Die seit einem Monat auf der südhessischen Autobahnraststätte Gräfenhausen streikenden Lastwagenfahrer fordern über eine halbe Millionen Euro von ihrem Spediteur. Die Gesamtsumme belaufe sich auf 543.002 Euro, sagte der niederländische Gewerkschafter Edwin Atema von der europäischen Transportarbeitergewerkschaft. Am vergangenen Wochenende hatten die knapp 120 Fahrer Atema zum Verhandlungsführer gewählt. Er hatte bereits im April Fahrer desselben polnischen Speditionsunternehmens vertreten. Damals erhielten die Fahrer nach fast sechswöchigem Streik ihren ausstehenden Lohn.
Einige der Fahrer aus Georgien, Usbekistan, Kasachstan und anderen zentralasiatischen Republiken sagen, sie hätten seit fünf Monaten keinen Lohn ausgezahlt bekommen. Die Fahrer verdienten so wenig, "dass sie nicht einmal ihre Familien ernähren können, kein Geld haben, um einen Euro für einen Toilettengang auf einem deutschen Parkplatz auszugeben, sich wie Sklaven behandelt fühlen" und für alle unternehmerischen und wirtschaftlichen Risiken Lohnabzüge erhielten, hieß es am Freitag in einer Stellungnahme des DGB Hessen-Thüringen.
Während des Streiks im April hatten die Fahrer Petitionen an die Kunden der Spedition geschickt und auf die Bedingungen hingewiesen, unter denen sie arbeiten: Abgesehen vom ausstehenden Lohn lebten sie wie auch die nun Streikenden monatelang in den Fahrerkabinen. Die Zusammenarbeit mit der Spedition hätten die Unternehmen offenbar nicht eingestellt, hieß es am Freitag. Die Gewerkschaften sehen hierin eine Verletzung der Anforderungen des Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetzes.
"Damit wird deutlich, welche Missstände im internationalen Fern- und Güterverkehr auf Deutschlands Straßen jeden Tag vorherrschen", sagte Renate Sternatz vom DGB Hessen-Thüringen. "Es ist ein Skandal, wenn EU-weite Vorschriften und deutsche Gesetze massiv missachtet und die Fahrer systematisch ausgebeutet werden."
"Einige kleine Unternehmen, deren Waren noch in Gräfenhausen stehen, kontaktieren uns jetzt und bitten die Fahrer um Hilfe, um die Situation zu beenden", sagte Atema. Einige dieser Unternehmen hätten sogar erklärt, dass sie bereit sein, die Fahrer zu bezahlen. "Von den großen Fischen, die die wirkliche Macht haben, die Situation zu lösen, haben die Fahrer nichts gehört", sagte Atema.