Seit sieben Wochen kämpfen sie auf dem südhessischen Autobahnrastplatz Gräfenhausen um ihren Lohn: Lastwagenfahrer aus Georgien, Usbekistan, Tadschikistan, der Ukraine.
Sie alle fahren seit Monaten in Deutschland und anderen europäischen Staaten Aufträge für einen polnischen Speditionsunternehmer. Von ihrem Lohn bekamen sie teilweise seit Monaten nichts oder nur wenig zu sehen.
Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, seit Wochen keine Gespräche mehr
Die Fahrer fühlen sich betrogen. Der Unternehmer hingegen wirft ihnen Erpressung vor und hat Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt erstattet.
Er scheint auch davon auszugehen, dass alles weitere nun Sache der Justiz ist. Denn Gespräche mit den Streikenden oder ihrem Verhandlungsführer, dem niederländischen Gewerkschafter Edwin Atema, gibt es schon seit Wochen nicht mehr.
Dabei hatte es zunächst vielversprechend für die Fahrer ausgesehen, als vor sieben Wochen zunächst ein knappes Dutzend georgischer Fahrer Gräfenhausen ansteuerte - jenen Parkplatz, der im Frühjahr durch einen knapp sechswöchigen Streik von etwa 60 Fahrern bekanntgeworden war. Der Konflikt bestand mit demselben Unternehmer.
Zeitweise etwa 130 Fahrer, derzeit noch 90 auf der Raststätte
Diesmal gab es nicht nur direkte Gespräche zwischen dem Unternehmer und den Fahrern, es floss auch sehr bald Geld. „Es sieht aus, als hat er aus dem letzten Mal gelernt“, sagte Atema. Die ersten Lastwagenfahrer verließen Gräfenhausen daher schon nach wenigen Tagen.
Doch der Parkplatz füllte sich schon bald mit mehr Fahrern, die hofften, hier ebenfalls ihre Forderungen durchsetzen zu können. Zeitweise waren es etwa 130 Fahrer, und von der zunächst demonstrierten Zahlungsbereitschaft des Unternehmers war bald nichts mehr zu merken.
Wie damals verdeutlicht auch dieser Streik die prekären Bedingungen, unter denen insbesondere viele Fahrer aus Drittstaaten außerhalb der EU leben und arbeiten: Monatelang auf der Straße ohne Heimaturlaub, ohne eine Unterbringung außerhalb des Parkplatzes, ohne eine in Deutschland gültige Krankenversicherung, ohne den in Deutschland geltenden Mindestlohn.
Eine Reihe von Fahrern hat aufgegeben, doch knapp 90 sind entschlossen, so lange zu bleiben, bis sie ihr Geld erhalten haben.
Alltag im Streiklager, Hilfe vor Ort
Im Laufe der Wochen hat sich eine gewisse Routine in dem provisorischen Streiklager entwickelt. Mehrere zusätzliche Toiletten wurden organisiert, ebenso Fahrräder, um die Umgebung zu erkunden und vor allem einzukaufen.
Vor allem aber ist wieder die Hilfe von Gewerkschaften, Kirchen und Privatleuten angelaufen, die die Fahrer mit Lebensmitteln unterstützen oder als Wäschepaten deren Kleidung mitnehmen und gewaschen zurückbringen. „Ich kann euch Deutschen nur danken, dass ihr uns so helft“, sagt der Ukrainer Roman Koval. „Hier leben viele gute Menschen mit einem großen Herzen.“
Die erfahrene Solidarität ist immer wieder Thema bei Gesprächen mit den Fahrern, ebenso die Solidarität untereinander. „Hier steht einer für alle, und alle für einen“, versichert Fakhriddin Salimov.
„Auslösen“ von Ladung
Der Usbeke ist von den Fahrern zu ihrem „Buchhalter“ gewählt worden und hat die Finanzen im Blick: Die Summe von mehr als 500.000 Euro, die die Fahrer an ausstehendem Lohn fordern, aber auch die Verteilung von eingehendem Geld, wie den 20.000 Euro, die ein österreichischer Unternehmer am 1. September den Fahrern übergab.
Das wäre die Summe gewesen, die er dem polnischen Spediteur hätte zahlen müssen für den Transport der dringend benötigten Ladung, die er nun gewissermaßen in Gräfenhausen auslöste. Dabei versicherte er, für ihn seien die Fahrer „keine Kriminellen“.
Atema hofft nun, dass andere nachziehen, vor allem die Generalunternehmer. Und auch für die Fahrer ist dieses Signal ein Stück dringend benötigte Hoffnung. „Wir bleiben bis zum Ende“, versichert Georgi, einer der georgischen Fahrer, und verbessert sich schnell. „Bis zum Sieg.“