Berlin. Nach dem Vorstoß von Bundesverkehrminister Andreas Scheuer (CSU), in Zukunft Pakete per U-Bahn zu transportieren, äußern einige Verkehrsbetriebe Zweifel an der Umsetzbarkeit der Idee. „Es gibt keinen Platz“, sagte eine Sprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Es gebe weder ein Depot zur Lagerung der Pakete außerhalb der Stadt, noch die Möglichkeiten, ausreichend kleine Auslieferungsstellen - wie von Scheuer vorgeschlagen - in der Innenstadt zu schaffen. Der CSU-Politiker will durch den alternativen Transportweg den Lieferverkehr in der Stadt entlasten.
In Berlin würden neue Modelle für lokale Warentransporter diskutiert, sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. „Klar ist aber auch: Es gibt dafür noch kein belastbares Modell, das sich in einem absehbaren Zeithorizont realisieren oder ausprobieren ließe.“ So sei die Schnittstelle von der Schiene auf die Straße besonders kompliziert, da U- und S-Bahnen fast nie auf Straßenniveau lägen. „So lassen sich Paletten oder größere Lieferungen, bei denen sich der Aufwand überhaupt erst lohnt, kaum in der vorhandenen Infrastruktur von U- und S-Bahn weiterreichen, auch etwa weil es keine Lastenfahrstühle gibt.“
Die Idee vom Verkehrsminister ist nicht neu
Angesichts des zu erwartenden Liefervolumens schlössen sich viele weitere offene Fragen an, sagte auch die BVG-Sprecherin. „Wer holt die Pakete wann ab? Wer bewacht die Lieferungen?“ Vieles an einem Paketdienst per U-Bahn sei bei den aktuellen Gegebenheiten des unterirdischen Transports in der deutschen Hauptstadt schwer vorstellbar. „Wir haben uns dazu schon seit geraumer Zeit Gedanken gemacht. Die Idee des Ministers ist nicht neu“, sagte die Sprecherin. Die BVG freue sich dennoch über die Offenheit des Ministers bei Fragen rund um den wachsenden Lieferverkehr, sagte die Sprecherin. Man wolle keine Türen endgültig schließen.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, findet den Vorschlag Scheuers „spannend“. „Wenn die Paketlogistik auf die Schiene verlagert wird, kann der Straßenverkehr entlastet und die Auslieferung klimafreundlich und elektrisch gestaltet werden.“ Angesichts von vier Milliarden prognostizierten Paketsendungen bundesweit im Jahr 2020 brauche man dringend neue Lösungen, um den Verkehr zu entlasten, erklärte Dedy.
Auslieferung per Straßenbahn womöglich besser umsetzbar
Die Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main (VGF) verweist auf die Tücken des unterirdischen Lieferverkehrs. „Stationen unter der Erde sind als Aus- und Umladepunkte weniger geeignet“, sagte ein VGF-Sprecher. Stattdessen könne sich eine Auslieferung per Straßenbahn als praktikabler erweisen. „Das Netz ist kleinteiliger, die Haltestellen als potenzielle Umladepunkte enger beieinander und somit dichter am Kunden.“ Von entsprechenden Ausladestationen könnten die Pakete auf Lastenfahrräder verteilt werden, von denen sie dann zum Kunden gebracht würden, betonte der VGF-Sprecher.
Auch in Berlin böte sich nach Ansicht von Senat und BVG eher die Straßenbahn als Güterverkehrsmittel an. Hier gebe es bereits Depots, die für eine Lagerung von Paketen in Frage kämen. Beim Abladen der Fracht könnten die Straßenbahnen auf einem Extragleis abgestellt werden, der nachfolgende Personenverkehr könnte so problemlos überholen. So würden Rückstaus durch die Lieferungen vermieden werden. Allerdings gebe es ebenfalls logistische Hindernisse wie fehlende Abstellgleise, sagte der Senatssprecher.
Der boomende Online-Handel stellt deutsche Städte zunehmend vor Logistik-Probleme. Immer mehr Pakete sorgen auch für mehr Lieferverkehr und dementsprechend vollere Straßen und Staus. Im vergangenen Jahr bestellten Verbraucher Waren und Dienstleistungen im Wert von 94 Milliarden Euro und damit rund zehn Prozent mehr als im Vorjahr, wie aus Zahlen des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel hervorgeht. (dpa/sn)
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