"Unser Sorgenkind ist das Sammelgut"

Herr Hellmann, mit Thomas Knecht haben Sie sich einen Sanierungsexperten der Unternehmensberatung Roland Berger in Ihr Unternehmen geholt. Ist Hellmann Worldwide Logistics ein Sanierungsfall? Jost Hellmann: Wir hatten zwei Jahre, in denen wir Verluste geschrieben haben. Im vergangenen Jahr haben wir aber wieder Gewinne gemacht. Sicherlich haben wir noch einige Hausaufgaben vor uns. Jetzt ist es erst einmal wichtig, das Unternehmen in die nächste Generation zu bringen. Um konkreter zu werden: Im Jahr 2014 hat Hellmann bei einem konsolidierten Umsatz von 2,16 Milliarden Euro 14,7 Millionen Euro Verlust gemacht. 2015 konnten Sie Ihr Defizit zwar auf 4,82 Millionen Euro reduzieren. Was lief falsch, dass es mit Hellmann so weit kam? Hellmann: Wir erledigen Hausaufgaben, die wir seit zehn Jahren hätten machen müssen, erst jetzt. Ein Beispiel ist die Spartenbildung, für die wir aktuell unsere Geschäftsfelder Landverkehr (Road & Rail), See- und Luftfracht sowie Kontraktlogistik in separate Sparten überführen und dafür Teilkonzerne gründen. Ein anderes Beispiel ist das Controlling. Wir leben in einem Umfeld mit sehr niedrigen Margen. Wenn man kein ordentliches Controlling hat, ist es schwierig. Da sind einige Wettbewerber weiter. Da müssen wir hinkommen und das werden wir auch. An diesen Verbesserungen arbeiten wir seit zwei Jahren. An welchen Optimierungsschrauben drehen Sie da momentan konkret und was davon brachte bislang den größten Erfolg? Thomas Knecht: Wir haben ein Programm von insgesamt mehr als 200 Optimierungs-Maßnahmen aufgelegt. Nicht jede haben wir schon vollumfänglich umgesetzt, fallweise befinden wir uns noch mitten drin. Eine wichtige Maßnahme war, dass wir durch eine gewisse Bereinigung nun mehr Transparenz in der Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung haben. Wir wissen nun genau, wohin wir uns entwickeln. Eine ebenfalls große Aufgabe war die Restrukturierung unserer defizitären Landesgesellschaft in den USA. Nicht zuletzt reduzieren Sie Ihre Overhead-Kosten massiv und haben dafür zum Beispiel Ihr Führungsgremium, das Executive Board, kräftig umgebaut. Knecht: Das ist richtig. Ziel des Umbaus waren aber weniger Kosteneinsparungen als die Schaffung klarer Verantwortlichkeiten, indem wir Doppelfunktionen aufgelöst haben. In der aktuellen Phase, in der sich Hellmann befindet, ist es umso wichtiger, die Arbeitsbelastung auf mehreren Schultern zu verteilen sowie klare und transparente Entscheidungswege zu definieren. Wie viel Euro hat Hellmann durch dieses Optimierungsprogramm bislang insgesamt eingespart und wie viele Mitarbeiter mussten dafür gehen? Knecht: Wie gesagt, das Programm ist noch nicht abgeschlossen. Stand heute möchte ich dazu keine finalen Aussagen machen. Dann verraten Sie uns zumindest, ob Hellmann wieder schwarze Zahlen schreibt! Knecht: Der Jahresabschluss für 2016 liegt jetzt vor, wir schreiben schwarze Zahlen. Die Bilanz zeigt, dass sich Hellmann im vergangenen Jahr in allen Bereichen positiv entwickelt hat. So haben wir bei unserem Deckungsbeitrag eins um 50 Millionen Euro zugelegt - dank gestiegener Umsatzqualität. Unterm Strich weisen wir für 2016 insgesamt einen Rohertrag von 77,1 Millionen Euro aus, und unser EBIT lag in 2016 bei zwei Prozent; in 2015 lag es noch bei einem Prozent. Welche Bereiche waren da im vergangenen Jahr Ihre Kronjuwelen? Hellmann: Von Kronjuwelen zu sprechen, ist vielleicht übertrieben (lacht). Wir müssen erst einmal dahin kommen, dass wir eine Umsatzrendite von vier bis fünf Prozent erwirtschaften. Im Moment liegen wir bei 2,2 Prozent. Da liegt noch ein Stück Weg vor uns. Gleichwohl hat die Seefracht mit im Vergleich zum Vorjahr ein sehr schönes Ergebnis gebracht, gerade vor dem Hintergrund des schwierigen letzten Quartals 2016 durch die Insolvenz der Hanjin-Reederei. Auch die Luftfracht entwickelte sich im Ergebnis ziemlich gut. Und welche Bereiche machten Ihnen in 2016 Sorgen? Hellmann: Unser Sorgenkind ist nach wie vor das Sammelgutgeschäft, vor allem in Deutschland. Wir machen aber Fortschritte. In Europa verdienen wir im Sammelgutgeschäft Geld; ebenso im Teil- und Komplettladungsverkehr sowie im KEP-Geschäft. Im Sammelgutgeschäft in Deutschland schreiben wir aber nach wie vor rote Zahlen. Wie wollen Sie da die Wende schaffen? Immerhin verlieren Sie mit der Raben Group als Mitgesellschafter der System Alliance einen wichtigen Partner an sechs Standorten in Deutschland! Knecht: Wir haben die Leistungsfähigkeit des System-Alliance-Netzes getestet und sind mit den Systempartnern der Ansicht, dass unser Netz stabil ist. Hellmann: Ergänzen möchte ich, dass wir dafür auf der Suche nach weiteren kleineren Partnern sind. Wir sprechen dafür auch mit Gesellschaftern anderer Kooperationen. Die Kooperationen haben sich mittlerweile geöffnet, wobei ich persönlich bedauere, dass System Alliance kein exklusives System mehr ist. Würden Sie bei Bedarf auch zukaufen, um die bestehenden Lücken zu schließen? Knecht: Wir sehen uns alle Optionen an. Wir verschließen uns auch Zukäufen nicht. Nochmals gefragt: Wie wollen Sie im Stückgutgeschäft endlich wieder punkten? Welche wirtschaftlichen Ziele stehen da an? Hellmann: Wir arbeiten im Stückgutgeschäft künftig in Deutschland und in Europa mit einheitlichen Prozessen. Da haben unsere Wettbewerber einen gewissen Vorsprung. Außerdem müssen wir - analog zu unserem Luftverkehrsgeschäft - auch im Stückgutgeschäft wieder zu einer stärkeren exklusiven Partnerschaft kommen, um einheitliche Prozesse schaffen zu können - im Idealfall über eine Plattform. Ansonsten müssten wir als Hellmann das europäische Stückgutgeschäft selbst machen, unter Umständen mit eigenen kleinen Häusern. Das heißt, Sie kündigen Ihren langjährigen Stückgutpartnern in Europa wie Gebrüder Weiss und Heppner Group die Zusammenarbeit auf? Hellmann: Wir arbeiten mit diesen Partnern natürlich gerne weiter. Wir müssen aber eine gemeinsame europaweite Strategie im Landverkehr entwickeln. Ich glaube, es gibt hier Handlungsbedarf, um uns richtig aufzustellen und kostengünstiger produzieren zu können. Überdenken Sie in diesem Kontext auch Ihre Eigenfuhrpark-Politik und investieren dafür künftig mehr in eigene Lkw? Im Moment arbeiten Sie ja fast ausschließlich mit Frachtführern. Hellmann: Ich hoffe, dass darüber der Leiter unserer Sparte Landverkehr nachdenkt. Wir müssen prüfen, ob wir bestimmte Strecken nicht wieder mit eigenen Lkw fahren. Außerdem würden wir wahnsinnig gerne mehr Güter auf die Schiene bringen, bekommen aber nicht genügend Slots. Und natürlich würden wir noch gerne deutlich mehr den Ökoliner (Lang-Lkw - die Redaktion) einsetzen, weil er ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist. Wir beobachten auch das Thema "autonomer Lkw" sehr genau. Ganz unabhängig davon sollten wir angesichts der Laderaumprobleme unser Pricing-Modell im Straßengüterverkehr überdenken. Noch ist aber nichts entschieden. Das ist Teil unserer Fünf-Jahres-Strategie, an der wir derzeit mit unseren Sparten-Verantwortlichen arbeiten. Nochmals zu Ihrer geplanten Sparten-Organisation: Hellmann bringt dafür aktuell seine See- und Luftfracht-, Landverkehr- und Kontraktlogistik-Aktivitäten in sogenannte Teilkonzerne ein. Warum? Knecht: Diese Sparten-Organisation wird in der Tat ab 1. August 2017 live gehen. Wir versprechen uns davon vor allem mehr Transparenz und Verantwortlichkeit in den einzelnen Geschäftsbereichen, weil jeder dann weiß, für was er genau verantwortlich ist. Außerdem dürfte es dann einfacher sein, für die einzelnen Bereiche Strategien zu entwickeln. Das ist heute schwieriger, weil die Geschäftsmodelle in der See- und Luftfracht, im Landverkehr und in der Kontraktlogistik sehr unterschiedlich sind. Auch die Digitalisierung ist in den einzelnen Bereichen unterschiedlich weit. Hellmann: Dazu kommt, dass ich an kleine, flexible Einheiten glaube. Größe macht langsam. Mit den kleineren Einheiten sind wir viel näher am Kunden, viel näher am Markt, können flexibler agieren und sind dadurch schneller. Schnelligkeit ist in unserer schnelllebigen Welt extrem wichtig. Den Bauchladenverkauf wird es damit künftig bei uns nicht mehr geben. Für unsere Mitarbeiter ändert sich aber nichts. Aber mal ehrlich: Ist die neue Spartenorganisation nicht ein erster Schritt zum Verkauf Ihrer Landverkehrssparte, wie ihn momentan Kenner der Branche schon vermuten? Hellmann: Warum sollten wir das tun? Der Lkw hat seine Berechtigung. Der Lkw hat Hellmann groß gemacht, mit dem sind wir gewachsen. Wir haben motivierte Mitarbeiter, die dieses Geschäft weiterentwickeln. Kurzum: An unserem Geschäftsmodell wird sich nichts ändern. Einen Verkauf des Landverkehrs wird es mit mir nicht geben. Und in welche Bereiche wollen Sie investieren? Im Herbst sprachen Sie davon, dass die Banken ein Investitionspaket im dreistelligen Millionenbereich gebilligt haben. Hellmann: Möglich wäre eine solche Investitionssumme. Aus meiner Sicht brauchen wir das aber nicht. Wir sind als Hellmann stets organisch gewachsen. Ich glaube nicht daran, Firmen dazuzukaufen. Man bezahlt dafür viel Geld und die Synergien kommen schlussendlich nicht. Kleinere Zukäufe, insbesondere in Nischen, sind natürlich immer denkbar. Aber das ist nicht viel Geld. Knecht: Und natürlich werden wir in die IT und die Digitalisierung investieren - aber nicht in der von Ihnen genannten Größenordnung. Welche wirtschaftlichen Ziele haben Sie sich für dieses Jahr gesetzt? Hellmann: Natürlich macht es mir Spaß, wenn wir in Deutschland, wie in 2016 geschehen, um 56 Prozent im Export wachsen. Aber Größe ist für mich nicht entscheidend. Wichtig ist ein profitables Wachstum. Das gilt für jeden unserer Geschäftsbereiche. Herr Hellmann, Sie sind jetzt 64 Jahre alt. Wie lange wollen Sie als Geschäftsführer noch aktiv tätig sein? Hellmann: Mir ist es wichtig, unser Unternehmen in die nächste Generation zu bringen. Das wird noch zwei Jahre dauern und dann darf ich mit Freude in den Aufsichtsrat wechseln. Die Tochter Jill meines Vetters, Klaus Hellmann, ist ja schon an Bord. Meine Tochter mit 22 Jahren und mein Sohn mit 21 Jahren sind dafür noch zu jung. Deshalb freue ich mich, dass wir mit Thomas Knecht den Generationswechsel umsetzen. Mehr zum Thema im Dossier Hellmann Logistics www.verkehrsrundschau.de/dossiers Daten + Fakten Jost Hellmann Jost Hellmann ist 1953 in Osnabrück geboren. Von 1973 bis 1980 studierte er Jura an der Universität Münster. Nach diversen Aufenthaltspraktika und Praktika baute er die Hellmann-Auslandsgesellschaften auf. Seit 1989 ist Jost Hellmann geschäftsführender Gesellschafter des Speditions- und Logistikunternehmens Hellmann Worldwide Logistics GmbH & Co. KG in Osnabrück und verantwortet dort Verkauf, Marketing global sowie den Ausbau der weltweiten Aktivitäten im Bereich Luft- und Seefracht.Unter der Führung von Jost Hellmann und seines Cousins Klaus Hellmann (wechselte Ende 2016 in den Aufsichtsrat des Unternehmens) entwickelte sich Hellmann Worldwide Logistics zu einem globalen Unternehmen, das in 2016 rund 3,3 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete (See- und Luftfracht: 2 Milliarden Euro, Landverkehr: 1 Milliarde Euro und in der Kontraktlogistik 300 Millionen Euro). eh Daten + Fakten Thomas Knecht Thomas Knecht ist 1974 geboren. Er studierte Wirtschafts- und Rechtswissenschaften an den Universitäten München (LMU), Philadelphia/USA (Wharton) und in Mailand (Bocconi) und promovierte an der EBS/Oestrich-Winkel. Knecht startete seine Berufslaufbahn im Investmentbanking. Danach war er für den Restrukturierungsbereich einer großen Unternehmensberatung in München und New York tätig und war später Seniorpartner im Corporate Performance Competence Center von Roland Berger Strategy Consultants in München und Berlin. Seine fachlichen Schwerpunkte waren dort unter anderem Restrukturierung, strategische Finanzen sowie Fusionen und Übernahmen. Seit Oktober 2015 ist Thomas Knecht Vorsitzender der Geschäftsführung von Hellmann Worldwide Logistics. eh

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