Brunsbüttel. Ein funktionierender Nord-Ostsee-Kanal ist nach Überzeugung von Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) für ganz Deutschland wichtig. „Der Nord-Ostsee-Kanal ist kein Projekt Norddeutschlands, sondern ein Projekt, das die Anbindung des Standortes Deutschland beinhaltet", sagte er am Mittwoch in Brunsbüttel. Dabei gehe es auch um die Zuwegung des Hamburger Hafens und um die Frage der Verkehrsströme insgesamt, betonte der Minister bei einem Besuch der Brunsbütteler Schleusenanlage.
Ein Ausfall des Nord-Ostsee-Kanals (NOK) würde sich auf die Wirtschaft im gesamten norddeutschen Raum auswirken, sagte Jens Wrede von der Egeb-Entwicklungsgesellschaft. Um die Funktionsfähigkeit des NOK auch künftig gewährleisten zu können, müsse Brunsbüttel eine moderne fünfte Schleuse bekommen.
An der Technik der Brunsbütteler Schleusen hat sich seit hundert Jahren nichts geändert: Statt heller moderner Arbeitsplätze gibt es hier Gebäude aus der Kaiserzeit unter Denkmalschutz. In einem niedrigen Betriebsraum drehen sich knarzend die handgeschmiedeten und offen liegenden Zahnräder und verteilen dabei einen warmen Geruch von Schmierfett in der Luft. Es gibt nur noch wenige Spezialisten, die Ersatzteile für diese Mechanik aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg herstellen können, erfuhr de Jager.
Die wirklichen Probleme liegen jedoch unter Wasser, denn dort ist die Sicht gleich Null. So müssen sich die Taucher bei ihren regelmäßigen Kontrollen der Unterwagen, auf denen die tonnenschweren Schleusenkammer-Tore rollen, auf ihren Tastsinn verlassen: Sie müssen in dem kalten Wasser fühlen, ob ein Teil in Kürze ausfallen kann. Das ist wichtig, denn Ersatzteile sind Sonderanfertigungen, die nur mit einer Wartezeit geliefert werden.
Bislang besteht die Brunsbütteler Schleuse aus zwei großen und zwei kleinen Kammern. Dabei werden die beiden kleinen Kammern hauptsächlich von den Sportschiffern genutzt. Die Berufsschifffahrt braucht die großen Schleusen. Die wurden in den hundert Jahren ihres Bestehens noch nie richtig instandgesetzt, sondern nur bei Bedarf repariert. Eine Grundsanierung würde nach Einschätzung von Ingenieuren 22 bis 24 Monate dauern. Aus wirtschaftlicher Sicht sei der Neubau einer fünften Schleusenkammer das Vernünftigste, sagte Wrede.
Derzeit ist nur eine der großen Schleusen in Betrieb. Sollte jetzt auch die zweite große Schleuse ausfallen, würde das zu einem Kollaps des Schiffsverkehrs auf dem NOK führen. Denn die Reparatur könne bis zu 14 Tagen dauern. Den Industriebetrieben würde dadurch ein Millionenschaden entstehen, sagte der Geschäftsführer der Total Bitumen Deutschland GmbH (TBD), Joachim Giersberg. Wenn die Brunsbütteler Binnenhäfen nicht mehr angefahren werden können, könnten die Chemie-Werke in Brunsbüttel ihre Produkte nicht mehr ausliefern und müssten die Anlagen herunter fahren, erklärte er.
Schon jetzt komme es oft vor, dass Schiffe in Brunsbüttel vor dem Einlaufen in den NOK bis zu zehn Stunden Wartezeit in Kauf nehmen müssen. In solchen Fällen rechne sich für die Reedereien die teure Nutzung des NOK kaum noch. (dpa)
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