Tanzen statt schmieren

Die alten Hasen kennen es vielleicht noch aus ihrer Ausbildung: "Ab in die Grube und abschmieren!" Dieser Job gehörte sicher zu den unangenehmsten Aufgaben im Alltag eines Lkw-Transporteurs. Darum arbeiteten die Fahrzeug- und Komponentenhersteller in den letzten Jahren verstärkt daran, Schmierpunkte zu reduzieren und Schmier- und Ölwechselintervalle auszudehnen. Einzig die Sattelplatten (und ab und an die Maulkupplungen) bekommen immer noch regelmäßig ihr Fett weg. Doch auch hier hat es sich bald "ausgeschmiert". Markus Heuser, Director Global Marketing Communications bei SAF Holland, glaubt, dass das Schmieren der Sattelplatte bald Vergangenheit sein wird - Stichwort "No- Lube", also "Schmierfrei-Technologie": "Die No-Lube-Technologie ist inzwischen bei zwei Nutzfahrzeugherstellern in Serie ab Werk verfügbar. Wir sind dabei, No- Lube auch bei den anderen europäischen Herstellern zu etablieren. Es gibt viele interessierte Kunden, die No-Lube gerade testen." Allerdings räumt Heuser auch ein, dass noch nicht abschließend beurteilt werden kann, wie sich die Technologie etablieren wird. "Durch die zunehmenden Umweltanforderungen gehen wir aber davon aus, dass diese Technik zusätzlichen Auftrieb erhalten und sich schlussendlich im Markt durchsetzen wird." Sattelfett und der Umweltgedanke Ähnlich beurteilt die Situation Jost-Pressesprecher Andreas Lubitz: "Man muss sehen, dass immer minimale Spuren vom Fett der Sattelplatte in die Umwelt gelangen. Das war einer der Hauptgründe zur Entwicklung der Lube-Tronic 5Point von Jost, die das Abschmieren der Platte automatisiert." Als erster Lkw-Hersteller rüstete MAN seine Baureihen bereits seit März 2011 serienmäßig damit aus. Die Lube-Tronic 5Point ist eine integrierte Schmieranlage für Standard-Sattelkupplungen, die nicht nur den Verschlusshaken, sondern auch die Sattelkupplungsplatte automatisch mit Fett versorgt. Da es am Lkw außer der Sattelplatte keine weiteren Schmierstellen mehr gibt, kann sich MAN damit auch die separate Zentralschmieranlage sparen. Die Lube-Tronic 5Point besteht aus Steuereinheit, Fettvorratsbehälter und fünf Schmierdüsen, die neben dem Verschlusshaken auch die Sattelplatte mit Fett versorgen. Das komplette System ist geschützt unterhalb der Sattelplatte in die Kupplung integriert und wird über das CAN-Bus-System der Bordelektrik mit Strom versorgt. Eine elektronische Regelung soll die abgegebene Fettmenge exakt in regelmäßigen Abständen dosieren. Über die Elektronik hinterlegt Jost auch spezielle Schmierprogramme. Gern geordert wird das System laut Lubitz bei den Fahrzeugkombinationen, die selten oder nie getrennt werden: den Tank- und Silo- sowie temperaturgeführten Transporten. Für Verkehre dieser Art soll der Sattelkupplung eine geringe Fettmenge pro Schmierintervall genügen. Die elektronisch geregelte Dosierung stellt sicher, dass immer ausreichend, aber nicht zu viel Fett auf der Sattelplatte und dem Verschlusshaken ist. Das spart Fett und schont die Umwelt. Für Fahrzeuge im Baustelleneinsatz oder im Nahverkehr mit häufigem Umsatteln sieht das voreingestellte Programm eine höhere Menge vor. Der Fettvorrat in der Schmierpatrone an der Kupplung soll für rund zwölf Monate genügen, kann laut Lubitz in der Praxis aber deutlich länger reichen. Eine Anzeige im Instrumentenfeld meldet dem Fahrer, wann man Fett nachfüllen muss, was klassisch über einen Schmiernippel erfolgt. Ähnlich aufgebaut ist das System für die Rockinger-Anhängekupplungen. Dort heißt es LubeTronic AK und wird via integrierter Batterie versorgt. So kann man es auch nachrüsten und spart die Stromversorgung vom Fahrzeug sowie sonstige Anschlüsse. Die LubeTronic AK soll die Anhängekupplung bis zu 18 Monate lang in regelmäßigen Abständen und mit konstant gleicher Menge eines Spezialöls versorgen, welches auf das vorhandene Schmierfett in der Kupplung abgestimmt ist und es ergänzt. Das Schmiermittel soll Temperaturen von minus 30 bis plus 60 Grad Celsius abkönnen. Für die Nachfüllung der Lube-Tronic bietet Jost den vollsynthetischen Hochleistungsschmierstoff in Kartuschen oder im 30-Kilo-Fass, ausreichend für 35 Befüllungen, an. Das Spezialfett soll auch besonders gut an allen Metalloberflächen haften. An die Entwicklung erinnert sich Jost Marketing-Leiter Holger Koch noch gut zurück: "Als wir damals ein Fett suchten, das sich speziell für das Schmieren der Sattelplatte eignet, fanden wir keines, das unserer Meinung nach wirklich optimal war. Also haben wir uns selbst hingestellt und experimentiert, bis wir etwas hatten, das den harten Sattelplattenalltag wirklich gut abkonnte. Und das, ohne dass man Unmengen davon auf die Platte schmieren musste." Entsprechend schreibt Jost seinen eigenen Hochleistungsschmierstoff zum Nachfüllen der Lube-Tronic 5Point vor. Alternativ bieten Jost, SAF-Holland oder Orlandi auch Sattelplatten mit sogenannten Verschleißplatten an, die gar keine Schmierung benötigen. Allerdings warnt Heuser von SAF, dass die Gleitplatten einem gewissen Verschleiß unterliegen und "bei Erreichen der Verschleißgrenze gemäß der Betriebsanleitung gewechselt werden müssen." Die einstigen Kritikpunkte aus der Praxis, nämlich die Bruchgefährdung bei extrem rohem Aufsatteln sowie vergleichsweise hohe Ersatzpreise, haben sich laut Heuser und Lubitz in den letzten Jahren nivelliert. Sollte man doch noch von Hand schmieren müssen, bietet der Zubehörhandel immer noch den klassischen Fetteimer der Klasse zwei an. Doch der wird seltener werden, wie Heuser von SAF vermutet: "Ich glaube, dass es sich eines Tages ausgeschmiert hat!"

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