Sattel- gegen Gliederzug

Sattel- gegen GliederzugÜberraschendes ErgebnisDer Gliederzug ist eine typisch deutsche Lösung, der Sattel eine europäische. Hat die Mehrheit recht? Der Vergleich Sattel- gegen Gliederzug bringt ein klares Ergebnis.Einige Anhänger-Hersteller sprechen von einer Renaissance des Gliederzuges. Keiner weiß recht warum, aber die Kunden bestellen wieder mehr Deichselanhänger. Ist der Gliederzug am Ende doch die wirtschaftlichere Lösung? Wer BDF-Brücken transportiert, hat keine Wahl. Alle anderen müssen sich fragen, ob der Sattelauflieger oder der Wechselkoffer das bessere, sprich günstigere Logistikkonzept darstellt – denn Festaufbauten sind nahezu ausgestorben. Um die Frage zu beantworten, ging die VR mit zwei identisch konfigurierten Scania R 440 Highline auf Testtour. Mit der klassischen Sattelzugmaschine mit 13,62er-Sattelcurtainsider sowie einem 6x2 als BDF-Fahrgestell mit Lafette und zwei 7,45er-Trockenfrachtkoffern. In beiden Fällen handelt es sich um Kombinationen mit Standard-Aufsattel- beziehungsweise Abstellhöhe. So konfiguriert transportiert der Sattel 33 Europaletten bei 93 Kubikmetern Ladevolumen. Beim Gliederzug sind es 36 bei 98,5 Kubikmetern. Es liegt in der Natur der Sache (oder besser gesagt am langen Radstand), dass der dreiachsige Motorwagen mehr Fahrkomfort bietet. Als BDF-Fahrgestell verfügt er außerdem über eine Vollluftfederung, was speziell im Fall des ansonsten hart gefederten Scanias zu viel mehr Fahrkomfort führt. Mit Teilbeladung, vor allem aber bei der Leerfahrt, teilt die Hinterachse der Sattelzugmaschine deutliche Schläge aus, wenn die Fahrbahn nicht topfeben ist. Die geringere Wendigkeit des 6x2 macht sich dagegen im Alltag kaum negativ bemerkbar. Wer es als Sattelzugfahrer gewöhnt ist, im Kurvenverlauf den inneren Randstein im Auge zu behalten, wird mit Deichselanhänger angenehm überrascht: Denn der folgt kreuzbrav der vom Motorwagen vorgezeichneten Spur – kein ausschwenkender Stirnstrahl, kein in die Kurve laufendes Achsaggregat, sehr verlässlich. Die Schwierigkeiten beginnen beim Hängerzug erst, wenn der Chauffeur zum ersten Mal an die Laderampe rangieren oder – noch schlimmer – umbrücken muss. Auch das lässt sich kurz abhandeln: Je nach Geschick dauert‘s von einer Stunde bis zu mehreren Tagen, ehe man das Gespann im Griff hat. Was einem die Arbeit erleichtert Wer die höheren Weihen erlangt hat, macht sich beim An- und Abhängen weit weniger dreckig als beim Umsatteln – Duomatic und Kupplungs-Fernentriegelung sei Dank! Warum gibt‘s so etwas nicht auch beim Sattel? Bei den Zugfahrzeugen bietet Scania für Euro 5/EEV gleich zwei Motorkonzepte auf gleicher Basis an: Als EGR sowie als SCR. Im Test fahren wir mit den „Abgasrückführern“, die nach bisheriger Erfahrung ein wenig mehr verbrauchen als die SCR-Triebwerke. Zu ihren Vorzügen zählt auf jeden Fall der variable Turbolader, der bei den Testautos für spontanen Antritt aus niedrigen Drehzahlen sorgt. Zudem hängt der DC13 genannte Sechszylinder prächtig am Gas und scheint fast zu ahnen, wann der Fahrer das Gaspedal nach unten drücken will. Der Hubraum des sahnig laufenden Aggregates ist nicht größer als bei vielen Wettbewerbern. Dennoch mobilisiert Scania schon bei der 440er-Version beachtliche 2300 Nm maximales Drehmoment. Das sind zwar 100 Newtonmeter weniger als beim ähnlich starken Actros 1845 mit Top-Torque (Standard: 2200 Newtonmeter; 2400 Newtonmeter im 12. Gang), dafür steht der Schwede in jeder seiner 14 (12 plus zwei Crawler) Fahrstufen glänzend im Futter. Es trägt zum entspannten Fahren bei, dass beide Kombinationen mit 2,59er-Hinterachsübersetzung und 315/70er-Bereifung recht lang ausgelegt sind. Das hält Drehzahl und Verbrauch auch bei hohem Marschtempo niedrig. Trotz tiefem Drehzahlniveau kann man die voll ausgeladenen Züge flott beschleunigen und souverän über die Steigungen der VR-Profi-testrunde bewegen. Seit der letzten Überarbeitung hat das automatisierte Opticruise-Getriebe qualitativ zum Primus I-Shift von Volvo aufgeschlossen. Schnelle Gangwechsel, eine exzellente Kupplungssteuerung sowie eine der Motorcharakteristik angepasste Schaltstrategie stehen auf der Habenseite. Im Vertrauen aufs üppige Motordrehmoment legt Opticruise ab 70 km/h den 14. Gang ein und lässt ihn auch stehen, wenn sich leichte Hügel in den Weg stellen. Grundsätzlich schaltet der „Automat“ knapp unter 1100 Touren zurück. Das sichert flottes Vorankommen auch in hügeliger Topographie. Wer die Reserven des Sechszylinders erleben möchte, wechselt in den manuellen Modus und lässt den DC13 mit knapp über 800 Touren à la Schiffsdiesel orgeln. Allerdings ist es dann vorbei mit der Vibrationsarmut. Ein gutes Fahrwerk bieten beide Testfahrzeuge. Die direkte Lenkung in Kombination mit der ausgezeichneten Lenkradposition und dem griffigen Volant sichern die gewünschte Verbindung zur Straße. Die Komfortwertung geht eindeutig an den 6x2. Der 4x2 vermittelt die straffere, fahrdynamischere Auslegung. Wobei BDF-Neulinge anfangs irritiert sind, wenn die Brücken bei der Kurvenfahrt das kleine Restspiel in ihren Twist-Lock-Verriegelungen ausnutzen und das dann bisweilen klappernd kundtun. R-Modell: Ideal für den Fernverkehr Die Highline-Kabine im „R“ wartet mit kaum wahrnehmbarem Motortunnel auf. Nach all den „G“-Highlines, die wir jüngst in den Tests fuhren, eine angenehme Erfahrung. Subjektives Raumgefühl und Stehhöhe profitieren eindeutig. Obwohl die Kabinen etwas höher auf dem Rahmen sitzen, bleiben Ein- und Aufstieg durch die treppenartige Anordnung der breiten Trittstufen bequem. Die grundsätzlich straffe Kabinenfederung findet einen guten Kompromiss aus wenig Schaukel- und Nickneigung sowie akzeptablem Komfort. So gut, wie sich der Schwede fährt, so gut bremst er auch. Zwar gibt‘s noch immer keine Zusatzmotorbremse, doch die starken und gut dosierbaren Retarder sorgen für Komfort und ordentlich Power zum Verzögern. Weil die Baureihen nicht eben Leichtgewichte sind, sollte Scania – auch im Hinblick auf das Mehrgewicht mit Euro 6 – dennoch über eine Ventilbremse nachdenken. Auch Volvo, Mercedes & Co. stehen in dieser Hinsicht besser da und wiegen mit leistungsfähiger Motorbremse rund drei Zentner weniger. Auch Retarderfans wollen weniger Kilo Wer sich jetzt wundert, dass ausgerechnet die VR-Tester, sonst erklärte Retarder-Fans, so etwas äußern: Gerade im BDF-Bereich wird mit wenig Gesamtgewicht gefahren. Da muss es dann nicht unbedingt immer eine Hydrobremse sein. „BDF“ ist das passende Stichwort, um zur eingangs gestellten Frage zurückzukehren. Den Ausschlag für eine abschließende Antwort geben Ladevolumen, Zahl der Palettenstellplätze sowie die Kostenrechnung der Gesamtzüge. Und da sieht es nicht gut aus für den BDF-Zug. Obwohl wir eine Runde mit Teilbeladung absolviert haben – was dem solo gefahrenen BDF-Motorwagen einen erheblichen Verbrauchsvorteil gegenüber dem teilbeladenen Sattelzug verschafft hat – liegen am Ende Diesel- (siehe Testwerte Seite 88) und Betriebskosten (siehe Kostenrechnung Seite 89) des Wechselbrückenzuges so hoch, dass er weder auf die Stellplätze noch aufs Ladevolumen bezogen punkten kann. Bei Letzterem öffnet sich die Schere sogar noch weiter, was den Standard-Wechselbrückenzug unwirtschaftlicher macht. Falls jetzt ein Aufschrei durch die Branche geht: Diesen Schluss scheinen außerhalb Deutschlands die meisten gezogen zu haben ... Das mag anders aussehen, wenn der Gliederzug seine Vorteile ausspielen kann: In engen Höfen, wo man keinen Sattel rangiert oder abgestellt bekommt. Oder wenn der Gliederzug auf Volumen optimiert wurde und unter Ausnutzung aller Toleranzen bis zu 117 Kubikmeter transportieren kann. Dass diese Tiefkuppler mit Zentralachsanhänger, kleinen Reifenquerschnitten und Low-Liner-Fahrwerk enorme Anforderungen an ihre Fahrer stellen, durften wir schon an anderer Stelle feststellen. So bleibt für uns – völlig unabhängig vom Fahrzeughersteller – am Ende die Feststellung, dass die Frage nicht mehr lautet: Sattel- oder Gliederzug? Sondern eher: Standard-Sattel oder nicht gleich doch Eurocombi? ❙❚■ Gerhard Grünig highline-Kabine und preispolitik Zur Grundausstattung gehören nur Sitz, Lenkrad und Motor ... Scania wandelt auf dem schmalen Pfad, alles Notwendige anzubieten, mehr aber auch nicht – oder nur gegen Aufpreis. Trotzdem hat der Fahrer nicht das Gefühl, Verzicht üben zu müssen. Das Innenlichtkonzept mit zwei Deckenstrahlern, Rotlichtern und Spots erfüllt Grundbedürfnisse. Xenon-Licht ist entbehrlich, weil es sich auf den Bereich vor dem Fahrerhaus konzentriert und wenig bringt, H4 reicht völlig aus. Das Stauvolumen im Highline umfasst etwa 700 Liter und reicht für typische Touren mit zwei, drei Übernachtungen meist aus. Der Motortunnel schränkt Stehhöhe und Bewegungsfreiheit in der R-Kabine kaum ein – das G-Haus ist nichts für den internationalen Fernverkehr. Ein üppiges Raumgefühl gibt‘s nur ohne oberes Bett. Unten liegt es sich, nach Auszug der Liege, ordentlich (2,25 x 0,8 m). Leider müssen die Sitze dann nach vorn. Sitz- und Lenkradverstellbereich sind top. Gut: das trotz vieler Funktionen leicht bedienbare Multifunktionslenkrad und die Lenkradverstellung. Die hellbraunen Stoffe sind empfindlich – wirken aber freundlich. ggkostenrechnung Kaufpreis 4x2/6x2: 87.000/94.500 Euro Kaufpreis Auflieger/Lafette: 20.000/10.000 EuroKaufpreis Wechselbrücke(n): 24.000 Euro Reifenlaufleistung: 145.000 km Einsatztage: 240 Auslastung: 80 % Verbrauch (4x2/6x2): 31,75 l/33,23 l pro 100 kmKOSTENRECHNUNG (netto) km-Kosten (nur Fahrzeugkosten, ohne Teuerung/Restwert; 150.000 km Jahreslaufleistung, inkl. Regelwartung) Kaufpreis (Sattel/BDF): 107.000/128.500 Euro Ersatzpreis Reifen (Michelin Greensaver): 5000 EuroKraftstoffpreis: 1,26 Euro/l kalkulatorischer Zins: 8,5 % Zeit-/Leistungsabschreibung: 30 %/70 % Nutzungsdauer: 48 Monate Wartungs- und Rep.kosten: 6000/7000 Euro/JahrKFZ-Steuer: 556 Euro/Jahr Haftpflichtversicherung: 4505 Euro/Jahr Vollkasko-Versicherung: 1703 Euro/Jahr KALKULATION variable Kosten (Euro/100 km)Leistungsabschreibung: 13,73 Kraftstoffkosten: 40,01 Schmierstoffkosten (anteilig): 1,20 Reifenkosten (anteilig): 3,45 Wartungs-/Reparaturkosten: 4,62 SUMME variable Kosten: 63,00 Fixkosten (Euro/Jahr) Zeitabschreibung: 7650,00 kalkulatorischer Zins: 4547,50 Steuer + Versicherung: 6764,00 SUMME Fixkosten: 21.852,94 Fixkosten (Euro/100 km): 16,81 SUMME Fix- + variable Kosten: 79,81 Gesamtkosten (Euro/Jahr): 103.752,39 Kosten (Euro/Tag): 432,30 GESAMTKOSTEN während der Nutzungsdauer: 415.009,57 Kosten (€)/Stellplatz und Tag: 13,10 Kosten (€)/m3 und Tag: 4,65 KALKULATION variable Kosten (Euro/100 km)Leistungsabschreibung: 16,63 Kraftstoffkosten: 41,87 Schmierstoffkosten (anteilig): 1,26 Reifenkosten (anteilig): 3,45 Wartungs-/Reparaturkosten: 5,38 SUMME variable Kosten: 68,58 Fixkosten (Euro/Jahr) Zeitabschreibung: 9263,00 kalkulatorischer Zins: 5461,25 Steuer + Versicherung: 6764,00 SUMME Fixkosten: 24.379,19 Fixkosten (Euro/100 km): 18,75 SUMME Fix- + variable Kosten: 87,34 Gesamtkosten (Euro/Jahr): 113.538,11 Kosten (Euro/Tag): 473,08 GESAMTKOSTEN während der Nutzungsdauer: 454.152,44 Kosten (€)/Stellplatz und Tag: 13,14 Kosten (€)/m3 und Tag: 4,80 Kommentar Sattel-Sieg Das Ergebnis ist unerwartet, aber klar: Mit Standardmaßen hat der Sattelzug die Nase vorne – egal ob auf Stellplätze oder Volumen gerechnet. Es wäre also wirtschaftlicher und umweltfreundlicher, 396 Paletten mit zwölf Sattel- statt elf Gliederzügen auf die Reise zu schicken! Kontakt: gerhard.gruenig@springer.comDrei Palettenstellplätze mehr sind eine magere Ausbeute für den relativ hohen Aufwand Der 440 PS starke EEV-Motor erweist sich als ideale Motorisierung für alle Fälle technische daten Motor Wassergekühlter Sechszylinder-Reihenmotor; VGT-Lader mit LLK, zweistufige Abgasrückführung, vier Ventile pro Zylinder, SCR-System mit elektronisch geregelter Adblue-Einspritzung, Achtloch-Düsen, Euro EEV; Typ: Scania DC13 10 440; Hubraum: 12.740 cm3; Bohrung x Hub: 130 x 160 mm; Verdichtung: 17,3:1; Einspritzung: XPI (Common-Rail), EDC; Nennleistung: 440 PS (324 kW) bei 1900/min; max. Drehmoment: 2300 Nm bei 1000-1300/min Getriebe/Kupplung Kupplung: automatisierte, elektrohydraulisch betätigte ZF-Sachs-K-432-48-Einscheiben-Trockenkupplung; 430 mm Durchmesser; Getriebe: Opticruise, synchronisiertes Dreigang-Grundgetriebe (GRS905R), Range- und Splitgruppe, 12+2 Vorwärtsgänge, 2 Rückwärtsgänge; Scania-Retarder (3500 Nm Bremsmoment; Option, im Test-LKW verbaut); Crawler: 16,41 / 13,28, Fahrgänge: 11,32 / 9,16 / 7,19 / 5,82 / 4,63 / 3,75 / 3,02 / 2,44 / 1,92 / 1,55 / 1,24 / 1,00, Rückwärtsgänge: 14,77 / 11,95; Hinterachsübersetzung: i=2,59 Fahrwerk Vorn: starre Faustachse Scania AM 740, Zweiblatt-Parabelfeder mit Stabi; Hinten: einfach untersetzte Hypoidachse, Scania ADA 1302, Zweibalg-Luftfederung, Stabi (Option), zuschaltbare Differenzialsperre (Serie); Nachlaufachse des 6x2: ASA 700 (liftbar), Reifen (im Test): VA 315/70 R 22.5; HA 315/70 R 22.5, Felgen (im Test): 9.00 x 22.5 Alu (Option; Serie: Stahl) Bremse Zweikreis-Druckluftbremsanlage mit Scheibenbremse; EBS, ABS, ASR, Lufttrockner, Laststeuerung über EBS-Elektronik, Feststell¬bremse durch Federspeicher auf die Hinterräder wirkend, Motorbremse: Auspuffklappe (max. 235 kW bei 2400/min) Maße & Gewichte Radstand (mm): 3700; L x B x H (mm): 6158 x 2500 x 3835 (o. Spoiler); Gewicht (Testfahrzeug): 7650/9520 kg; Testgewicht: 40/23 t Detaillierte Ergebnisse unter www.verkehrsrundschau.deGenerell bieten die Scania-Sechszylinder mehr Drehmoment als viele Wettbewerber. Durch den VGT-Lader hängen sie sehr gut am Gas. Mit EEV verbrauchen sie etwas mehr als die vergleichbaren SCR-Triebwerke.

Sattel- gegen Gliederzug

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