Schnell, schneller, Same-day

Ich gehe einkaufen" - das war früher eine punktuelle Sache. Dank Onlineshopping hat sich Einkaufen mittlerweile zum Dauerzustand entwickelt: Jeder Zehnte etwa hat schon einmal während einer Bürositzung Einkäufe erledigt, ergab eine Umfrage aus den USA. Und sechs Prozent aller Verheirateten haben schon einmal eine Bestellung aufgegeben, während sie sich mit dem Partner unterhielten. Anspruch der Verbraucher steigt Vom Trend zum Immer-und-überall-Shoppen profitieren die Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP) massiv. Sie beförderten im letzten Jahr neun Prozent mehr Sendungen von Unternehmen zu Konsumenten, hat der Bundesverband Paket und Expresslogistik (Biek) ermittelt. Allerdings bestellen die Verbraucher nicht nur mehr, sondern fordern auch mehr. Sie wollen an einem bestimmten Tag beliefert werden, zu einer bestimmten Uhrzeit und am liebsten zu einer Wunschadresse, die sich beliebig ändern lässt. Können die Dienstleister diese Wünsche auf Dauer erfüllen? Fest steht: Die neue Paketwelt dreht sich nicht mehr um den Versender, sondern um den Empfänger. Um sich darauf einzustellen, müssen die Dienstleister zunächst einmal investieren. Beispiel Hermes: Der Paketdienst kündigte unlängst an, sein Netz an Sortierzentren für 300 Millionen Euro komplett umzubauen. Traditionell hat sich die Tochter des Otto-Konzerns dort angesiedelt, wo die großen Auftraggeber sitzen, zum Beispiel in Burgkunstadt, der Heimat des Baur-Versandes. Kunden außerhalb dieser Kerngebiete mussten auf Hermes-Pakete länger warten. Das soll sich durch das besser verteilte Netzwerk ändern. "Dabei erzielen wir drei wesentliche Effekte: eine größere regionale Nähe zu den Auftraggebern, spätere Annahmezeitpunkte für Sendungen und kürzere Laufzeiten", erklärte Hanjo Schneider, Chef von Hermes Europe, bei der Ankündigung des Umbaus im Juni. Mehr Tempo lautet die Devise bei allen Dienstleistern. Und das Maximum an Tempo bedeutet Same-day, also die Auslieferung noch am Tag der Bestellung. Pioniere wie der Elektronikversand Conrad bieten sie mithilfe von Kurierdiensten schon an - freilich für einen stolzen Aufpreis von 15 Euro. Wird das bald Standard sein? Tempo, Flexibilität oder Komfort? Die Unternehmensberatung McKinsey glaubt daran und prognostiziert, dass die KEP-Dienste schon in sechs Jahren 15 Prozent ihres Umsatzes mit taggleicher Lieferung machen werden. Insider sind skeptischer. "Das wird nur Standard in Notfallsituationen sein, etwa, wenn man kurz vorm Urlaub noch ein Handy-Ladekabel braucht", meint Horst Manner-Romberg von der Unternehmensberatung MRU, Hamburg. Eine repräsentative Umfrage seines Hauses hat ergeben, dass für die Kunden nicht die Sofortlieferung, sondern andere Dinge Priorität haben: 27 Prozent finden eine Lieferung am Abend wichtig, 36 Prozent die Zustellung am Samstag und 47 Prozent wollen einen Wunschtag angeben. Mindestens genauso wichtig wie Tempo sind also Flexibilität und Komfort. Kunden wollen Pakete an eine andere Adresse umleiten oder den Lieferzeitpunkt frei bestimmen. Das macht das Geschäft der Dienstleister komplizierter. Bisher konnten Paketdienste die Touren ihrer Fahrer nämlich sequenziell planen, das bedeutet - einfach gesagt - Zieladresse nach Zieladresse musste einfach nur abgefahren werden. Doch wenn der Empfänger kurzfristig die Zustelladresse ändert, wirft das die Planung über den Haufen. Der KEP-Dienstleister muss umdisponieren, braucht eventuell mehr Fahrzeuge und Fahrer. Gerade der letzte Punkt stellt die Anbieter vor ein Problem, schließlich fehlen nach Insiderschätzung in der Branche derzeit 6.000 Fahrer. "Die Modifikation der Systeme ist mit erheblichen Kosten verbunden - und das spüren die Anbieter", fasst Experte Manner-Romberg zusammen. Seine Einschätzung: Der Großanbieter DHL ist hier im Vorteil, weil die Bonner genug Kapazitäten und Marktanteil haben, um Sonderfahrten durchzuführen. Bei den Konkurrenten dagegen drückten die neuen Anforderungen auf das finanzielle Ergebnis, so Manner-Romberg. Die KEP-Dienstleister halten ihre Strategie dennoch für richtig. DPD bietet den Kunden die Möglichkeit, die Zustelladresse noch zu ändern, wenn die Lieferung schon per SMS avisiert wurde. Anstelle des Privathauses steuert der Bote dann zum Beispiel das Büro an. Zusätzliche Kosten entstehen dem Kunden dadurch nicht, selbst wenn die neue Adresse in einem anderen Zustellbezirk liegt. "Das macht für uns wirtschaftlich Sinn, weil wir einerseits erfolglose Zustellversuche vermeiden und Ressourcen sparen", betont Sprecher Peter Rey. Daneben sei das Plus an Flexibilität ein gutes Verkaufsargument. Rey: "So kann man Marktanteile im B2C-Geschäft gewinnen." Auch UPS weiß, dass das Sendungsaufkommen im Privatkundengeschäft deutlich schneller wächst als der klassische Geschäftskundensektor. Dabei achtet man auf Wirtschaftlichkeit. "Ein höheres Sendungsaufkommen bedeutet zwar nicht zwangsläufig mehr Fahrzeuge oder Sortierzentren", sagt Thomas Schlichting, Pressesprecher bei UPS Deutschland. Er betont jedoch, dass das Netzwerk insgesamt weiter ausgebaut werde, um einem höheren Sendungsaufkommen gerecht zu werden. Als Beispiel nennt er die Erweiterung des UPS Air Hubs am Flughafen Köln/Bonn, das im März offiziell in Betrieb genommen wurde. Einen Schwerpunkt bei UPS beschreibt Schlichting so: "Wir wissen, dass sich der Onlinehandel mehr und mehr grenzüberschreitend entwickelt." Im Visier haben die Amerikaner also Transaktionen etwa dieser Art: Ein deutscher Kunde bestellt in einem britischen Webshop Ware, die dann aus Polen geliefert wird. Hier will UPS seine starke internationale Kompetenz ausspielen. Insgesamt plant man, in Europa in den kommenden vier bis fünf Jahren eine Milliarde US-Dollar zu investieren. Bei der Zustellung soll auch in Deutschland demnächst ein Service namens "UPS My Choice" angeboten werden, den es auf dem amerikanischen Heimatmarkt schon gibt. Dabei kann eine Sendung noch am Vorabend der Zustellung zu einer anderen Adresse umgeleitet werden. Eine Lieferung zu einem Wunschzeitpunkt plant UPS derzeit noch nicht, doch es ist kein Geheimnis, dass viele KEP-Dienste diese Option durchrechnen. Google baut eigenen Expressdienst auf In einem Punkt sind sich die Experten einig: Der Boom bei den Business-to-Consumer (B2C)-Lieferungen geht weiter. Nach Schätzungen des Biek wird allein in diesem Jahr das Sendungsvolumen in diesem Segment um 5,5 Prozent anschwellen. Solche Wachstumsraten könnten auch neue Anbieter anlocken und die Marktaufteilung durcheinanderwirbeln. Der Suchmaschinenkonzern Google zum Beispiel ist momentan dabei, groß ins Liefergeschäft einzusteigen. Anfang Juli kündigten die Kalifornier dazu eine Megainvestition an: 500 Millionen US-Dollar sollen in den eigenen Dienst namens Google Shopping Express fließen, um ihn landesweit ausrollen zu können. Im Großraum San Francisco wird er schon länger angeboten. Dort können die Kunden via Internet Waren aus stationären Läden wie Office Depot (Büroartikel) oder Whole Foods Market (Lebensmittel) bestellen. Google sammelt die gewünschten Produkte dann beim Einzelhändler ein und bringt sie noch am selben Tag vor die Haustür; wer bis Mittag bestellt, wird um 16 Uhr beliefert, wahlweise auch um 21 Uhr. Dafür betreibt der Internetkonzern sogar eine eigene Flotte von Hybrid-PKW. Während der Testphase zahlen Kunden pro Ladenstopp fünf US-Dollar. Damit folgt man dem Beispiel des Versandriesen Amazon, der in US-amerikanischen Städten auch schon einen eigenen Lieferservice betreibt. Neue Anbieter: Atalanda und Tiramizoo Dass die blau-weißen Wagen von Google bald auch durch deutsche Straßen rollen, erwarten Experten allerdings nicht. "Das zeigt eigentlich nur, wie schnell Google Entscheidungen trifft", so Marktkenner Manner-Romberg. Völlig unrealistisch wäre ein Vorstoß des Konzerns in Deutschland allerdings auch nicht, schließlich versuchen sich auch hierzulande schon einige Dienstleister an dem Modell "Im Netz bestellt, aus dem Laden geliefert". Die Firma Atalanda etwa bietet einen solchen Service in Hamburg an, das Start-up Tiramizoo aus München ist schon in 18 Ballungsgebieten aktiv und bietet eine 90-Minuten-Lieferung an. In Fachkreisen wird schon spekuliert, dass Google diese Pioniere aufkaufen könnte.

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