Solas in der Praxis

In ihren größten Albträumen sahen Reeder, Hafenbetreiber und Speditionen Containerberge, die sich in den Häfen stapeln, weil das Containergewicht nicht rechtzeitig übermittelt wurde. Befürchtet wurden kilometerlange Staus vor den wenigen Waagen in den Häfen, wenn die Spediteure in letzter Sekunde noch das transportierte Gewicht wissen wollten. Nichts von alledem ist passiert. Seit dem 1. Juli 2016 dürfen Container nur noch auf Schiffe verladen werden, wenn der Verlader oder der beauftragte Spediteur (Shipper) der Reederei das Ladegewicht der Container, die verifizierte Bruttomasse (Verified Gross Mass, VGM), rechtzeitig vor der Verladeplanung mitteilt (siehe VR24/2016). Geschieht das nicht, bleibt der Container auf dem Terminal stehen. Zumindest theoretisch. Wenig auffällige Besonderheiten Wie viele Container es letztlich schon erwischt hat, ist nicht zu ermitteln, da es dazu unterschiedliche Aussagen gibt. Bei DB Schenker seien vereinzelt Fälle bekannt, so ein Sprecher des Logistikunternehmens, in denen Container nicht an Bord eines Schiffes verladen wurden, weil das VGM nicht vorgelegen habe. Und eine nachträgliche Verwiegung vor Ort zur VGM-Ermittlung sei aufwendig, so der Schenker-Mann, da es in den Häfen in Hamburg und Bremerhaven keine Verwiegeoptionen gebe und die Containerverwiegung daher außerhalb der Terminalgrenzen erfolge. Iven Krämer vom Referat für Hafenwirtschaft und Schifffahrt in Bremen hat hingegen festgestellt, dass Solas-Neuregelungen bisher zu keinen auffälligen Besonderheiten geführt haben. Man habe auch nichts anderes erwartet. "Wir waren verschiedentlich sogar ein bisschen verwundert über so manche Verunsicherung im Vorfeld", sagt Krämer. Schließlich habe es immer schon Veränderungen im Regelwerk gegeben, auf die Häfen und die Beteiligten reagieren mussten. Europaweit sieht es ähnlich aus. Die europäische Verladerorganisation European Shippers' Council meldet einen reibungslosen Solas-Auftakt. Allerdings läuft die Einführungsphase noch bis Oktober. Die International Maritime Organisation (IMO) hat ihren Mitgliedsländern empfohlen, in einer Übergangsphase von drei Monaten nach der Einführung die neuen Solas-Kontrollen großzügig zu handhaben. "Ob sich nach Ende der Einführungsphase ab Oktober daran etwas ändern wird, bleibt abzuwarten", sagt Thomas Schröder, Referatsleiter vom Verein Hamburger Spediteure. In Deutschland haben die unter der Deutschen Flagge zusammengefassten Behörden schon im Vorfeld betont, dass zunächst nur kontrolliert werde, ob die VGM vorliegt. Ein stichprobenhaftes Nachwiegen wird erst später stattfinden. Spediteure haben frühzeitig informiert Dass es bisher keine größeren Probleme bei der Umsetzung gab, sei sicherlich auch ein Verdienst der Spediteure, meint Schröder. Diese hätten ihre Kunden im Vorfeld ausführlich informiert und "in der Anfangsphase den einen oder anderen Akteur mit verstärktem Einsatz die Verladung gerettet", ist er überzeugt. Seit Anfang des Jahres informierte etwa die Freiburger Streck Transportgesellschaft ihre Kunden über Solas. Dadurch habe es noch keinen Container gegeben, bei dem die VGM nicht rechtzeitig übermittelt werden konnte, stellt Seefracht-Leiter Roland Steinebrunner fest. Allerdings hätten sich einige Inlandsdepots erst relativ spät entschieden, automatische Waagen zu kaufen. "Damit gab es teilweise Verzögerungen", sagt er. Inzwischen gebe es aber genug Einrichtungen zum Wiegen. Das Verpackungs- und Containerhandling-Unternehmen AKF Siemers hat in Hamburg eigens eine Reach-Stacker-Waage angeschafft, um rund 500 Container im Monat wiegen zu können. Auch hier von Chaos keine Spur. "Wir haben deutlich weniger Container, die auf den letzten Drücker zum Wiegen kommen, als wir erwartet haben", sagt Wolfgang Mengel, Technischer Leiter der Projektabwicklung bei AKF. Ohnehin scheint sich herauszukristallisieren, dass die meisten Firmen das Gewicht nach der sogenannten Berechnungs-Methode 2 (siehe Kasten oben) ermitteln. In den ersten sechs Wochen nach dem Start von Solas liege diese Variante bei den Mitgliedsfirmen deutlich vorne, stellt der Verein Hamburger Spediteure fest. "Insofern bewahrheitet sich unsere Vermutung, dass in der Praxis aufgrund der eingeschränkten Wiegemöglichkeiten in der Fläche und den damit verbundenen Kosten die Methode 2 eine herausragende Stellung in Deutschland einnehmen wird", sagt Schröder. Dass diese Methode sinnvoll ist, kann Steinebrunner bestätigen. Probleme gebe es vor allem dann, wenn vom Kunden fertig gepackte Container im Hafen noch gewogen werden müssten. Nicht ganz so reibungslos scheint es im Ausland zu laufen. Das US-amerikanische Fachmagazin JOC meldete unlängst, dass Kühne + Nagel bei fast jedem zweiten Container, den das Unternehmen in China übernahm, Informationen fehlten. Das reiche von der fehlenden VGM bis zur nicht vorhandenen Unterschrift des Versenders. Für jeden dieser Container müsse Kühne + Nagel die Informationen nachträglich einholen. Streitpunkt sind die Kosten Ein Streitpunkt sind weltweit die durch Solas entstehenden Kosten. "Der größte Kostenblock bei den Spediteuren war sicherlich die Schaffung einer entsprechenden IT-Umgebung, um nicht nur die VGM-Informationen der Auftraggeber empfangen und verarbeiten, sondern die VGM-Informationen anschließend auch an die Reedereien übertragen zu können", sagt Schröder. Das kann Seefracht-Leiter Steinebrenner bestätigen. Der Aufwand sei enorm gewesen. Die meisten IT-Systeme seien nicht rechtzeitig einsetzbar gewesen. Zudem würden Plattformen für die Übermittlung der zusätzlichen VGM-Daten zu Reedern auf einmal Geld verlangen. "Bisher waren diese Leistungen für die Spediteure stets kostenfrei", moniert er. Auch international sind die VGM-Gebühren zum Zankapfel geworden. Die Spediteursvereinigung Hong Kong Shippers Council hat ihre Mitglieder sogar aufgerufen, die VGM-Gebühren komplett zurückzuweisen. Laut Schröder haben die meisten Reedereien ihre anfänglichen Schwierigkeiten mit der Datenverarbeitung mittlerweile in den Griff bekommen. Die Spediteure können die VGM-Informationen in der Regel elektronisch übermitteln. Nur die Sicherheit, die hat künftig einen höheren Preis. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Seefracht" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Was Ist Solas? Das internationale Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (International Convention for the Safety of Life at Sea - Solas) soll die Sicherheit auf See erhöhen. Durch die frühzeitige Kenntnis der Containergewichte sollen die Reeder die Beladung ihrer Schiffe besser planen können. Das soll Überladungen und Ungleichgewichte vermeiden. Letztlich sollen somit auch Ladungsverluste bei Seecontainern verhindert werden. ah Methoden So ermitteln Sie das Gewicht der Container nach Solas In Deutschland sind zwei Methoden für die Ermittlung der verifizierten Bruttomasse (VGM) zulässig:- Methode 1: WiegenDabei wird der vollständig gepackte und versiegelte Container auf einer Wiegestation gewogen. Der Container darf auch auf einem Fahrzeug gewogen werden. Das Fahrzeuggewicht und das Gewicht des Tankinhalts werden abgezogen.- Methode 2: BerechnenDie Versandgüter für den Container werden einzeln gewogen; die Gewichte aufaddiert. Dann wird das Eigengewicht des Containers sowie das Gewicht der Paletten, Stau-, Verpackungs- und Sicherungsmaterialien hinzugezählt. Für die Anwendung der Methode 2 muss der Versender zertifiziert sein. ah

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