Schlecker-Insolvenz

Schlecker-Insolvenz Wer verliert, wer gewinnt? Die Drogeriekette Schlecker hat Insolvenz angemeldet. Und schon jetzt zeigt sich, dass in der Logistik wohl kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Lesen Sie hier, wen das Debakel trifft und wer von der Insolvenz möglicherweise profitiert. Gerade einmal eine Stunde vor Versand der offiziellen Pressemitteilung am 23. Januar 2012 erfuhr Speditions-Geschäftsführer Rainer Hese (Name von Redaktion geändert) die bittere Nachricht: Schlecker, einer der wichtigsten Auftraggeber seines Unternehmens, meldete vor dem Amtsgericht in Ulm Insolvenz an (siehe Kasten auf Seite 23). Als Grund nannte die Drogeriekette finanzielle Engpässe. Europaweit bangen seitdem nicht nur 47.000 Mitarbeiter um ihre Jobs, sondern auch viele Transport- und Speditionsbetriebe wie das eingangs genannte Unternehmen. Alle Hoffnungen dieser Dienstleister ruhen nun auf Arndt Geiwitz, Wirtschaftsprüfer, Diplom-Kaufmann und Steuerberater sowie Partner der Kanzlei Geiwitz & Partner in Neu-Ulm. Er wurde vom Amtsgericht Ulm zum Insolvenzverwalter der Drogeriekette ernannt. Seitdem stehen bei dem 42-Jährigen die Telefone nicht mehr still. Ein persönliches Gespräch mit ihm dieser Tage? Unmöglich! Die für Spediteure und Frachtführer wichtigste Aussage seines Sprechers aber ist: „Es gibt kontinuierliche Gespräche mit Gläubigern und Arbeitnehmern. Und nach der Einigung mit den 150 wichtigsten Lieferanten wird diese auch mit kleineren gesucht.“ Mit anderen Worten: Die Geschäfte mit Schlecker laufen vorerst wie gehabt weiter. Gleichwohl wird das Debakel der Drogeriekette in der Branche mehr Spuren hinterlassen, als auf den ersten Blick zu vermuten ist – sowohl bei namhaften großen Playern, aber auch bei vielen regionalen Speditionen, die für Schlecker tätig sind. Weite Teile in Schlecker-Hand Alles in allem unterhält die Drogeriekette allein in Deutschland derzeit noch 13 von einst 17 Regionalzentren an den Standorten Melle, Schwarmstedt, Falkenhagen, Luckau, Schleiz, Grevenbroich, Pulheim, Alzey, Empfingen, Nittendorf, Berg, Kürnach und Herda. Dort werden die Waren für die hierzulande über 7000 Märkte des Unternehmens vorwiegend mit Schlecker-eigenen Mitarbeitern kommissioniert und umgeschlagen. Weite Teile der Logistik liegen also noch in Schlecker-Hand. Die Warentransporte in die einzelnen Filialen organisieren nach derzeitigem Recherchestand diverse regionale Speditionspartner, die im Auftrag der Drogeriekette dafür fallweise Unterfrachtführer beschäftigen oder diese mit eigenen LKW in Schlecker-Farben im Selbsteintritt abwickeln. Regionalzentren-Abbau geht weiter Eine dieser Speditionen ist die WM Handelslogistik, bestätigt Geschäftsführer Günter Artinger auf Anfrage. Sie organisiert die Distributionslogistik für einen Teil der Schlecker-Regionalzentren. An welchen Standorten konkret, sagt er nicht. Er bestätigt aber, dass Ingolstadt und Upahl im letzten Jahr schon aufgegeben wurden. Und in diesem Jahr soll laut einem Schlecker-Sprecher auch das Regionalzentrum in Kürnach geschlossen werden. Zu den möglichen Folgen für die WM Handelslogistik und deren Transportpartner befragt, will sich Artinger aber nicht äußern. Alleiniger Gesellschafter der WM Handelslogistik ist im Übrigen die LB GmbH, an der unter anderem die beiden Bocholter Speditions-Brüder Matthias und Hans-Wilhelm Löhr (WM Group) beteiligt sind, wie Matthias Löhr auf Anfrage bestätigt. Weitere Fragen zum Kunden Schlecker wollte Löhr indes zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten. Doch nicht nur kleine und mittlere Firmen sind von der Schlecker-Insolvenz betroffen: Auch Paketdienst DPD Dynamic Parcel Distribution muss sich um Aufträge sorgen. 4,5 Millionen Pakete stellte das Unternehmen allein im letzten Jahr für die Home-Shopping-Tochter der Drogeriekette zu, so eine Sprecherin des Paketdienstes. Und an dieser Zusammenarbeit soll sich vorerst auch nichts ändern. Denn der DPD und der Insolvenzverwalter hätten nach Bekanntwerden der Schlecker-Insolvenz eine weitere Zusammenarbeit vereinbart, sagt sie, um die Zustellung der online bestellten Waren an Endkunden sicherzustellen. Entscheidende Fragen sind aber: Wie geht es mit der Logistik weiter, welche Teile davon sollen künftig in Schlecker-Hand bleiben, welche werden möglicherweise an Dritte fremdvergeben? Alles das ist zum jetzigen Zeitpunkt laut einem Sprecher des Unternehmens völlig offen. Fest steht aber, dass der Regionalzentren-Abbau fortgesetzt wird. So sollen laut dem Sprecher neben dem genannten Kürnach zwei weitere Regionalzentren in Berg und Herda in diesem Jahr geschlossen werden. Zudem bestätigt er, dass Schlecker vor der Insolvenz beabsichtigt habe, die Logistik stärker zu zentralisieren. Dafür sei mit dem einstigen Metro-MGL-Mann Markus Wagener Ende Oktober ein Logistikdirektor eingestellt worden. Gleichzeitig reißen in der Branche die Gerüchte nicht ab, dass sich Schlecker im Zuge der Insolvenz sogar ganz von seiner Logistik trennen und diese gezielt verkaufen könnte, um an Geld zu kommen. Immerhin ist die Anton Schlecker e.K. hierzulande Eigentümer aller 13 Regionalzentren, wie ein Sprecher der Firma bestätigt. „Das Beispiel Karstadt-Quelle zeigt, dass ein Verkauf der Logistik zumindest kurzfristig Liquidität bringt“, so Professor Christian Kille von der Hochschule Würzburg. Damals, im Jahr 2005, hatte Deutsche Post DHL weite Teile der Logistik des insolventen Warenhauses übernommen, um die Insolvenz des Warenhauses seinerzeit abzuwenden. Völliger Verkauf der Logistik? Eine Option also, die laut Kille für Schlecker durchaus sinnvoll sein könnte. Potenzieller Käufer könne zum Beispiel BLG Logistics sein. Das Unternehmen kenne dank seines Engagements für Tchibo das Handelsgeschäft und wolle in diesem Segment weiter wachsen, so der Handelslogistik-Experte. Weiterer Interessent könnte laut Kille auch Rhenus sein. Grund: Rhenus wolle im Handelssegment stärker Fuß fassen. Auch könnte das Unternehmen mit diesen Mengen das jüngst aufgekaufte Wincanton-Netz mit Sendungen füllen. Und schließlich könnten Branchenkennern zufolge auch die Deutsche Post, Fiege und Hermes Fulfilment an den Logistikaktivitäten von Schlecker Interesse haben. Alles das zeigt: Durch die Insolvenz wird bei der Drogeriekette wohl auch in der Logistik kein Stein auf dem anderen bleiben. Ob zulasten der bisherigen Partner und zum Nutzen der genannten Logistikplayer – das werden die kommenden Monate weisen. ❙❚■ Eva Hassa In der Schlecker-Zentrale in Ehingen hat nun Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz das Sagen Schlecker-Insolvenz Anton Schlecker e.K. Das 1975 von Anton Schlecker gegründete Unternehmen hat seinen Sitz in Ehingen in Baden-Württemberg. Die Anton Schlecker e.K. betreibt Drogerie-Filialen, Versandhandel, Bau- und Möbelmärkte sowie Tankstellen. Das Unternehmen erwirtschaftete in 2010 einen Umsatz von 6,5 Milliarden Euro. Derzeit sind dort insgesamt 47.000 Mitarbeiter beschäftigt. Am 23. Januar stellten die Anton Schlecker e.K sowie die Tochtergesellschaften Schlecker XL und Schlecker Home Shopping beim Amtsgericht Ulm Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. eh

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