Transportpreise: Aufregung um Schreiben von Mercedes-Benz

Dass im Automobilsektor der Kosten- und damit der Preisdruck auf Lieferanten und Dienstleister hoch ist, ist bekannt. Wie ruppig das Gebaren sein kann, zeigt ein Schreiben der Pkw-Sparte von Mercedes-Benz, das im Januar an Transportdienstleister versendet wurde, wie der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) vermeldet. Die Reaktion von Mercedes-Benz In diesem Schreiben informierte die Pkw-Sparte des Stuttgarter Automobilkonzerns offenbar Transport- und Speditionsbetriebe, dass es zum 1. Februar 2025 eine Kostenreduktion aller Transportverträge um zehn Prozent (Gesamtfrachtrate) erwarte. Entsprechende Angebote würden von den Transportunternehmen bis zum 23. Januar 2025 erwartet, zitiert der BGL aus dem Schreiben. Auf Anfrage der VerkehrsRundschau will die Mercedes-Benz AG die Forderungen aus besagtem Schreiben weder bestätigen noch dementieren. In einem schriftlichen Statement, ein Interview ist laut einer Pressesprecherin zum aktuellen Zeitpunkt nicht möglich, äußert sich das Unternehmen wie folgt: "Die genannte Zahl von zehn Prozent können wir nicht bestätigen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu Lieferanten-Verträgen und Preisanpassungen aus Wettbewerbsgründen grundsätzlich nicht im Detail äußern können." Begründet wird dies damit, dass die öffentliche Verbreitung interner Informationen zu Geschäftsbeziehungen kartellrechtlich nach § 1 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - die Red.) sowie auf EU-Ebene (Art. 101 AEUV) nicht zulässig sei, da sie ein unzulässiges Signal an den Markt darstellen. Preisspirale verschärft sich BGL-Vorstandssprecher Professor Dirk Engelhardt ist entsetzt: "Solche Forderungen kann in der momentanen Kostensituation kein deutscher Transportunternehmer leisten - nicht mit den derzeit branchenüblichen Margen von 0,1 bis zwei Prozent." Osteuropäische Transportbetriebe hätten ein ganz anderes Lohngefüge als deutsche. Dadurch könnten Osteuropäer natürlich höhere Margen als Deutsche erwirtschaften und zu anderen Preisen fahren. "Mit dieser Forderung zum jetzigen Zeitpunkt ist die Verlagerung in den osteuropäischen Dumping-Wettbewerb also vorprogrammiert", fürchtet er. Und noch schlimmer: Die Preisspirale verschärfe sich dadurch auch in anderen Branchen, was den Exodus mittelständischer Transportbetriebe weiter beschleunige. Mercedes-Benz verweist gegenüber der VerkehrsRundschau derweil darauf, dass sich die Automobilindustrie in einem anspruchsvollen globalen Umfeld befinde. Das Unternehmen arbeite "deshalb gemeinsam mit seinen Lieferanten daran, die nötige Widerstandskraft sicherzustellen, um auch in Zukunft gemeinsam erfolgreich zu sein." Über alle Bereiche des Unternehmens hinweg würden Effizienzpotenziale identifiziert und Maßnahmen eingeleitet, heißt es im Statement. Mercedes-Benz sei auf die Kooperation mit seinen Lieferanten angewiesen, um die Transformation erfolgreich zu gestalten. "In diesem Zuge führen wir individuelle Gespräche mit all unseren Partnern und legen bewusst Wert auf den persönlichen Austausch." Zudem vollziehe Mercedes-Benz bei Ausschreibungen eine Referenzkalkulation als Plausibilitätsprüfung. "Diese Referenzkalkulation führen wir auch durch, um Dumpingpreise zu verhindern", wird im Statement versichert. Schlussendlich heißt es da: "Mit den Mercedes-Benz AG Vertragsbestimmungen für Transportdienstleister sichert der Dienstleister zu, dafür einzustehen, dass jeder seiner Subunternehmer und weitere Nachunternehmer die gesetzlichen Anforderungen zum Mindestlohn gegenüber dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erfüllen." Ladungsgeschäft bricht ein Offenbar versuchte die Pkw-Sparte von Mercedes-Benz auch telefonisch bei dem einen oder anderen Transportpartner ihr Glück. So berichtet ein Spediteur, der seit 20 Jahren Expresstouren für das besagte Unternehmen fährt, gegenüber der VerkehrsRundschau hinter vorgehaltener Hand: "Ende Januar erhielt ich just zu diesem Auftrag von einem Mitarbeiter der Pkw-Sparte von Mercedes-Benz einen Anruf." An den genauen Wortlaut könne er sich zwar nicht mehr erinnern, betont er im Gespräch. Sinngemäß aber habe der Anrufer gesagt, dass es der Automobilindustrie derzeit nicht gut gehe, und dass man ja schon lange zusammenarbeite. Gemeinsam müsse man jetzt schauen, wie man diese schwierige Situation gemeinsam durchstehe. "Eigentlich durch die Blume, ich möchte mir doch einmal Gedanken machen, wie ich dem Unternehmen mit einer entsprechenden Kostenreduzierung auf die vereinbarte Fracht laut Vertrag entgegenkomme", so der Spediteur. Auf seine Frage, ob er das Ganze schriftlich bekommen könne, um die Anfrage zu prüfen, habe sich das Unternehmen aber nicht mehr bei ihm gemeldet. "Jetzt warte ich erst mal ab. Wir haben ja einen gültigen Vertrag", sagt er. "Notfalls müssten wir auf den Auftrag eben verzichten." Dies sei aber natürlich leichter gesagt als getan. "Denn der verladenden Wirtschaft geht es insgesamt nicht gut. An bestimmten Tagen bricht das Ladungsgeschäft regelrecht ein, vor allem im Spotmarkt zum Wochenende hin. Preisnachlässe um 20 Prozent auf die Tour sind da ganz normal. An der Schmerzgrenze "Die Margen im Transportgewerbe sind äußerst, äußerst knapp. Und die Automobilbranche hat den Ruf, maßgeblich dazu beizutragen", bestätigt Kornelia Reifenberg, Partner der Unternehmensberatung Simon-Kucher in Bonn, die sich auf Preis- und Strategieberatung spezialisiert hat (siehe S. 18). So liege die durchschnittliche EBIT-Marge von etwas größeren Transportbetrieben aktuell nur bei drei, maximal fünf Prozent. "Und kleinere Transportbetriebe arbeiten an der Schmerzgrenze, die erwirtschaften teilweise gerade eine schwarze Null." Der Preisdruck sei im Transportgewerbe zwar immer hoch, betont Reifenberg. Seit 2024 habe sich dieser aber deutlich verschärft - insbesondere im Maschinenbau, in der Stahl- und Baubranche. "Forderungen nach Preisnachlässen sind aktuell also nichts Ungewöhnliches. Das jüngste Vorgehen der Pkw-Sparte von Mercedes-Benz, wie es nun der Presse zu entnehmen war, ist da aber sicher ein Extrem-Beispiel", sagt sie. Sie gehe aber davon aus, dass das Unternehmen nicht erwarte, die zehn Prozent vollumfänglich umzusetzen. Damit steige dieses ein, das sei Teil der Taktik. "Denn je höher meine Forderung ist, desto größer ist unterm Strich mein Erfolg", erläutert sie. "Die Automobilbranche übt schon seit Jahren einen massiven Preisdruck auf die Transportdienstleister aus." Krise trifft Mittelständler Die Lage ist also ernst, wie ernst, zeigen die Aussagen von Daniel Giel, der sich mit seinem Team auf die betriebswirtschaftliche Beratung kleiner und mittlerer Transportbetriebe spezialisiert hat. "Uns überrollt derzeit ein Tsunami von Unternehmen, die wir sanieren sollen." Normalerweise seien das neben seinem Beratungsgeschäft zwölf Fälle im Jahr, sagt er. Jetzt im Januar waren es 16 Sanierungsfälle. "So schlimm war es nicht einmal während der Euro- und Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009." Was den Berater dabei erschreckt: Es sind nicht mehr Kleinstbetriebe, die zu Sanierungsfällen werden, weil ihnen etwa ein Großkunde weggebrochen ist oder sie unternehmerische Fehler gemacht haben. "Aktuell sind es mittelständische Transport- und Speditionsfirmen mit über 30 bis 70 Mitarbeitern, von denen man weiß, dass sie solide arbeiten, die seit zwei oder drei Generationen bestehen." Und ur-sächlich dafür seien nicht unternehmerische Fehler, sondern exogene Faktoren wie die Verdopplung der Lkw-Maut und der steigende Kostendruck bei Personal und Energie, den die Betriebe preislich nicht an Kunden durchreichen können. Und Aktionen, wie eingangs geschildert, machen es laut Giel nicht besser. Im Gegenteil: "Die Frachtführer, die da preislich nicht mitgehen wollen, weichen mit ihren Plane-Spriegel-Fahrzeugen dann auf andere Branchen aus und fahren dort zu Automotive-Preisen. So verschärfen sie dort die Preisspirale. Das ist ein Domino-Effekt." Insbesondere in der Möbel- und Baubranche seien die Preise für Transporteure derzeit "katastrophal". Das Tragische sei, dass es noch immer zu viele Betriebe gebe, die zu jedem Preis fahren, damit sie ihre laufenden Kosten decken können. "Und der unterste Preis gilt. Das ist der Markteffekt", betont er. "Genau das geht zulasten der mittelgroßen Unternehmen, die mit solchen Betrieben konkurrieren." "In der Automobilbranche und damit in der Automobillogistik ist es gerade nicht ganz einfach", räumt Axel Frey ein, Geschäftsführer der Seifert Logistics Group in Ulm, die für viele namhafte Player in der Automobilwirtschaft tätig ist, unter anderem auch in der Beschaffungslogistik von Mercedes-Benz. "Es werden einfach zu wenige Fahrzeuge verkauft und damit auch zu wenige gebaut. Und je weniger Fahrzeuge gebaut werden, desto geringer ist die Nachfrage nach Logistik", beschreibt er die Lage. Die Folge sei, dass der Anteil der Fixkosten in der Logistik ansteige und dass es dadurch für Dienstleister in diesem Geschäftsfeld immer schwieriger werde. "Und je enger der Markt wird, desto angespannter wird die Preissituation." Das besagte Schreiben der Pkw-Sparte von Mercedes-Benz hat Seifert nicht erhalten, auch nicht einen entsprechenden Anruf mit der Bitte um zehn Prozent Preisnachlass. "So einen Vorschlag würden wir auch ablehnen. Einfach die Preise zu kürzen - das funktioniert nicht", be-tont Frey. Entscheidend sei ja, welche Leistung überhaupt hinter einem Preis stecke, ob sich etwa Prozesse anders gestalten und einzelne Prozessschritte einsparen lassen, die unnötig Geld kosten. "Nur das kann langfristig der Weg sein - und zwar für beide Seiten." Und es sei sicherlich nicht partnerschaftlich, wenn Briefe mit pauschalen Forderungen verschickt werden würden, sagt er. "Wenn ein Kunde mit uns ein Problem hat, und wir etwas gemeinsam machen sollen, dann erwarte ich, dass er mit uns persönlich spricht. Und so findet man in einer Partnerschaft für viele Herausforderungen eine Lösung." Pauschale Forderungen nach dem Gießkannenprinzip würden ja keinen weiterbringen. Klare Worte. Bleibt nur zu hoffen, dass Freys Aussagen Gehör finden. Auch und gerade in der Verladerschaft trotz der Abwärtsspirale, in der sich die deutsche Wirtschaft aktuell befindet. Interview: "Keine Preiszugeständnisse ohne Gegenleistung" Wie kann ein Transport- oder Speditionsunternehmer "unmoralische Angebote" seiner Auftraggeber richtig kontern, sprich: Wie sagt man richtig "Nein"? Auch dem Auftraggeber muss bewusst sein, dass solche Preisnachlässe nur möglich sind, wenn der Transport-oder Speditionsunternehmer Kosten an anderer Stelle einsparen kann. Ansonsten geben die aktuellen EBIT-Margen solche Nachlässe derzeit schlichtweg nicht her. Das sollte ein Transportdienstleister auch so seinem Kunden verargumentieren. Denn dieser hat ja ein Interesse daran, dass er auch in Zukunft auf qualifizierte Dienstleister zugreifen kann. Ansonsten hat er selbst Qualitätseinbußen. Welche Verhandlungstaktiken empfehlen sich da? Mit den zehn Prozent Preisnachlass setzt der Kunde einen Anker. Es kann sich deshalb empfehlen, im persönlichen Gespräch mit dem Kunden einen Anker in die Gegenrichtung zu setzen und eine Preiserhöhung in den Raum zu stellen. Das sollte allerdings mit einer fundierten Begründung der Mehrkosten einhergehen, beispielsweise aufgrund von Investitionen in Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Zudem ist dem Kunden klar zu machen: Preiszugeständnisse gibt es nicht ohne Gegenleistung. Ein Transportunternehmer sollte den Vorschlägen des Kunden gegenüber offen sein, wo dieser bereit ist, Leistungs- oder Qualitätskürzungen in Kauf zu nehmen. Gleichzeitig sollte er aber verdeutlichen: Preissenkungen sind keine Einbahnstraße.