Frankfurt/Main. Ausgelöst durch die Corona-Krise hat sich an den Ölmärkten historisch Einmaliges ereignet. Der Preis für US-Rohöl der Sorte WTI ist am Montagabend zum ersten Mal in der Geschichte ins Negative gedreht. Das Phänomen steht für die zuletzt dramatische Entwicklung am Rohölmarkt. Eine Trendwende ist angesichts der krisenbedingt zusammengebrochenen Nachfrage und der immer noch hohen Förderung aber nicht zu erwarten.
Warum stehen die Ölpreise so stark unter Druck?
Experten verweisen auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. In vielen Ländern der Welt droht die Wirtschaft in eine schwere Rezession zu rutschen. Dies dämpft die Nachfrage nach Rohöl. So ist der Flugverkehr fast zum Erliegen gekommen. Dort werden normalerweise große Mengen an Rohöl in Form von Kerosin verbraucht. Hinzu kommt, dass die Lager schon vor der Krise angesichts der hohen Förderung sehr gut gefüllt waren. Die Mitglieder des Ölkartells Opec und verbündete Länder wie Russland hatten sich lange nicht auf eine Beschränkung der Förderung einigen können. Die zuletzt doch noch erreichten Vereinbarungen werden angesichts des starken Nachfrageausfalls von Experten nur als halbherzig angesehen.
Wie können Ölpreise überhaupt negativ werden?
Der negative Ölpreis für WTI bezog sich auf den Terminkontrakt für Mai. Dieser läuft an diesem Dienstag aus. Mit einem solchen Kontrakt verpflichtet sich ein Käufer, Rohöl zu einem bestimmten Termin zu erwerben. Derzeit will aber wegen der fehlenden Nachfrage kaum jemand Rohöl tatsächlich haben. Die Lagerung ist extrem teuer, da die Kapazitäten oftmals ausgeschöpft sind. Beispielsweise wird auch versucht, Rohöl auf sehr großen Öltankern zu parken. Offenbar waren Anleger in diesem Umfeld bereit, einen Preis für die Übernahme von Rohöl zu bezahlen.
Experten schließen aber auch eine Panne und technische Probleme angesichts des geringen Handels am Montagabend nicht aus. „Der späte Handel war ausgedünnt und anfällig für eine Manipulation, weil die meisten Broker ihren Kunden bei negativen Preisen wahrscheinlich keinen Handel gewähren können“, sagte Commerzbank-Rohstoffexperte Eugen Weinberg. „Man darf gespannt sein, ob die Börse den Handelsverlauf im Nachhinein revidiert.“
Bleiben die Ölpreise negativ?
Dies ist nicht zu erwarten. So liegt der Juni-Kontrakt für US-Rohöl derzeit bei 20 US-Dollar. Eine Erholung der Preise ist aber auch nicht in Sicht. Die weitere Entwicklung hängt vor allem vom Fortgang der Corona-Krise ab. Solange es in vielen Staaten der Welt starke Einschränkungen der Wirtschaft gibt, dürfte die Konjunktur kaum anziehen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet ein Schrumpfen der Weltwirtschaft in diesem Jahr um drei Prozent. Dies wäre die schwerste Rezession seit der großen Depression in den 1930er Jahren. Viele wichtige Branchen könnten sich auf längere Sicht nicht erholen. Dies gilt vor allem für den Reise- und Flugverkehr.
Wird Tanken jetzt noch billiger?
Der historische Ölpreisabsturz in den USA wirkt sich voraussichtlich nicht an deutschen Zapfsäulen aus. Die betroffene, in den USA relevante Ölsorte WTI ist nach Angaben des ADAC „nicht entscheidend für den deutschen Markt“. Hierzulande komme es vielmehr auf die Nordseesorte Brent an. Deren Preis liege derzeit oberhalb des Tiefs von Ende März. Auch der Mineralölwirtschaftsverband MWV verwies auf Brent als für Europa entscheidende Sorte. Die aktuellen Preise seien „angemessen“, hieß es beim ADAC. Der MWV betonte, die gesunkenen Ölpreise seien an die Verbraucher weitergegeben worden. Der Preis an der Zapfsäule hänge zudem auch von anderen Faktoren als dem Ölpreis ab: Alleine Steuern machten bei Benzin 72 und bei Diesel 60 Prozent aus.
Was sind die Auswirkungen auf die US-Ölbranche?
Die USA haben mit Hilfe der Fracking-Methode ihre Förderung in den vergangenen Jahren deutlich ausgeweitet und sind so zu einem der wichtigsten Ölförderländer der Welt geworden. Bereits vor dem Absturz am Montagabend wurde die US-Ölindustrie durch die niedrigen Preise schwer belastet. Es sind bereits zahlreiche Arbeitsplätze im Ölsektor verloren gegangen. Hinzu kommt, dass die zumeist mittelständischen Ölunternehmen stark verschuldet und ihre Geldgeber oft amerikanische Banken sind. Fallen jetzt reihenweise Kredite aus, dürfte das den US-Finanzsektor ebenfalls stark belasten. (dpa)