Unruhe bei DB Schenker

Souverän präsentierten DB-Chef Rüdiger Grube und sein Finanzvorstand Richard Lutz letzte Woche Donnerstag die Ergebnisse des Bahnkonzerns. Gut, ganz zufrieden zeigten sie sich mit einem Umsatzwachstum von 1,5 Prozent und dem Rückgang des operativen Ergebnisses um 5,7 Prozent nicht. Aber sie nannten mit den Folgen des Sturmtiefs Ela und den Streiks der Lokführergewerkschaft zwei außergewöhnliche Gründe dafür. Damit lässt sich dann auch der Rückgang im EBIT bei DB Schenker Rail um 19,3 Prozent erklären. Zumal der Rückgang ausgedrückt in absoluten Zahlen mit elf Millionen Euro sich weniger dramatisch liest. Ohne den Streik der Gewerkschaft und die vom Wetter verursachten Beeinträchtigungen hätte der Schenker-Bereich Rail laut Lutz das Ergebnis sogar um mehr als 100 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesteigert. Höhere Ansprüche als im Schienengüterverkehr hat man bei DB Schenker Logistics. Gleichwohl wuchs in der Logistiksparte im vergangenen Jahr der Umsatz um niedrige 0,6 Prozent und das Ergebnis war um 0,9 Prozent (drei Millionen Euro) rückläufig. Ein auf Wachstum ausgerichtetes Unternehmen kann damit nicht zufrieden sein. Das weiß auch die Chefetage bei der Bahn. Finanz-Vorstand Lutz fasste die gesamte Entwicklung des Konzerns mit dem Satz zusammen: "Die Entwicklung war insgesamt gedämpft, beim Ergebnis etwas besser als hier gezeigt (wegen der Streiks und des Unwetters; Anm. d. Red.), aber insgesamt schlechter als erwartet." Sieht man sich die Zahlen aus der Bilanz genauer an (siehe Kasten Seite 22), dann fällt auf, dass DB Schenker Logistics mengenmäßig noch ganz ordentlich abgeschnitten hat, dass diese Sparte aber offenbar ein Ertragsproblem hat. Grube nannte denn auch in der Pressekonferenz den "extremen Margendruck im weltweiten Transport- und Logistikgeschäft" als eine von sechs aktuellen großen Herausforderungen im DB-Konzern. Insgesamt ist das Ergebnis in der Sparte DB Schenker Logistics um drei Millionen Euro schlechter ausgefallen als im Vorjahr. Und das, obwohl 2013 mit einem EBIT von 335 Millionen bereits ein schlechteres Jahr war nach 418 Millionen Euro im Jahr zuvor. Liebs Abgang sorgt für Spekulationen Doch sind die Ergebnisse so schlecht, dass deswegen Thomas Lieb so kurzfristig seinen Hut als Vorstandschef der Schenker AG und Geschäftsfeldleiter von DB Schenker Logistics nehmen muss, wie Mitte März bekannt wurde? Das Unternehmen selbst nannte in der offiziellen Presseinformation vom 12. März keine Gründe. Fest steht nur: Liebs Ausscheiden ist vorläufiger Höhepunkt einer Reihe von Personalien, die DB Schenker Logistics in den vergangenen Jahren erschüttert haben und noch erschüttern: So wechselte Detlef Trefzger, der lange Jahre bei der Schenker AG die Kontraktlogistik und zuletzt auch das See- und Luftfrachtgeschäft geleitet hatte, 2012 zum Wettbewerber Kühne + Nagel. Im selben Jahr ging Milagros Caiña Carreiro-Andree, die den Personalbereich bei Schenker verantwortet hatte, nach nur einem Jahr bei Schenker zur BMW Group. 2014 schied Karl Nutzinger als Vorstand der Landverkehrssparte der Schenker AG aus. Auch IT-Vorstand Peter Schumann, seit 2001 im Amt, wird Ende November 2015 das Unternehmen verlassen. Und zum Jahresende scheidet auch Karl-Friedrich Rausch altersbedingt als Vorstand Transport und Logistik bei der DB aus. Langweilig wird es ihm bis dahin nicht. Denn Rausch wird ab Anfang April 2015 auch noch die Aufgaben von Lieb in Personalunion übernehmen, teilte das Unternehmen der Verkehrs-Rundschau mit. "Dem Unternehmen tut das alles nicht gut", kommentiert die Entwicklungen ein Unternehmenskenner, der namentlich nicht genannt werden will. Wolfgang Monning, der bis Ende 1999 Vorstandsvorsitzender von Schenker-BTL war und heute als Unternehmensberater aktiv ist, mahnt gar: "DB Schenker Logistics zerlegt sich im Moment selbst. Das ist in Teilbereichen so etwas wie eine Wellness-Oase geworden", sagt er. Früher dagegen habe das Unternehmen Innovationen in der Speditions- und Logistikbranche gesetzt. Die Lage von DB Schenker sei aber, betont Monning, kein Einzelfall. Diese Entwicklung gibt es laut dem Unternehmensberater auch in anderen großen Firmen: "Wenn diese Spitzenwerte einfahren, ruhen sie sich aus. Das ist gefährlich, denn der Wettbewerb schläft nicht", warnt Monning. Als Beispiele nennt er die mittelständischen Speditionsverbünde, Dachser und Kühne + Nagel: "Sie profitieren von der Schenker-Situation im Landverkehr am stärksten", beobachtet er. Besonders im Blick bei DB Schenker Logistics steht der Bereich "europäischer Landverkehr", auf den im vergangnen Jahr 43 Prozent des Umsatzes, aber nur 29 Prozent des EBIT von DB Schenker Logistics entfielen. Monning sagt: "Das Ergebnis von DB Schenker Logistics im reinen speditionellen Landverkehr (Stückgut- sowie Teil- und Komplettladungen) stagniert laut den Geschäftsberichten der Bahn seit 2008 kontinuierlich auf einem niedrigen Niveau, während Wettbewerber hier besser dastehen". Natürlich habe die Schwäche von DB Schenker im Landverkehr seit 2009 insbesondere konjunkturelle Gründe gehabt, sagt Monning. Aber auch als die Konjunktur in den Folgejahren wieder angezogen habe, sei es im Landverkehr eher bei den Wettbewerbern vorangegangen und nicht bei Schenker. Gleichwohl gibt Monning den speditionellen Landverkehr bei DB Schenker nicht verloren. Im Gegenteil: Ex-Militzer & Münch-Chef Ewald Kaiser, der seit 2014 als Vorstand den Landverkehr bei der Schenker AG verantwortet, sei hier "ein echter Hoffnungsträger, da er die speditionelle Praxis von der Pike auf kenne", sagt Monning. Personalabbau bei DB Schenker Logistics Zudem hat DB Schenker Logistics ein Kostensenkungsprogramm aufgelegt, das auch die Einsparung von Personal zum Ziel hat, wie eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage der VerkehrsRundschau bestätigt: "Davon sind im Head-Office Essen knapp zehn Prozent von rund 800 Mitarbeitern betroffen", sagt sie. Betriebsbedingte Kündigungen und Entlassungen konnten im Rahmen des Programms vermieden werden. In den Landesgesellschaften laufe noch die Umsetzung des Kostensenkungsprogramms. Hier sei der prozentuale Anteil der betroffenen Mitarbeiter aber deutlich geringer als in der Zentrale. Solche Personaldebatten sind aktuell bei DB Schenker Rail nicht nach außen gedrungen, obwohl die Sparte im Vergleich zu DB Schenker Logistics deutlich schlechter dasteht. Denn mit einem EBIT von 46 Millionen Euro erwirtschafte Rail gerade mal ein Siebtel dessen, was der Logistics-Bereich 2014 zum Konzerngewinn beisteuerte. Der Umsatz von DB Schenker Rail beträgt immerhin fast ein Drittel des Umsatzes der Schwestersparte. Aber dieser Abstand zwischen den beiden Sparten ist nicht neu. Im Konzern wertet man es schon als Fortschritt, dass es dem Management um DB-Schenker-Rail-Chef Alexander Hedderich gelungen ist, die jahrelang defizitäre Güterbahn aus den roten Zahlen zu holen. Denn der Markt gilt als äußerst schwierig, weshalb es europaweit kaum staatliche Güterbahnen gibt, die Gewinne machen. Noch nicht alle Synergien gehoben? Genau das war einer der Gründe, warum die DB 2002 unter ihrem damaligen Chef Hartmut Mehdorn die Spedition Schenker gekauft hat. Schenker sollte dem Schienengüterverkehr behilflich sein, die Verlustzone zu verlassen. Auf zwei Maßnahmen ruhten dabei besonders große Hoffnungen: die Verlagerung von Transporten von der Straße auf die Schiene und die Expansion des Schienengüterverkehrs ins Ausland, denn einen europäischen Vertriebsarm gab es damals bei DB Cargo nicht. Diese Strategie der gegenseitigen Befruchtung ist nach Aussagen von Marktbeobachtern nicht gescheitert. Die DB nennt auf Anfrage auch Beispiele: "Da, wo es gemeinsame Geschäfte und Kunden gibt - zum Beispiel im Bereich Automotive und Intermodal - arbeiten DB Schenker Rail und DB Schenker Logistics schon seit Längerem enger zusammen." Doch viele Marktkenner vertreten die Ansicht, dass hier mehr Synergien gehoben werden könnten (siehe Interview Seite 24). Als Hürde ist im Markt immer wieder zu hören, dass beide Seiten eine stärkere Verflechtung der Geschäfte mit Argwohn betrachten. Ein weiteres Manko, mit dem alle Güterbahnen in Europa zu kämpfen haben: In dem wichtigsten, da wachstumsstärksten Marktsegment, dem Kombinierten Verkehr, haben sie deutliche Vertriebsschwächen. Hier tummeln sich zahlreiche Operateure, die den direkten Kontakt zu den Kunden halten. Damit sind die Güterbahnen auf die Arbeit der Operateure angewiesen - ein Manko im Vergleich zu einem Direktvertrieb, bei dem die Bahnen direkt mit den Kunden sprechen. Bleibt die Frage: Wie geht es mit dem nach eigenen Angaben weltweit zweitgrößten Logistikkonzern weiter? Kommt es mit dem Ausscheiden von Lieb und Rausch zu strukturellen Veränderungen? Muss DB Schenker Logistics befürchten, dass es künftig von einem Bahn-Manager geführt wird, der das globale Logistikgeschäft nicht kennt? Für Monning wäre dies der Anfang vom Ende. Der frühere Schenker-BTL-Deutschland-Chef wörtlich: "Dann ist DB Schenker in acht, neun Jahren bei Null." Grund dafür sei: "Die Zentralen der Bahn wissen nur unzureichend, wie Schenker tickt, wie, wo und warum dort Geld verdient wird. Ein weltweit aufgestellter Logistikdienstleister ist etwas anderes als ein nationales Schienennetzwerk mit einigen Satelliten und ein Schenker-Niederlassungsleiter ist kein Bahnhofsvorsteher." Eine engere Verzahnung der beiden Sparten DB Schenker Logistics und DB Schenker Rail betrachtet Monning dagegen als sinnvoll. Es gibt aber auch Marktbeobachter, die eine engere Koppelung an den Bahnvorstand befürworten. Sie verweisen auf das Modell zu Zeiten Mehdorns. Damals war Bernd Malmström im Vorstand der DB für die Gütersparte verantwortlich. An ihn berichtete ein Kreis an Spitzenmanagern, darunter auch Lieb, der damalige Schenker-Rail-Vorstand Klaus Kremper sowie weitere Bereichsleiter (Finanzen, IT etc.). Somit tagten auf oberster Führungsebene beide Sparten gemeinsam in einem Gremium. Fragt man bei DB Schenker nach, ob denn DB Schenker Rail und DB Schenker Logistics auf operativer Ebene enger zusammengeführt werden sollen, erhält man die Antwort: "Dort, wo es gemeinsame Geschäfte gibt, arbeiten wir seit Längerem auch operativ enger zusammen. Das ist aber nicht neu und zurzeit sind keine neuen Maßnahmen geplant." Diejenigen, die von einer engeren Zusammenarbeit neue Impulse für beide Bereiche erwarten, werden ob dieser Antwort eher enttäuscht sein. Diejenigen, die in einer engeren Verzahnung vor allem einen Nachteil für DB Schenker Logistics sehen, dürften eher erfreut sein. Verkauf ist keine Option Und welchen Rat würde Unternehmensberater Monning Bahn-Chef Grube auf den Weg geben? Da zögert Monning etwas und sagt: "Ein Rat steht mir nicht zu. Einen Wunsch aber habe ich: Rüdiger Grube möge exzellente Nachfolger für Karl-Friedrich Rausch und Thomas Lieb finden, die aus der Praxis kommen, das Geschäft kennen und durchsetzungsfähig sind. Die sollte er stützen und vor allem machen lassen". Was auch immer Deutsche-Bahn-Chef Rüdiger Grube unternimmt, eines macht er offenbar nicht: DB Schenker Logistics wieder verkaufen. Zumindest schloss er eine solche Option auf Anfrage der VerkehrsRundschau vergangene Woche auf der Bilanzpressekonferenz aus. Die Bilanzen der DB-Schenker-Sparten Bilanz mit Licht und Schatten Die Deutsche Bahn konnte auf ihrer Bilanz-PK Wachstum in fast allen Bereichen des Güterverkehrs vermelden. Doch so positiv, wie die Zahlen auf den ersten Blick erscheinen, fällt das Ergebnis dann doch nicht aus.- DB Schenker Logistics: LandverkehrZwar stiegen die Sendungen im Landverkehr 2014 um 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch der Gesamtumsatz stagnierte bei 6362 Millionen (Mio.) Euro. Das bereinigte EBIT nahm leicht um 4,3 Prozent zu. Mit 96 Mio. Euro ist das Ergebnis im Vergleich zum Umsatz jedoch sehr überschaubar.- DB Schenker Logistics: Luft-SeefrachtDas Seefrachtvolumen (gemessen in 20-Fußcontainer) nahm 2014 um 4,9 Prozent zu, das in der Luftfracht (gemessen in Tonnen) um 1,8 Prozent. Der Umsatz (insgesamt: 6550 Mio. Euro) war in beiden Sparten um 1,5 Prozent rückläufig. Immerhin stieg das EBIT im Vergleich zum Vorjahr um 5,2 Prozent (+10 Mio. Euro) auf 202 Mio. Euro.- DB Schenker KontraktlogistikIn dieser Sparte wurde mit +10, 3 Prozent der größte Umsatzzuwachs erzielt. Aber die Ergebnisentwicklung konnte mit +2,6 Prozent nicht annähernd Schritt halten. Bei insgesamt 2030 Mio. Euro Umsatz wurde ein Ergebnis in Höhe von 79 Mio. Euro erwirtschaftet.- DB Schenker RailBeeinträchtigt wurde das letzte Jahr durch den Streik und das Sturmtief Ela. Finanzvorstand Richard Lutz bezifferte alleine die Streikfolgen auf 50 Mio. Euro, um die das Ergebnis von DB Schenker Rail vermindert wurde. Es lag bei 46 Mio. Euro nach 57 Mio. Euro im Vorjahr. Der Umsatz betrug 4863 Mio. Euro (+0,4 Prozent). Die Verkehrsleistung war um 1,3 Prozent rückläufig. Damit hatte die DB stärker verloren als ihre Wettbewerber. Der Marktanteil von DB Schenker Rail in Europa ging von 25,2 auf 24,3 Prozent zurück. cd Kommentar Jetzt ist Grube gefragt Zahlen lügen nicht. Aber wie man Zahlen interpretiert, da gibt es immer einen großen Spielraum. Deshalb kann man die Bilanz, die DB-Chef Rüdiger Grube letzte Woche für die Gütersparte vorgelegt hat, auch unterschiedlich auslegen. Zwischen"Krise" und "alles doch im Rahmen der Marktentwicklung" liegt die Bandbreite, je nachdem, welche Vergleiche man heranzieht. Entsprechend dringlich (oder eben nicht dringlich) kann man auch den Handlungsbedarf für Grube einschätzen.Ganz anders sieht das bei den Personalien aus: Mit Karl-Friedrich Rausch geht der oberste Logistikchef im DB-Konzern zum Jahresende. Aber auch die Leitung des wichtigen Geschäftsfeldes DB Schenker Logistics ist nach dem Abgang von Thomas Lieb verwaist. Die Branche, die Kunden, aber auch die Mitarbeiter werden hier ganz genau hingucken, wie Grube mit diesen Baustellen umgeht und wer diese Positionen einnehmen wird. Beerbt nach Norbert Bensel (ursprünglich DB-Vorstand Personal) und Karl-Friedrich Rausch (ursprünglich DB Vorstand Technik und DB Vorstand Personenverkehr) wieder jemand die Position als Vorstand Transport und Logistik, der kein (globaler) Logistikexperte ist, der noch nicht mal aus dem Schienengüterverkehr kommt? Keine Frage, auch ein branchenfremder Top-Manager kann hier gute Arbeit leisten. Dennoch würde er intern und extern mit großen Vorbehalten zu kämpfen haben.Kontakt: michael.cordes@springer.com Michael Cordes Redakteur

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