Schenker: Treiber oder Getriebener ?

Noch ist das Jahr nicht abgeschlossen, doch die Umsatzzahlen sehen für DB Schenker nicht gut aus. Rund fünf Prozent weniger Umsatz als geplant soll die Deutsche-Bahn-Tochter dem Magazin "Spiegel" zufolge in den ersten neun Monaten 2016 gemacht haben. Wobei sich der EBIT bislang besser als erwartet entwickeln soll. Aber der Reihe nach. Fakt ist, dass die gesamte Standortstruktur des Unternehmens derzeit auf dem Prüfstand steht. Dafür werden Geschäftsstellen in Deutschland an größere Geschäftsstellen angedockt und fallweise sogar geschlossen - wie im Herbst Salzgitter. Jüngste Meldung aus dem Hause: Die gesamten Landverkehr-Stückgut-Aktivitäten im Raum Hagen werden noch in diesem Jahr aus dem Stadtteil Haspe nach Lüdenscheid verlagert. Zudem soll der Bereich "Messen/Spezialverkehre" mit 20 Mitarbeitern von Hagen nach Dortmund ziehen. Nur die Logistik mit Transportvolumen (Lager) sowie das Sondergeschäft für Automotive, Hightech und High Value sollen bis auf Weiteres in Haspe bleiben; ebenso bleibt die Luft-/Seefracht-Geschäftsstelle am Haus Busch im Lennetal. Insgesamt zieht Schenker 157 Arbeitsplätze von Hagen ab, schreibt die lokale Presse. Das Unternehmen selbst nennt keine Zahlen. Blinder Aktionismus oder cleverer Plan? Nach außen hin wirkt das alles "konfus", sagt ein Branchenkenner, der nicht genannt werden will. Er spricht sogar von "blindem Aktionismus". Zumal Hagen bereits der fünfte Standort ist, an dem die Deutsche-Bahn-Tochter die operativen Stückgutaktivitäten abzieht und in nahegelegene, größere Häuser integriert. Zuvor betraf dies schon die Standorte Mühlheim (nach Duisburg), Salzgitter (nach Hannover) und Bremen (nach Oldenburg) (siehe Interview Seite 21). Damit nicht genug, auch das See- und Luftfrachtgeschäft ordnet die Deutsche-Bahn-Tochter in Deutschland derzeit neu. So sollen künftig alle Luft- und Seefracht-Standorte bundesweit in sechs Gebieten organisiert sein. Die bestehenden Luft-/ See-Geschäftsstellen sollen dafür getrennt und von je einem fachlich spezialisierten Gebietsleiter Luftfracht und einem Gebietsleiter Seefracht geführt werden. Außerdem sei es Ziel, heißt es, die Landverkehrsgeschäftsstellen - die aber selbstständig bleiben sollen - den sechs neu entstehenden Gebieten organisatorisch zuzuordnen. Und schließlich will Schenker in diesen sechs Gebieten jeweils die neue Funktion eines produktübergreifenden Vertriebsleiters einführen. Strategie nach vorne Die Frage ist, was das Unternehmen Schenker dazu treibt? Fest steht bislang nur, dass die Deutsche Bahn die Börsenpläne ihrer Speditionstochter unlängst verschoben hat. Was in der Tat wiederum dafür sprechen könnte, dass das Unternehmen sich in diesem Jahr nicht so gut entwickelt. Das vermutet Knut Heymann, der selbst lange Jahre Top-Manager bei Schenker war und heute als M&A Consultant Logistikunternehmen berät (siehe Interview Seite 22). Schenker selbst äußert sich zu den Zahlen nicht offiziell. Hinter vorgehaltener Hand, heißt es aber, dass der Umsatz in den ersten neun Monaten 2016 tatsächlich in der besagten Größenordnung gesunken sei, wobei sich der EBIT (Gewinn vor Zinsen und Steuern) "erfreulich besser als im Vorjahreszeitraum 2015" entwickelt habe. Ein Ebit von annähernd 320 Millionen Euro, wie von Medien aktuell kolportiert, wird nicht bestätigt. Auch Marcel Vogler, der seit Anfang 2016 Vorstand Landverkehr von Schenker Deutschland ist, betont im Gespräch mit der VerkehrsRundschau, dass die Neuorganisation keine Ergebnisgründe habe. "Das sind keine Notschließungen, die Betriebe schreiben keine negativen Ergebnisse. Wir haben eine Strategie nach vorne und wollen weiter wachsen", so Vogler. Den großen Stellenabbau, den viele nun bei Schenker befürchten, sieht Vogler also nicht. Im Gegenteil: "Mitarbeiter, die gut sind, werden wir nicht gehen lassen." Aber wird diese Rechnung, einerseits mehr Kosteneffizienz, andererseits mehr Wachstum zu generieren, aufgehen? Für Knut Heymann ist der aktuelle Umbau zumindest ein Déjà vu: "Alle Jahre wieder kommt man wieder auf die Idee, Dinge zusammenzuwürfeln oder auseinander zu dividieren", sagt er. Andererseits sieht er durch den aktuellen Umbau auch Vorteile: Kleinere Geschäftsstellen könnten zum Beispiel durch die Andockung an größere ihre Problemkinder abgeben. Eine kleinere Niederlassung könne sich also auf ihr ureigenes Geschäft wie Stückgut fokussieren und müsse sich nicht um Themen wie Air & Ocean kümmern. Das könne helfen, Overhead-Kosten zu reduzieren. Auch das Bündeln und Zentralisieren der Fernverkehrs-Disposition an größeren Standorten verspreche Kostenvorteile. Deutliche Effizienzsprünge erwartet Alles in allem klingen die jetzt angekündigten Maßnahmen "logisch", resümiert Heymann. Richtig umgesetzt, könne Schenker dadurch deutliche Effizienzsprünge machen. "Fünf bis zehn Prozent Ersparnis bei den Gesamtkosten sind drin", schätzt der Unternehmensberater. Die Frage sei nur, ob die Führungsmannschaft des Unternehmens die notwendige Qualität habe, um diese Ziel richtig umzusetzen. Immerhin seien in den vergangenen Jahren mehr gute Manager und Mitarbeiter von Schenker zur Konkurrenz gewechselt als umgekehrt. Und ob der vormalige Ex-McKinsey-Berater Jochen Thewes der richtige Mann an der Spitze des Schenker-Konzerns sei, müsse er erst beweisen. Ebenso wie Kurt Leidinger, der seit November 2015 Schenker Deutschland als CEO führt.