Steigende Ansprüche und neue Ideen

Das Thema Baulogistik fristet ein Schattendasein. Zumindest im Vergleich zu Logistikthemen in der Automobilindustrie oder im Handel. Deren Themen dürfen auf keinem großen Logistikkongress fehlen: Aber Baulogistik? Im Programm großer Veranstaltungen sucht man danach zumeist vergeblich. Zu Unrecht, und das gleich aus mehreren Gründen. Zum einen sollte man die Bedeutung der Branche nicht unterschätzen. Der Bereich "Erze, Steine und Erden, Bergbau" ist der Sektor mit dem höchsten Transportaufkommen in Deutschland (Anteil am gesamten Aufkommen 2015: 25,8 Prozent). Bei der aussagekräftigeren Verkehrsleistung ist der Anteil mit 8,4 Prozent im Jahr 2015 zwar nicht so hoch, aber durchaus bedeutsam. Der geringere Anteil lässt sich damit erklären, dass Güter in der Bauwirtschaft vorwiegend im Nah- und Regionalverkehr transportiert werden. Die 8,4 Prozent sind auch deshalb ein beachtlicher Wert, weil der Branche auch noch Anteile der ebenfalls bedeutsamen Rubrik "Sekundärrohstoffe, Abfälle" zuzuschlagen sind. Ein wachsender Markt Ein weiterer Grund, warum der Sektor nicht unterschätzt werden sollte: Es handelt sich um einen wachsenden Markt. Zum einen investiert der Staat viel in die Infrastruktur. Das lässt sich an den gestiegenen Investitionen im Verkehrsetat ablesen. Zum anderen standen im Wohnungsbau die Zeichen schon vor dem Zuzug der Flüchtlinge auf Wachstum. Hier kommt eine zusätzliche Nachfrage in nicht unerheblichem Maße auf die Branche zu - und damit auch auf die Baulogistik und den Transport. Mengenmäßig tut sich also einiges in dem Markt. Aber auch bei den Prozessen ist Bewegung. "Der Druck auf die Bauunternehmen nimmt zu. Sie müssen stärker auf die Kosten achten. Dazu gehört, dass ein Bau rechtzeitig fertig wird, da jeder zusätzliche Tag eine hohe Summe an Geld verschlingt", sagt Joseph Dörmann, beim Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik für das Thema Baulogistik zuständig. Somit gewinnt das Thema Digitalisierung im Bau an Bedeutung. Ein Beispiel ist die Online-Avisierung von Lkw: "Die hat sich mittlerweile durchgesetzt und kommt auf immer mehr Großbaustellen in Großstädten zum Einsatz", sagt Dörmann. "Das hat nicht nur logistische Gründe. Die Baustellenleitung will auch wissen, welche Personen sich wo auf der Baustelle befinden, um zu verhindern, dass Unbefugte sich dort aufhalten", sagt Roy Janusziak, Geschäftsführer der CPC Baulogistik in Berlin, ein Unternehmen, das sich mit der Planung und Betreuung aller Bewegungsströme auf Baustellen befasst. Mittlerweile ist es laut Janusziak so, dass es bei Großbaustellen eine Plattform wie auch in vielen Industriezweigen gibt, auf denen die Lieferanten und Dienstleister entsprechende Zeitfenster selbst buchen können, wann sie mit ihrer Ware die Baustelle beliefern wollen. Digitalisierung hält Einzug Das Thema "Digitalisierung" spielt aber auch in der Entsorgung eine immer wichtigere Rolle. "Die Dokumentationspflichten nehmen zu", sagt Dörmann. Es sei beispielsweise immer öfter notwendig, zu belegen, wohin welcher Abfall verbracht werde. Gerade auf Baustellen in Innenstädten würde dieses Thema an Bedeutung gewinnen, weil die Zahl der Renovierungen zunähme und dabei viel Abfall und Bauschutt anfalle. "Hier sind Lösungen gefragt wie der digitale Container, der mit einer entsprechenden Sensorik ausgestattet ist, die dem Entsorger mitteilt, wann der Container voll ist." Dörmann sieht Entsorger und Dienstleister in der Pflicht, entsprechende Systeme anzubieten und aufzubauen. "Gerade dort, wo es wenig Platz gibt, wo die Abläufe eng getaktet sind, sind solche Systeme hilfreich", so Dörmann. Zumal die Sensor-Technik mittlerweile so preiswert sei, dass es sich auch lohnen würde, solche Systeme zu installieren. Zentrales Hub als Zwischenlager Aber die Dokumentation spielt auch bei der Belieferung der Baustelle eine immer wichtigere Rolle. Hier sind die On-Site-Container (siehe Kasten) eine mögliche Lösung. Das System kann nicht nur die Anlieferung für die Handwerker erleichtern, sondern hat zudem den Vorteil, dass dokumentiert werden kann, wer welches Material in welchem Umfang genutzt hat. Innerstädtische Baustellen sind aber in der Regel nicht nur räumlich beschränkt. Auch die Anlieferung ist häufig problematisch. Das Umfeld fühlt sich nicht nur durch Lärm und Staub auf der Baustelle selbst, sondern zudem durch die An- und Abfahrt der Baustellenfahrzeuge belästigt. So berichtet Baulogistikexperte Janusziak von innerstädtischen Baustellen, für die ein zentrales Hub für die Belieferung eingerichtet wird. Diese Hubs funktionieren als Zwischenlager, wo lagerfähiges Material angeliefert wird, oder auch als Parkplatz für Fahrzeuge. Die Belieferung der Baustelle erfolgt dann quasi auf Zuruf. "Das hat den Vorteil, dass die Baustelle nicht durch Fahrzeuge, die zu früh kommen, blockiert wird. Oder die Fahrzeuge müssen sich im Umfeld der Baustelle aufhalten und behindern somit den Verkehr in der Stadt", sagt Janusziak. Die Organisation der Prozesse bei der Verund Entsorgung von Baustellen gewinnt also nicht nur an Bedeutung, sondern wird auch komplexer. Doch dass es mal soweit kommt wie in der Automobilindustrie und Logistikdienstleister die Lieferung bis ans Band übernehmen und dann sogar noch Montagetätigkeiten ausüben, das erscheint wenig wahrscheinlich. "Im Unterschied zur Autofabrik ist jede Baustelle anders. Da gibt es keine wiederkehrenden Prozesse, was die Baulogistik deutlich von der Automobillogistik unterscheidet", so Janusziak. Ein zweiter Grund sind rechtliche Aspekte: "Dass Baulogistiker Bauleistungen erbringen, ist haftungstechnisch nicht vorstellbar", wendet Dörmann ein. Deshalb würden Spediteure auch nie so sehr in die Logistikketten der Bauwirtschaft integriert, wie das bei ihren Kollegen in der Automobilindustrie der Fall sei. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Baulogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Last-Mile-Logistik auf den Baustellen Die Paketboxen der Kep-Branche als Vorbild Wer an Baustellenlogistik denkt, dem fällt die Belieferung mit Zement, Stahlgerüsten, Betonplatten oder Aushub ein. Doch auf Baustellen sind zahlreiche Handwerker aus verschiedenen Gewerken aktiv, die Unmengen an Kleinteilen benötigen: Dübel, Bohrer, Kabel etc. Wenn der Handwerker diese Materialien, die häufig einen Beschaffungswert von unter zwei Euro haben, selbst besorgt, nutzt er seine kostbare Zeit für Nebentätigkeiten. Kleinteillieferungen an die Baustelle sind zwar formell möglich, gestalten sich aber in der Praxis meist kompliziert.Deshalb wurde im Forschungsvorhaben "Minimalinvasive Baumaßnahmen" ein System entwickelt, mit dem der Nachschub effizient sichergestellt wird. "Wenn Handwerker die Kleinteile selber holen müssen, ist das neben den Stillstandszeiten ein Aufwand, der in keinem Verhältnis zum Materialwert steht", sagt Thorsten Hebrock, Abteilungsleiter Export bei Sonepar. Deshalb hat sich Sonepar bei der Entwicklung des sogenannten On-Site-Containers engagiert. Darin gibt es verschließbare Boxen, in denen die erforderlichen Kleinteile liegen. Ein Handwerker erhält über einen Code Zugang zum Container, der auf einem zentralen Platz der Großbaustelle steht. Über einen Pin kann er dann die Box öffnen und die gewünschten Teile entnehmen. "Unsere Zentrale ist mit dem Container verbunden und erfährt so in Echtzeit, wer wann wie viele Kleinteile entnommen hat", sagt Hebrock. Bei der täglichen Belieferung des Containers mit Nachschub kann Sonepar dann die fehlenden Teile wieder auffüllen.Die Bestückung der Fächer stimmt das Unternehmen auch mit dem Bauleiter ab. Der weiß, wie viele Handwerker gerade in welchem Bauabschnitt tätig sind, sodass der tägliche Bedarf plus eine Reserve vorgehalten wird. Fünf solcher Container hat Sonepar bereits auf Baustellen getestet. Die Erfahrungen waren gut, sodass in diesem Jahr zehn weitere auf Baustellen platziert werden sollen. cd