stuft das neue Register als schwere Verstöße ein, Ordnungswidrigkeiten mit drei oder vier Punkten und einem Regelfahrverbot sowie Straftaten als besonders schwere Verstöße. Der Führerscheinentzug droht dann schon bei acht statt 18 Punkten.Ab einem Punkt werden Verkehrsteilnehmer in Flensburg vorgemerkt, ab vier Punkten erhalten sie eine Ermahnung, ab sechs Punkten eine letzte Verwarnung und eine Anordnung, an einem Fahreignungsseminar teilzunehmen. Wer das Seminar nicht innerhalb von drei Monaten macht, riskiert den Führerschein. Ab acht Punkten ist die Fahrerlaubnis mindestens für ein halbes Jahr weg. Zurück bekommt man sie erst, wenn man seine Eignung für den Straßenverkehr durch ein positives Gutachten in der medizinisch-psychologischen Untersuchung nachgewiesen hat. Die Möglichkeit, Punkte durch die freiwillige Teilnahme an Seminaren abzubauen, will der Bundesverkehrsminister abschaffen.Das Ziel seiner Reform ist mehr Verkehrssicherheit. „Wir wollen das Verkehrszentralregister und das Punktesystem einfacher, gerechter und transparenter machen“, sagte Ramsauer. Er wolle das System entrümpeln. Künftig sollen deshalb nur noch die Vergehen erfasst werden, die für die Verkehrssicherheit relevant sind. Wer ohne Plakette in eine Umweltzone einfährt oder ohne Kennzeichen unterwegs ist, findet nach seinen Plänen künftig keinen Eingang mehr in die Akten des KBA. Die Koppelung der Eintragung an die Höhe des Bußgeldes entfällt damit. Bisher führt jedes Knöllchen ab 40 Euro zwangläufig zu einem Punkt. An den Sanktionen wie Geldbußen und Fahrverboten ändert sich allerdings nichts.Längere Tilgungsfristen für VerstößeDie Tilgungsfristen für Verkehrsdelikte will das Bundesverkehrsministerium klarer gestalten und die Tilgungshemmung abschaffen. Sie sorgt heute dafür, dass Punkte nicht verfallen, obwohl die Tilgungsfrist abgelaufen ist, wenn ein neues Vergehen eintritt, beziehungsweise dazu, dass Punkte auch nach der Tilgungsfrist ein Jahr aufbewahrt werden. Künftig sollen alle Verstöße einzeln verjähren. Gelöschte Punkte bleiben dann getilgt und leben nicht wieder auf.Im Gegenzug verlängern sich die Tilgungsfristen: Schwere Verstöße wie Tempoüberschreitungen und Telefonieren am Steuer bleiben zweieinhalb statt bisher zwei Jahre gespeichert, besonders schwere Verstöße wie Drängeln und das Fahren über eine rote Ampel fünf statt bisher zwei Jahre. Straftaten wie Alkoholfahrten ab 1,1 Promille sind im neuen Fahreignungsregister zehn statt fünf Jahre erfasst. Ausschlaggebend für die Fristberechnung soll dabei nicht mehr der Tag des Verstoßes sein, sondern die Rechtskraft der Entscheidung.Das neue System wird voraussichtlich Ende nächsten Jahres in Kraft treten. Einen Erlass der bereits in Flensburg gesammelten 47 Millionen Punkte lehnt Ramsauer ab. „Die alten Punkte werden in das neue System überführt. Niemand wird dabei besser oder schlechter gestellt“, sagte er. Die jeweils erreichte Maßnahmenstufe werde in das neue Fahreignungs-Bewertungssystem übernommen (siehe Grafik). „Eine Generalamnestie, also einen Punkteerlass und damit Freibrief für Raser oder Alkoholfahrer, wird es nicht geben“, so der Bundesverkehrsminister. Mit Blick auf die Senkung der Schwelle für den Führerscheinentzug von 18 auf acht Punkte rechnet er damit, dass jährlich etwa 500 Verkehrsteilnehmer mehr die Fahrerlaubnis abgeben müssen. Bisher sind es bei rund 52 Millionen Führerschein-Inhabern etwa 5000 pro Jahr.Die Eckpunkte des neuen Fahreignungsregisters will Ramsauer in den nächsten Monaten mit Bund, Ländern und Verkehrsexperten diskutieren. Im Anschluss daran soll ein konkreter Gesetzentwurf erarbeitet werden. Zur Grundkonzeption gibt es bereits unterschiedlichste Meinungen und Änderungsvorschläge.So begrüßte der ADAC die Pläne des Bundesverkehrsministeriums. „Das alte System mit seinen Überliege- und Tilgungsfristen hat kein Mensch mehr verstanden“, so Generalsyndikus Werner Kaessmann. Ein einfaches und gerechtes System erhöhe nicht nur die Rechtssicherheit, sondern auch die Verkehrssicherheit. An einen Freibrief für Raser und Drängler glaubt der ADAC nicht. Dafür sorge die abgesenkte Obergrenze von acht Punkten. „Wer in Zukunft vier Mal ein Fahrverbot bekommt, verliert wegen Ungeeignetheit die Fahrerlaubnis; derzeit erhält er wegen dieser Verstöße 16 Punkte und wird zum Aufbauseminar geschickt“, hieß es in einer Stellungnahme.Auch der Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik befürwortete eine Vereinfachung. Mit Bedenken begegnet Detlev Neufang aber Ramsauers Vorschlag, künftig keinen Punkteabbau durch Nachschulungen zu gestatten. „Verkehrsteilnehmer haben nach diesen Aufbauseminaren nicht selten ihr Verhalten im Straßenverkehr geändert“, sagte der BWVL-Geschäftsführer. Diesbezüglich solle der Bundesverkehrsminister die geplante Reform anpassen. Bei der Einführung des neuen Systems wäre aus Sicht von Neufang eine komplette Punktelöschung der gerechteste Weg. „Die vorgeschlagene Überführungsmethode ist mir zu pauschal, damit wird Ramsauer nicht jedem Verkehrssünder gerecht.“ Noch einmal überdenken solle der Ressortchef auch die Halterverantwortung, die heute selbst sorgfältige Fuhrparkbetreiber in erhebliche Schwierigkeiten bringt.Zweifel an der Wirkung der ReformDie Gewerkschaft der Polizei (GdP) erwartet vom Bundesverkehrsminister angesichts der gestiegenen Zahlen von Verkehrstoten und Unfallverletzten dagegen ein stärkeres Zeichen für mehr Verkehrssicherheit als das Herumschrauben am Punktekatalog. Bernhard Witthaut warf Ramsauer verkehrspolitisches Schattenboxen vor: „Eine wirksame Verbesserung der Verkehrssicherheit wird nicht dadurch erreicht, dass ein funktionierendes und in der Bevölkerung akzeptiertes System auf den Kopf gestellt wird“, mahnte der GdP-Bundesvorsitzende. Er forderte den Bundesverkehrsminister auf, sich bei seinen Länderkollegen für mehr Straßenkontrollen einzusetzen.Kritik an der Reduzierung der Punktezahlen äußerte auch der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF), Gerhard von Bressensdorf: „Eine größere Differenzierung der Punktestrafen ist unbedingt nötig.“ Gefährliche Delikte müssten auch künftig „deutlich härter geahndet werden als lässliche Verkehrssünden“. Rechnerisch macht die Reform tatsächlich besonders schwere Verkehrsverstöße häufiger möglich: Führerscheinentzug droht künftig erst nach vier Delikten, bisher sind maximal drei Straftaten mit sechs oder sieben Punkten möglich. ❙❚■ André GießeMithilfe des Punktetachos veranschaulicht Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer die geplante Reform der VerkehrssünderdateiVerkehrssünderdatei

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