Seehafenhinterlandverkehr

SeehafenhinterlandverkehrSeehäfen setzen auf die SchieneEgal, welcher Hafen: Die Zeichen im Seehafenhinterlandverkehr stehen überall auf Wachstum. Am meisten soll davon die Schiene profitieren. Angesichts des bevorstehenden Booms positionieren sich Hafenbetreiber und Kombi-operateure neu.Es ist eine imposante Zahl: 25,3 Millionen TEU (Twenty Foot Equivalent Unit) sollen 2025 im Hamburger Hafen umgeschlagen werden. Das sind 181 Prozent mehr als 2011, als 9,0 Millionen TEU registriert wurden.Containerverkehre nehmen weiter zuDiese Zahlen kann man dem Hafenentwicklungsplan 2025 entnehmen, der Anfang Oktober vorgestellt wurde. Zwar wird einschränkend gerne von den Verantwortlichen der Hamburger Wirtschaftsbehörde darauf hingewiesen, dass es sich hierbei nur um ein Umschlagpotenzial handelt. Andererseits betonen Senat und die Hamburg Port Authority, dass dieses Szenario die Grundlage für ihre Planungen von Investitionen in die Infrastruktur und für die Kalkulation der erforderlichen Umschlagkapazitäten ist. Man kann sich womöglich darüber streiten, ob diese Wachstumsraten tatsächlich eintreten werden: Einig sind sich jedoch alle Beobachter, dass der Containerumschlag in den Seehäfen weiter zunimmt. In Rotterdam rechnet man beispielsweise mit 32 Millionen TEU im Jahr 2035 – 11,2 Millionen TEU waren es 2010. Und das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) in Bremen hat in einer Studie aus dem Jahr 2010 das Wachstum der Nordrangehäfen (von Le Havre bis Hamburg) auf 117 Prozent zwischen 2009 und 2025 beziffert – das ergibt ein jährliches Plus von fünf Prozent.Die Häfen stehen dabei vor der Herausforderung, mit diesem Wachstum fertig zu werden. „Kapazitäten an der Kaikante gibt es derzeit mehr als genug, ein Grund, weshalb Wilhelmshaven derzeit auch so große Schwierigkeiten hat,“ sagt Thomas Rössler, geschäftsführender Gesellschafter der Hanseatic Transport Consultancy. Der Engpass seien vielmehr die Hinterlandanbindungen, weshalb Rössler zu dem Schluss kommt: „Der Wettbewerb zwischen den Seehäfen wird im Hinterland entschieden.“ Den großen Seehäfen ist dabei gemein, dass sie allesamt versuchen, mehr Container auf die umweltfreundlichen Verkehrsträger Binnenschiff und Bahn zu verlagern (siehe auch Kasten Seite 28). Vor allem Rotterdam geht dabei rigoros vor. Der Hafen hat die Terminalbetreiber auf der neuen Hafenfläche, der Maasvlakte II, vertraglich dazu verpflichtet, vorgegebene Prozentanteile im Modal Split einzuhalten, um so den Anteil der Binnenschifffahrt und Schiene zu erhöhen.Bahn verdreifacht ihr VolumenAuch in Hamburg setzt man auf die alternativen Verkehrsträger. Da bis auf die Elbe aber nur sehr eingeschränkt Binnenschifffahrtswege zur Verfügung stehen, rückt bei den Containertransporten automatisch die Bahn in den Fokus: Laut dem Hafenentwicklungsplan 2025 soll der Anteil der Schiene am Modal Split im Hafenhinterland von derzeit 36 Prozent auf 41 Prozent 2025 steigen. Interessanter sind jedoch die absoluten Zahlen: Das Volumen ausgedrückt in TEU würde sich demnach verdreifachen, und zwar von 1,9 Millionen auf 5,7 Millionen. Verkraftet das Schienennetz überhaupt solche Mengen? Rössler gibt zu bedenken, dass der alleinige Blick auf die Container im Hinterland die Problematik nicht in Gänze erfasst: „Es gibt auch viel Massengut, das per Bahn transportiert wird. Hier besteht eine Nutzungskonkurrenz.“ Seinen Angaben zufolge würde alleine die Zahl der Containerzüge in Hamburg von 200 pro Tag auf 450 im Jahr 2025 anwachsen. „Selbst wenn man für 2025 vorsichtig mit 320 Zügen kalkuliert, so ist das derzeit nicht darstellbar“, sagt Rössler. Denn schon heute werde die Infrastruktur im unmittelbaren Hinterland zu etwa 100 Prozent genutzt. Nicht viel besser sieht es seinen Erkenntnissen nach in Bremerhaven aus: „Dort hat es in den letzten Jahren starke Anteilsveränderungen zugunsten der Schiene gegeben.“ Als Grund nennt er den hohen Anteil der Automobiltransporte in Bremerhaven. Daher beträgt der Anteil der Bahn im Containerhinterlandverkehr von Bremerhaven 2011 45,7 Prozent und liegt nur knapp hinter dem LKW (50,2 Prozent). „Alle Güterzüge aus Bremerhaven müssen durch die Halle von Bremen Hauptbahnhof“, nennt der Berater einen Engpass. Dieser werde sich noch verschärfen, wenn auch die Hinterlandverkehre des Jade-Weser-Ports über Bremen geführt werden, wie bislang beabsichtigt. Die Nutzer der Netze registrieren zwar die Engpässe, aber sie setzen trotzdem weiterhin auf die Schiene. So will die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Betreiber mehrerer Containerterminals in Hamburg, mehr Güter auf die Bahn setzen. HHLA-Sprecher Florian Marten zählt zu den Wachstumstreibern die steigenden Energiepreise, die den LKW deutlich stärker treffen als die Bahn, die höhere Effizienz der Schiene, die bessere Umwelt- und Klimaschutzbilanz, den Mangel an LKW-Fahrern und die zunehmenden Staus auf der Straße. Marten ist sich jedoch bewusst, dass mit zunehmendem Verkehr die Engpasslage an Dramatik gewinnt. Daher sieht er die seit Jahren in der Diskussion befindliche Y-Trasse als unbedingt notwendig an. Dabei handelt es sich um eine großenteils neue Strecke zwischen Hannover und Hamburg/Bremen. Rössler hingegen glaubt nicht, dass die Y-Trasse das Problem löst. „Es gibt zwar auf den Strecken zu den Häfen Engpässe, aber das Problem sind eher die Knoten Bremen, Hamburg und Hannover“, sagt Rössler. Wenn jetzt zwischen die Knoten eine neue Infrastruktur gelegt werde, würde das nur die Kapazitätsengpässe verschärfen. Sein Vorschlag ist daher, Produktivitätsverbesserungen eher über die Realisierung kleinerer Projekte zu erzielen und über bestehende Strecken als Alternativen nachzudenken, zum Beispiel die Strecke von Bremen über Uelzen nach Berlin beziehungsweise von Hamburg über Lüneburg nach Uelzen. „Die liegt extrem günstig, müsste allerdings ausgebaut und modernisiert werden“, so Rössler. Zudem hält er es für wenig wahrscheinlich, dass die Y-Trasse vor 2030 fertig ist, weil alleine der Ausbau der Strecke Nürnberg-Erfurt und von Stuttgart 21 etwa 20 Milliarden Euro beanspruche und damit kaum noch Geld für weitere Neubauprojekte zur Verfügung stünde.Marten sieht allerdings auch noch in der eigenen Organisation Möglichkeiten zur Effizienzverbesserung. Die Grundlagen dafür hat die HHLA geschaffen, als sie der Deutschen Bahn (DB) die 50 Prozent Anteile an der Transfracht überließ und im Gegenzug die Mehrheit bei den Kombi-Operateuren Metrans sowie Polzug vollständig übernahm. Nun will die HHLA mit diesen beiden Töchtern ihr Netzwerk ausbauen – zum einen, indem neue Standorte angefahren und zusätzliche Terminals, wie das in Krems (Österreich), in das Netzwerk integriert werden. „Wir wollen aber auch verstärkt Kontinentalverkehr anbieten, um so Dreiecksverkehre aufzubauen und die Auslastung zu erhöhen“, sagt Marten. Zu der HHLA-Strategie gehört auch der Kauf von Waggons, die speziell auf den Hinterlandverkehr mit Containern ausgerichtet sind. „Wir fahren Züge mit 600 Meter Länge und 92 TEU, während in Deutschland normalerweise 700 Meter lange Züge nur Platz haben für 80 TEU“, sagt Marten. Und um besser disponieren zu können, will die HHLA zu den bereits 1000 eigenen Waggons weitere kaufen und auch in eigene Loks investieren.Auch bei der Transfracht gibt es Bestrebungen, das Netzwerk auszubauen. Auf die Frage der VerkehrsRundschau an Intermodal-Vorstand Axel Marschall, ob die Transfracht künftig auch nach Rotterdam und Antwerpen fahren werde, sagte er: „Wir haben bereits einige Versuche gemacht, die nicht erfolgreich waren. Aber unser klares Ziel ist, auch diese wichtigen Häfen zu bedienen.“ Wenn es soweit sei, wolle man gleich mit einem richtigen Angebot einsteigen. „Dazu befinden wir uns gerade in der Planungsphase“, sagt Marschall.Transfracht will Rotterdam anfahrenKurzfristig wolle man Transfracht jedoch konsolidieren und neu ausrichten. Das ist auch notwendig, weil das Unternehmen laut Geschäftsbericht der DB 2010 fünf Millionen Euro Verlust gemacht hat und 2011 acht Millionen Euro. Im letzten Jahr hat Transfracht 900.000 TEU befördert. „Wir haben schon den Anspruch, diesen Wert noch zu steigern“, sagt Christina Arndt, als neue Geschäftsführerin bei Transfracht für Marketing und Vertrieb zuständig. Derzeit leide man allerdings, wie alle anderen auch, unter einer nachlassenden Nachfrage, weshalb sich Transfracht im laufenden Jahr auf Vorjahresniveau befände. Arndt kündigte an, dass man Standorte und Relationen genau auf Wirtschaftlichkeit prüfen werde. Die erste Konsequenz: Wörth und Frenkendorf (Schweiz) werden nicht mehr angefahren. Ziel sei es, ab 2014 wieder schwarze Zahlen zu schreiben. Dazu soll die Qualität verbessert werden. „Zudem wollen wir die Auslastung erhöhen und über diesen Weg eine bessere Rendite erzielen“, sagt Arndt. Den Weg von Transfracht beobachtet man auch genau bei TX Logistik. TX ist zu 15 Prozent an dem Box-Xpress-System beteiligt, das Containerverkehre zwischen Hamburg/Bremerhaven und dem deutschen Hinterland sowie Budapest anbietet, und fährt selber einen Zug auf der Strecke Rotterdam-Nürnberg-München. Immerhin 20 Prozent des Jahresumsatzes von 200 Millionen Euro wird in diesem Segment erwirtschaftet. „Wir wollen sowohl im BoxXpress-System wachsen, als auch unsere Aktivitäten in Rotterdam weiter ausbauen“, kündigt Dirk Steffes, Vorstand Vertrieb bei TX, an. Passend dazu vermeldete TX diese Woche, dass man einen neuen Leiter Maritim engagiert hat, der die maritimen Hinterlandverkehre in Deutschland und Benelux weiterentwickeln soll: Der 34-jährige Dirk Jeßke leitete zuletzt die Bereiche Business Development, E-Business und Prozessmanagement bei Transfracht.Keine große Rolle spielt der Seehafenhinterlandverkehr mit Containern für Kombiverkehr. Der größte Kombi-Operateur Europas bietet Verbindungen zwischen Rotterdam und Duisburg/Dortmund und Neuss an. Die Abwicklung erfolgt durch die Tochtergesellschaft Optimodal. Andere Seehäfen will Kombiverkehr laut Geschäftsführer Robert Breuhahn nicht anfahren, weil bei maritimen Sendungen oftmals zusätzliche Dienstleistungen wie Vor- und Nachläufe auf der Straße gefragt sind, die Kombiverkehr nicht anbietet.Daher konzentriert sich der Operateur auf Optimodal und Rotterdam. „Für das kommende Jahr rechnen wir mit einem Sendungswachstum bei bestehenden Verbindungen von acht Prozent“, sagt Breuhahn. Sollten weitere Zugprojekte umgesetzt werden können, „dürfte das Wachstum höher ausfallen“, so Breuhahn. Eine Hoffnung, die viele in dem Geschäft hegen und die angesichts der Prognosen durchaus realistisch erscheint. ❙❚■ Michael CordesUmschlag 2011:8,66 Mio. TEUSchwerpunktUmschlag 201111,88 Mio. TEUUmschlag 2011:5,93 Mio. TEUUmschlag 2011:9,014 Mio. TEUNummer eins unter den Containerhäfen in Europa ist Rotterdam, gefolgt von Hamburg, Antwerpen und BremerhavenDie HHLA-Tochter Metrans fährt bereits 70 Shuttle-Züge täglich zwischen Hamburg und Prag und will ihre Leistungen über Osteuropa hinaus ausdehnenHohe Bedeutung des BinnenschiffsRotterdam ist der größte Containerhafen Europas, und Antwerpen belegt derzeit nur ganz knapp hinter Hamburg Rang drei. Rotterdam und Antwerpen ist gemein, dass im Seehafenhinterlandverkehr die Binnenschifffahrt eine deutlich höhere Bedeutung hat als in Hamburg und Bremerhaven – was mit der Anbindung an den Rhein zu tun hat.Beide Häfen rechnen damit, dass das Binnenschiff und die Bahn an Bedeutung im Hinterland gewinnen. In Rotterdam soll der Anteil der Straße von 57,5 Prozent 2010 auf 45,1 Prozent im Jahr 2035 sinken. Gleichzeitig steigt der Anteil des Binnenschiffs von 32,9 auf 36,3 Prozent. Die Schiene soll ihren Anteil von 9,6 auf 18,6 Prozent nahezu verdoppeln. Antwerpen gibt Zahlen zum Modal Split bis 2020 heraus. Danach sinkt der Anteil des LKW von 56 Prozent (2010) auf 43 Prozent. Das Binnenschiff wird fast zum Verkehrsträger Nummer eins (von 34 auf 42 Prozent), während die Schiene von 10 auf 15 Prozent zulegt. cdSeehafenhinterlandverkehrSeehafenhinterlandverkehrAb 2014 soll der KV um fünf Prozent jährlich wachsenDer Intermodal-Bereich bei DB Schenker Rail hat zuletzt rote Zahlen geschrieben: Vertriebsvorstand Axel Marschall zur derzeitigen Lage, zu den Wachstumszielen und zu möglichen Preisanhebungen. Wie ist die derzeitige Entwicklung in dem Bereich Intermodal bei DB Schenker Rail?Axel Marschall: Wir haben nach wie vor ein Wachstum: 2012 liegen wir derzeit bei einem Plus von einem bis zwei Prozent und erwarten für 2013 einen ähnlichen Zuwachs. Damit wachsen wir allerdings langsamer als geplant.Was sind die Ursachen für die Wachstumsdelle?Zum einen gab es 2012 massive Einschränkungen in der Schweiz und in Österreich durch die Gotthard- und Simplon-Sperrung sowie durch die Brenner-Sperrung. Zum anderen beobachten wir im Markt eine etwas geringere Nachfrage. Davon sind die Kontinentalverkehre stärker betroffen als das maritime Segment. Zudem rechnen wir mit weiteren deutlichen Kostensteigerungen. Hier wird die Kostensteigerung auch zu einer Konsolidierung der Nachfrage führen. Das wird dazu führen, dass wir auch den einen oder anderen Verkehr nicht mehr wirtschaftlich abbilden können. Das heißt, bei DB Schenker Rail schaut man in diesen beiden Jahren genauer hin, welcher Transport sich rechnet oder nicht.Das haben wir die Jahre zuvor auch schon gemacht. Wir werden vor allem gezielt in die Relationen investieren, in denen wir eine hohe Auslastung haben und somit eine hohe Produktivität erzielen können. Wir gehen davon aus, dass wir 2014 für den KV wieder auf den alten Wachstumspfad zurückkehren von mehr als fünf Prozent jährlich bis 2016. Die Jahre danach rechnen wir dann mit einem Plus zwischen drei und fünf Prozent per anno.Schreibt DB Schenker Rail mit dem KV schwarze Zahlen?Wir werden nach einem Verlust in 2011 in diesem Jahr im Bereich Intermodal voraussichtlich eine schwarze Null schreiben. Zur nachhaltigen Finanzierung unseres Investitionsprogramms müssen wir die Ergebnisse weiter steigern.Wird DB Schenker Rail die Preise anheben, um eine höhere Rendite zu erzielen?Wir werden uns die Preise bezogen auf die einzelnen Transportrelationen genau ansehen und dann entscheiden, ob eine Erhöhung notwendig ist. In Summe ist allerdings mit einer Preiserhöhung zu rechnen. Wir werden das unseren Kunden sehr genau erklären; daran liegt mir viel. cdInterviewAxel MarschallSeehafenhinterlandverkehr

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