Verkehrsgerichtstag:Cannabis, MPU & Co

Mehr als 1900 Fachleute haben sich Ende Januar in Goslar getroffen, um sich über Themen des Verkehrsrechts und der Verkehrssicherheit auszutauschen. Der Verkehrsgerichtstag findet jährlich statt, im Jahr 2025 schon das 63. Mal. Der Kongress zählt zu den wichtigsten Treffen von Verkehrssicherheits- und Verkehrsrechtsexperten in Deutschland. In Arbeitskreisen bearbeiten Verkehrsrechts- und Staatsanwälte, Polizisten und Verbandsvertreter aktuelle Themen. Zum Abschluss geben sie Empfehlungen an die Politik. Diese wurden bisher immer wieder bei der Gesetzgebung berücksichtigt. Kontrollen: Fahrtüchtigkeitstest unter der Lupe Der Arbeitskreis 7 hat sich mit der Einführung sogenannter Standardisierter Fahrtüchtigkeitstest (SFT) bei Polizeikon-trollen beschäftigt. Ist dies sinnvoll und welche Voraussetzungen sollten erfüllt sein? Die Straßenverkehrsordnung erlaubt der Polizei präventiv und verdachtsunabhängig Verkehrskontrollen durchzuführen. Die Beamten dürfen dabei auch die Verkehrstüchtigkeit prüfen, etwa mit Alkoholtests. Harte Konsequenzen möglich Derzeit gibt es in einigen Bundesländern Pilotprojekte zu SFT. Die Beamten müssen darüber belehren, dass die Tests freiwillig sind. Es finden neben Fragen zur Gesundheit verschiedene Augen-, Bewegungs- und Koordinationstests statt. Problematisch sieht etwa die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein, dass Fahrern, die sich auf einen SFT einlassen, die Konsequenzen nicht ganz bewusst sein könnten. Denn je nach Ergebnis des Tests müssten sie mit Beschlagnahme des Führerscheins vor Ort rechnen sowie anschließender MPU oder dem Entzug der Fahrerlaubnis. Die Experten des Arbeitskreises sehen solche Tests als ein wertvolles Instrument. Sie empfehlen aber, dass die Polizisten einmal im Jahr qualifiziert zu schulen sind. Die Tests sollten zudem nicht anlasslos angewendet werden dürfen. Außerdem sollten die Fahrtüchtigkeitstests von der Beurteilung der Fahreignung getrennt sein. Null Toleranz für Mischkonsum In diesem Jahr waren acht Arbeitskreise am Start. Dabei ging es unter anderem um erste Erfahrungen im Verkehr nach der Cannabis-Teillegalisierung, was bei standardisierten Fahrtüchtigkeitstests durch die Polizei zu beachten ist und ob die Nutzung von Handys während der Fahrt unter Strafe zu stellen sein sollte. Ähnlich wie bei Alkohol mit der 0,5-Promille-Grenze gibt es seit Sommer 2024 auch eine Grenze für Cannabis. Sie liegt bei 3,5 Nanogramm THC je Milliliter Blut. Für Fahranfänger gilt eine Null-Toleranz-Regelung. Die Experten empfahlen etwa, auch Mischkonsum von Alkohol und Cannabis ganz zu verbieten. Derzeit gibt es Bußgelder bei Mischkonsum, wenn man beide Grenzwerte überschreitet. "Das sollte die nächste Bundesregierung unbedingt berücksichtigen - sofern der im letzten Jahr eingeführte THC-Grenzwert nicht abgeschafft werden sollte", so Stefan Grieger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verkehrssicherheitsrates. Auch bessere Testmethoden für die Polizei wären laut dem Arbeitskreis wichtig. Handyverbot: Neue "Todsünden" im Straßenverkehr? Das Strafgesetzbuch (StGB) stellt unter Paragraf 315c nicht nur Gefährdungen durch Alkohol im Straßenverkehr unter Strafe. Es nennt auch sieben grob verkehrswidrige und rücksichtslose Verhaltensweisen, die etwa im Falle eines Unfalls Folgen haben. "Die sogenannten Todsünden sind ein zentraler Baustein des Verkehrsrechts, um besonders große Gefährdungen von Leib und Leben mit dem scharfen Schwert des Strafrechts ahnden zu können", erklärt Stefan Grieger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verkehrssicherheitsrates. Wer zu schnell fährt, die Vorfahrt missachtet oder falsch überholt und damit andere gefährdet, der begeht eine dieser Sünden. Aber sind die im Strafgesetzbuch genannten Verhaltensweisen noch zeitgemäß? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Arbeitskreis 4 des Verkehrsgerichtstags. Die Experten kommen zu dem Ergebnis, dass der Paragraf nicht mehr ganz "die typischen Fehlverhaltensweisen" mit hohem Unfallrisiko abbildet. Sie empfehlen dem Gesetzgeber, diesen anzupassen. So sollten Fußgänger besser geschützt werden: Neben falschem Fahren an Zebrastreifen sollte das gleiche Delikt auch für Ampeln mit aufgenommen werden. Eingang ins Gesetz sollte zudem finden, wenn ein Fahrer den Vorrang von Fußgängern beim Abbiegen nicht beachtet. Als weitere neue Sünde empfiehlt der Arbeitskreis, das Nutzen elektronischer Geräte während der Fahrt mit in den Paragrafen aufzunehmen, wie etwa Smartphones. Unfälle mit Fußgängern im Fokus Ein weiteres Thema: Für Vorbereitungskurse zu Fahreignungstests, der sogenannten medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU), soll nach Meinung der Experten eine Positivliste erstellt werden. Sie sollte Anbieter auflisten, die sich an fachliche Standards halten. Damit sollen Betroffene vor unseriösen Angeboten und Abzocke geschützt werden. Außerdem beschäftigte sich ein Arbeitskreis mit Fußgängern. Um die Anzahl an Unfällen zu senken, empfahlen die Experten verschiedene Maßnahmen: unter anderem ein durchgängiges und barrierefreies Netz an Fußwegen sowie voneinander getrennte Fuß- und Radwege und mehr Ampel- und Zebrastreifen. Zudem forderten sie mehr Kontrollen und höhere Strafen, das Parken an Zebrastreifen und in Sichtfeldern zu unterbinden, sowie per Gesetz zu erlauben, dass Kommunen Geschwindigkeitsbegrenzungen wie Tempo 30 auch präventiv einsetzen können. Derzeit ist dies, von einigen Ausnahmen wie Schulwegen abgesehen, nur bei einem besonderen Gefährdungsnachweis möglich.