„Unterlagen frühzeitig schicken“

Interview „Unterlagen frühzeitig schicken“ Wie Transportunternehmer schneller in den Genuss staatlicher Fördermittel kommen und welche LKW künftig stärker kontrolliert werden, erläutert BAG-Präsident Andreas Marquardt im Interview mit der VerkehrsRundschau. Ihre Behörde stellt seit 2009 jährlich 350 Millionen Euro Fördergelder für die Branche bereit, doch bislang wurde die Summe noch nie abgerufen. Warum wollen die Unternehmer Ihr Geld nicht? Andreas Marquardt: In der Tat hatten wir zu Beginn der Förderverfahren vor zwei Jahren Probleme. Wegen der kurzen Vorbereitungszeit fehlte uns sowohl Personal als auch die Technik, um die Antragsflut aus dem Gewerbe zu bewältigen. Seit Herbst 2010 können wir die Verwendungsnachweise zeitnah bearbeiten. Auch ein Drittel der Neuanträge aus dem Jahr 2011 haben wir bereits beschieden. Das ist ein deutlicher Fortschritt. Ich glaube fest daran, dass die Unternehmer in Zukunft mehr Geld abrufen werden. Wir können jedoch nicht mehr ausgeben, als die Unternehmen beantragen und durch Verwendungsnachweise belegen. Wie viel Geld ist 2010 an die Unternehmer geflossen? Etwas mehr als 150 Millionen Euro. Doch die Unternehmen können ihre Verwendungsnachweise für 2010 noch bis Ende März abgeben. Erst 60 Prozent haben dies getan, da kommt sicher noch etwas Geld zusammen. Für die aktuelle Förderperiode haben wir bereits ein Drittel der Anträge beschieden. Innerhalb der ersten vier Wochen haben wir 32 Millionen Euro ausbezahlt. Hat die Politik den Unternehmern zu viel versprochen? Von den versprochenen 600 Millionen Euro jährlich als Ausgleich für die LKW-Maut sind nur etwas mehr als die Hälfte tatsächlich ans Gewerbe zurückgeflossen. Nein. Die Branchenverbände haben Förderprogramme gemeinsam mit Politik und Behörden entwickelt. Zudem gibt es enge Grenzen, die auch durch Regeln der EU gesetzt sind. Fürchten Sie, dass der Fördertopf kleiner wird? Dafür sehe ich zu diesem Zeitpunkt keine Anzeichen. Sie haben im Jahr 2009 vor Beginn der Förderprogramme mit rund 100.000 Anträgen gerechnet. Wie viele sind es derzeit tatsächlich? 2010 kamen rund 40.000 Anträge. Stand Anfang Februar haben wir für 2011 bereits 20.000 Anträge vorliegen. Wir rechnen damit, dass sich diese Zahl verdoppelt. Das Programm Aus- und Weiterbildung läuft deutlich besser als De Minimis. Für welche Maßnahmen beantragen die Unternehmer Zuschüsse? Berufskraftfahrer-Qualifikation wird in erster Linie von den größeren Unternehmen in Anspruch genommen. Deshalb finden besonders Fahrertrainings zum Spritsparen oder für Ladungssicherung großen Anklang. Die kleinen und mittleren Transportunternehmen sind leider noch sehr zurückhaltend. Warum nutzen kleine Betriebe nicht die Fördergelder für die Weiterbildung im Rahmen der Berufskraftfahrer-Qualifikation? Ich habe den Eindruck, hier ist das Thema noch nicht richtig angekommen. Und trotz Aufschwung stelle ich fest, dass Kos-ten für solche Maßnahmen gescheut werden. Doch gerade wegen des drohenden Fachkräftemangels wäre es wünschenswert, wenn sich auch die kleinen Transportunternehmen rechtzeitig vorbereiten. Welche Maßnahmen sind im De Minimis-Programm der Renner? Das sind vorrangig Telematiksysteme, sehr viele Anträge betreffen auch Adblue und generell das Thema Umweltschutz. Haben Sie einen Tipp für die Unternehmer, damit es beim Antrag reibungslos läuft? Die Unternehmer sollten ihre Unterlagen möglichst frühzeitig schicken. Ich möchte zudem an alle Unternehmer appellieren, das elektronische Antragsverfahren zu verwenden. Dieses bietet erhebliche Vorteile und beschleunigt den ganzen Prozess. Kommt der neue elektronische Antrag gut an? Wir hatten seit Ende November mehr als 1000 elektronische Anträge und die Rückmeldungen der Nutzer sind überwiegend sehr positiv. Insgesamt möchte ich jedoch betonen, dass die Qualität der Anträge ob auf Papier oder online deutlich zugenommen hat. Inwiefern? Am Anfang haben viele Unternehmen die Anträge fehlerhaft ausgefüllt oder die falschen Unterlagen geschickt. Man nehme nur Kraftfahrzeugbrief und Kraftfahrzeugschein. Teilweise mussten wir jeden Antrag vier- bis fünfmal anfassen, bis alle Unterlagen bei uns waren. Sie haben zur Unterstützung bei der Antragsbearbeitung Mitarbeiter der KfW zugeteilt bekommen. Diese sollen nun wieder abgezogen werden ... Es ist richtig, dass uns nunmehr genügend Personal für die Förderprogramme zur Verfügung steht. Es kommen in nächster Zeit 75 zusätzliche Mitarbeiter zum Einsatz. Woher kommen die neuen Mitarbeiter? 25 Personen werden wir in der Außenstelle Dresden anbinden. Diese Mitarbeiter kommen aus der Bundeswehrverwaltung – durch den Wegfall der Wehrpflicht sind hier Überkapazitäten vorhanden. Eine weitere Verstärkung konnten wir durch die DB Job Service GmbH am Standort Saarbrücken einwerben. Sind das die richtigen Experten für die komplizierten Anträge? Im Moment werden die neuen Mitarbeiter noch geschult. Das KfW-Personal bleibt deshalb zur Unterstützung des BAG, bis sichergestellt ist, dass die Neuen eingearbeitet sind. Die Überprüfung von Lastkraftwagen auf den deutschen Straßen ist eine der Hauptaufgaben des BAG. Im Jahr 2009 hat Ihr Haus aber deutlich weniger Fahrzeugkontrollen durchgeführt als in den Jahren davor. Bleibt das so? Nein. Richtig ist, dass im Jahr 2009 unsere Kontrollzahlen in den Keller gingen. Waren es 2008 noch etwa 600.000 Fahrzeugkontrollen, sank dieser Wert auf 480.000. Ursache hierfür war ein deutlich höherer Zeitaufwand für die Kontrolleure aufgrund der Einführung des digitalen Tachografen. Für das Auslesen des Massespeichers brauchen unsere Kontrolleure teilweise 20 bis 30 Minuten. Die Begutachtung der alten maximal sieben Tachoscheiben dauerte nur zwei bis drei Minuten. Wir hoffen, dass bei der von der Industrie angekündigten neuen Generation von digitalen Tachografen die Auslesezeiten deutlich sinken. Dennoch konnten wir schon im Jahr 2010 unsere Zielmarke von 600.000 Fahrzeugkontrollen wieder übertreffen. Wie haben Sie es geschafft, die Kontrollzahlen wieder anzuheben – mit mehr Personal? Nein, mehr Leute beschäftigen wir nicht. Im Gegensatz zu früher führen die Kontrolleure jetzt neben Vollkontrollen auch Detailkontrollen durch und konzentrieren sich auf Teilbereiche wie Gefahrgut-, Abfall- oder Sozialvorschriften. Durch diese neue Struktur ist es uns auch möglich, schneller zu erkennen, in welchen Bereichen wir die Kontrollen verschärfen müssen. Und wo ist derzeit eine Verschärfung notwendig? Das Thema Manipulation des digitalen Tachografen werden wir verstärkt beobachten. Und wie geschehen diese Manipulationen? Zum Beispiel durch die Verwendung von Magneten oder Veränderungen an der Motorsteuerung. Wie oft treffen Ihre Kontrolleure auf manipulierte Geräte? Dazu haben wir derzeit keine genauen Zahlen. Aber in ganz Europa nimmt die kriminelle Energie in diesem Bereich erkennbar zu. Der Aktionsplan des Verkehrsministers fordert das BAG auf, Vorschläge für die Weiterentwicklung der Aus- und Weiterbildung des Fahrpersonals zu erarbeiten. Was planen Sie hierzu? In den kommenden 15 Jahren wird ein Drittel aller Berufskraftfahrer aus Altersgründen ausscheiden. Wenn wir da nicht gegensteuern, kann es zu einem ernsthaften Engpass kommen. Dies ist eine zentrale Aufgabe für das Gewerbe. Auffällig ist bei dieser Thematik zum Beispiel, dass ein Fünftel der Azubis ihre Ausbildung abbrechen – ein deutlich höherer Anteil als in vergleichbaren Berufszweigen. Dieser Sache wollen wir beispielsweise auf den Grund gehen. Hat der Beruf des Kraftfahrers Zukunft in Deutschland? Ja, auf jeden Fall. Aufgrund des Gütermengenwachstums ist der Beruf des Kraftfahrers sicherlich eine krisensichere Aufgabe mit sehr guten Zukunftsaussichten. Um aber die passenden Fachkräfte zu bekommen, muss am Image des Berufsbildes gearbeitet werden. Hier sind sowohl die Logistikunternehmen als auch die Verlader gefordert. Die Mauteinnahmen waren 2010 niedriger als erwartet. Warum? Die Einnahmen waren niedriger, als im Verkehrshaushalt eingeplant, insgesamt gab es aber dennoch im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 1,7 Prozent. Der Hauptgrund hierfür war, dass die mautpflichtigen Fahrleistungen konjunkturbedingt noch nicht das Niveau vor der Krise erreicht haben. Außerdem haben die Unternehmen in der Krise ihre „emissionsreicheren“ Fahrzeuge teilweise abgemeldet. Alte Fahrzeuge wurden ausgemustert und neue, abgasarme LKW angeschafft. Mittlerweile werden mehr als die Hälfte aller in Deutschland durchgeführten Transporte mit LKW der Schadstoffnorm Euro 5 oder besser – mit den niedrigsten Mautsätzen – durchgeführt. Das wirkt sich natürlich auf die Mauteinnahmen aus, ist aber ein gewollter Effekt. Hat der wirtschaftliche Aufschwung des Jahres 2010 auch das deutsche Transportgewerbe erreicht? Das hängt von den einzelnen Verkehrsträgern ab. Verglichen mit dem Jahr 2009 geht es bei allen Landverkehrsträgern aufwärts. Der Aufschwung im Straßengütertransport geht langsam voran. 2010 verzeichnete das BAG zwar einen Zuwachs der Gütermenge auf der Straße um 3,1 Prozent und der Verkehrsleistung um 7 Prozent. Dieser Trend scheint sich dieses Jahr fortzusetzen und lässt einen leichten Optimismus in der Branche erkennen. Die Transportbranche gilt als Frühindikator für die wirtschaftliche Entwicklung. Ist dies immer noch so? Für das Hereinbrechen der Krise traf dies sicher zu. Wenn ich mir den aktuellen Aufschwung anschaue, dann heißt dies aus Sicht der Transportunternehmen, der Aufschwung ist da. ❙❚■ Sebastian Bollig, Andre Kranke Andreas Marquardt, Präsident des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) Die VR-Redakteure Sebastian Bollig (l.) und Andre Kranke im Gespräch mit dem BAG-Präsidenten Vita Andreas Marquardt wurde am 7. Juli 1961 in Cochem an der Mosel geboren. Nach seinem Jurastudium trat er 1991 bei der bayerischen Außenstelle der Bundesanstalt für Güterfernverkehr – dem Vorläufer des Bundesamtes für Güterverkehr – ein. Nach einem kurzen Gastspiel in der Kölner Zentrale wechselte Marquardt 1992 als Leiter des Rechtsdezernates zur Außenstelle Baden-Württemberg. Zwischen 1993 und 1994 war der 49-Jährige erstmals im Bundesverkehrsministerium tätig, kehrte jedoch Ende 1994 zum BAG zurück. Zwischen August 1995 und Dezember 2008 war er erneut beim Verkehrsministerium, zuletzt als Leiter des Referats S 32 und war damit für die Ordnung des Straßenverkehrs zuständig. Seit dem 1. Januar 2009 ist er Präsident des BAG. sb Interview Interview Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) ist eine selbstständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Sie wurde 1953 als Bundesanstalt für den Güterfernverkehr gegründet und trägt erst seit 1994 ihren heutigen Namen. Die Zentrale sitzt in Köln, darüber hinaus gibt es elf Außenstellen in ganz Deutschland. Das BAG ist mit seinen rund 1700 Mitarbeitern für eine Vielzahl von Aufgaben rund um den Güterkraftverkehr zuständig. Wesentliche Tätigkeiten sind die Steuerung und Koordinierung der Straßenkontrollen, die Erhebung und Verwaltung der LKW-Maut sowie verkehrsträgerübergreifende Marktbeobachtung. Seit 2009 ist das BAG außerdem für die Bewilligung und Auszahlung der Förderprogramme De Minimis sowie Aus- und Weiterbildung zuständig. ak Das BAG BAG-Kontrollbeamter auf der Autobahn

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