Schweizer LKW-Maut ist zu hoch

Der Straßengüterverkehr muss nur für die tatsächlichen Kosten aufkommen Schweizer LKW-Maut ist zu hoch Nach jahrelangem Kampf gegen die in ihren Augen zu hohe Schweizer LKW-Maut (LSVA) erringen die Trans- porteure einen wichtigen Etappensieg. Das Bundesverwaltungsgericht in Bern gibt den Klägern Recht. Nach einem rund dreijährigen Kampf gegen die zum 1. Januar 2008 in Kraft getretene Erhöhung der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) hat das Bundesverwaltungsgericht in Bern vergangene Woche in einem wegweisenden Urteil dem Schweizerischen Nutzfahrzeugverband Astag und seinen Mitgliedern Recht gegeben. Das Verwaltungsgericht hat befunden, dass aufgrund der Kostendeckung des Straßentransports von mehr als 100 Prozent die Tarife 2008 nicht weiter hätten angehoben werden dürfen. Nach fast dreijährigem Widerstand stehe damit fest, so Astag-Zentralpräsident Adrian Amstutz, „was die Astag schon immer betont hat, nämlich dass der Bundesrat willkürlich und widerrechtlich gehandelt hat“. Verbandsdirektor Michael Gehrken verweist darauf, dass „ohne unsere Intervention die Transportbranche einmal mehr zum finanzpolitischen Spielball von Behörden und Verwaltung geworden wäre“. Die Astag hoffe nun, so Gehrken, „dass Bundesrat, Behörden und Verwaltung diesen richterlichen Entscheid akzeptieren!“ Dagegen kann innerhalb von 30 Tagen beim Bundesgericht in Lausanne Berufung eingelegt werden, und wie der Schweizer Verkehrsminister Moritz Leuenberger sagte, werde das möglicherweise der Fall sein. „Selbst in diesem Fall kann dieses positive Urteil des Verwaltungsgerichts nicht wegdiskutiert werden“, betonte Michael Gehrken. „Und sollte die Verwaltung rekurrieren, so müssten es sich ausländische Unternehmen überlegen, auch noch mit Einsprachen zu beginnen, denn die Erfolgschancen sind hervorragend.“ Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, hatte zum 1. Januar 2008 die LSVA um rund zehn Prozent erhöht. Laut den Richtern in Bern muss die Oberzolldirektion die Straßengebühr rückwirkend ab 2008 nach den alten Tarifen von 2005 neu festsetzen. Das Eidgenössische Finanzdepartement rechnet mit Einnahmeausfällen in Höhe von rund 150 Millionen Franken (99,2 Millionen Euro) pro Jahr, sollte das Urteil umgesetzt werden. Das Schweizer Verkehrsministerium prüft nun, wie sich die Mindereinnahmen auf die Finanzierung von Verkehrsinfrastrukturen auswirken werden. Rückschlag für die Verlagerungspolitik In einer ersten Reaktion hat das Verkehrsministerium die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bedauert. „Das Urteil ist ein Rückschlag für unsere Verlagerungspolitik“, sagte Ministeriumssprecher Daniel Bach der VerkehrsRundschau. „Wir sind insbesondere deshalb enttäuscht über das Urteil, weil der Maximalansatz – 325 Franken für die Referenzstrecke Basel-Chiasso – 1998 in einer Volksabstimmung gutgeheißen worden ist und seither mehrmals an der Urne bestätigt wurde.“ Die LSVA habe maßgeblich zu einer Effizienzsteigerung im Transportgewerbe beigetragen und einen wesentlichen Beitrag zur Verlagerung des Schwerverkehrs von der Straße auf die Schiene geleistet. „Sollte diese Erhöhung tatsächlich rückgängig gemacht werden, so droht die Verlagerungspolitik tatsächlich etwas an Wirkung zu verlieren“, sagte Bach. Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts steht für die Astag nach beinahe drei Jahren fest, dass der damalige Beschluss des Bundesrats widerrechtlich war. Für die Astag, so Gehrken, „war schon immer klar, dass mit der Erhöhung der LSVA per Jahresbeginn 2005 der Straßentransportverkehr alle seine Kosten vollständig deckte“. Eine in Auftrag gegebene Studie der Forschungsgesellschaft Progtrans machte klar, „dass der Deckungsgrad der Kosten 2008 bei 105 Prozent lag“, sagte Gehrken. Die Behörden jedoch errechneten einen Deckungsgrad von 98,8 Prozent – woher also dieser Unterschied? „Beide Berechnungen basieren im Prinzip auf derselben Methodik“, machte Peter Cerwenka, wissenschaftlicher Beirat der Progtrans klar. Für ihn war der „eigentliche Sündenfall die Tatsache, dass plötzlich Stauzeitkosten in diesen Berechnungen als externe Kosten auftauchten.“ Für den Progtrans-Experten trägt der Transporteur den wirtschaftlichen Schaden durch Staus jedoch selbst. Schließlich steht sein LKW im Stau und kann damit nicht produktiv eingesetzt werden. Deshalb dürfe der Staat die Staukosten nicht noch ein zweites Mal über die LSVA abrechnen. Für Jean-Daniel Faucherre, Vizepräsident der Astag und, zusammen mit dem Verband und der Wespe Transport AG, Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht in Bern, zeigte sich erleichtert, dass in diesem Fall „die wissenschaftlichen Fakten und nicht politische Ideologien und Ideen gezählt haben. Und die Richter haben sich nicht durch den Druck von Behörden und Verwaltung beeinflussen lassen. Sie haben die Rechtsstaatlichkeit ganz klar höher gewertet als alle Wunschträume und Verlagerungsfantasien.“ Auch für Zentralpräsident Adrian Amstutz ist dieses Urteil wegweisend, denn „es zeigt einerseits auf, dass am Grundprinzip der LSVA nicht gerüttelt werden soll. Es zeigt aber auch deutlich, dass eine Umsetzung, die gegen geltende Rechtsbestimmungen verstößt und die LSVA von einem umwelt- zu einem fiskalpolitischen Instrument umgestalten will, unzulässig ist.“ ❙❚■ S. Bollig; H. Keller, Korrespondent in der Schweiz Die Astag-Spitze (v. l.): Jean-Daniel Faucherre, Adrian Amstutz und Michael Gehrken Auch deutsche Unternehmen könnten profitieren Diejenigen deutschen Transportunternehmen, die dem Aufruf der Astag gefolgt sind und sich ebenfalls gegen diese Erhöhung zur Wehr gesetzt haben, können nun ebenfalls von diesem Urteil profitieren. „Es sind nach meinem Wissen jedoch nur wenige, die den Aufwand auf sich genommen haben“, sagte Astag-Vizedirektor Hanspeter Tanner. Um dabei zu sein, brauchte es entweder einen Zweigbetrieb in der Schweiz oder aber einen Standort – etwa über eine Anwaltskanzlei –, dazu musste eine relativ hohe Kaution geleistet werden. Für die Astag-Mitglieder, die seit 2008 bei Erhalt der monatlich eintreffenden Rechnungen jedes Mal schriftlich Einspruch erhoben, hat sich dieser administrative Aufwand auf jeden Fall gelohnt. „Diese Unternehmen werden nach Inkrafttreten des Urteils entsprechende Gutschriften erhalten“, erklärt Michael Gehrken das weitere Vorgehen. Insgesamt dürften sich die zu viel einbehaltenen LSVA-Erträge auf wesentlich mehr als 300 Millionen Franken (180 Millionen Euro) belaufen. Ein sichtlich verärgerter Verkehrsminister ließ sich auf eine entsprechende Frage lediglich so vernehmen: „Dann müssen wir halt schauen, wie wir zu unseren dringend notwendigen Finanzen kommen.“ Nebenbei sei erwähnt, dass Bundesrat Moritz Leuenberger das fehlende LSVA-Geld insbesondere für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs vorgesehen hatte. hrk Auswirkungen