Risiken absichern

Ey-ja-fjal-la-jö-kull: Dieser isländische Vulkan mit dem nahezu unaussprechlichen Namen bestimmte im Jahr 2010 die internationalen Schlagzeilen und bewegt selbst heute noch Logistiker. Denn die gigantische Aschewolke, die damals aus seinem Krater von Island nach Europa zog, löste ein beispielloses Chaos aus. Mehr als 100.000 Flüge fielen damals aus - mit zum Teil empfindlichen Folgen - auch in der Logistik. Spätestens da war jedem Unternehmen klar, wie risikoanfällig Supply Chains (Lieferketten) mittlerweile sind. Welche Risiken drohen, gerade weil die Unternehmen durch die Digitalisierung, aber auch Globalisierung immer enger vernetzt zusammenarbeiten. Funktioniert nur einmal ein einziges Glied in dieser Kette nicht, wie im Falle des Vulkanausbruchs auf Island, drohen empfindliche Versorgungsengpässe, im teuersten Falle sogar Bandstillstand. Drei Prozent sind existenzbedrohend Wie die neue Supply Chain Risk Management Studie 2019 der Unternehmensberatung Miebach Consulting zeigt, erleiden Unternehmen in ihren Lieferketten jedes Jahr im Schnitt zehn Störungen. Drei Prozent dieser Störungen seien sogar existenzbedrohend, heißt es. Für die existenzbedrohenden Störungen sind zwar, wie die Studienergebnisse zeigen, in hohem Maße die direkten Lieferanten (33 Prozent) verantwortlich. Bei der Betrachtung aller Störungen aber nennen die befragten Unternehmen schon an zweiter Stelle logistische Dienstleister (13,6 Prozent), die für solche Störungen verantwortlich zeichnen - knapp hinter den direkten Lieferanten (14,4 Prozent) (siehe Grafik Seite 21). Und die Studie zeigt auch: Das Thema Supply Chain Risk Management rückt für die Logistikentscheider verstärkt in den Fokus. "90 Prozent der befragten Unternehmen gehen davon aus, dass die Bedeutung von Supply Chain Risk Management allgemein zunehmen wird. Und für das eigene Unternehmen erwarten dies sogar 94 Prozent der Befragten", betont Studienautor Bernd Müller-Dauppert, Mitglied der Geschäftsleitung von Miebach Consulting (siehe Kasten Seite 21). Für ihn heißt das ganz klar: Im Bereich Supply Chain Risk Management wird in den Unternehmen in den nächsten Jahren sicher viel passieren - mit entsprechend neuen Anforderungen der Auftraggeber an ihre Lieferanten, aber auch ihre Transport-, Speditions- und Logistikpartner. Denn die Studie zeigt auch, dass in vielen Betrieben die Notwendigkeit eines Supply Chain Risk Managements zwar offenbar erkannt, aber nur sehr rudimentär umgesetzt ist. "Nur ein Drittel der Befragten hat demnach einen unternehmensübergreifenden Supply-Chain-Risk-Management-Prozess definiert", warnt Müller-Dauppert. Positiv sei aber, unterstreicht er, dass sich rund ein Drittel der Befragten regelmäßig über Informationen mit den Supply-Chain-Partnern austauschen, und bei fast zwei von fünf Unternehmen erfolge der Austausch zumindest in unregelmäßigen Abständen. Auch über die Gründe der mangelnden Zusammenarbeit der Supply-Chain-Partner im Risk Management hat Miebach Consulting die Firmen befragt. Wie sich zeigte, reichen diese von unzureichender Ressourcenverfügbarkeit über mangelnde Transparenz, fehlende technologische Voraussetzungen bis hin zu fehlendem Knowhow bei der Umsetzung der Initiativen. Interessant dabei ist, dass wider Erwarten eine geringe Akzeptanz und fehlendes gegenseitiges Vertrauen eher als nachrangige Gründe für die mangelnde Zusammenarbeit genannt wurden. Und was rät Müller-Dauppert, Speditions- und Logistikdienstleistern jetzt zu tun? "Sprechen Sie diese Themen offen, vor allem proaktiv bei Ihren Auftraggebern an. Das zeigt, dass Sie verantwortungsvoll für sie mitdenken", empfiehlt er. "Vor allem aber stellen Sie Ressourcen, personelle, aber auch finanzielle in Ihrem Unternehmen für Supply Chain Risk Management bereit. Das Thema wird uns alle die nächsten Jahre stärker begleiten", ist sich der Logistikexperte sicher. Mehr zum Thema im Dossier Unternehmensführung www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Vulkanausbruch in Island, Streiks in Südafrika, Tsunami in Japan oder schlichtweg eine Grippewelle beim Logistikdienstleister - es gibt viele Risiken, die Lieferketten gefährden. Abhilfe verspricht laut Miebach Consulting Supply Chain Risk Management. Damit kommen neue Aufgaben, auch auf Logistikdienstleister, zu. "Informieren Sie Ihre Kunden proaktiv über etwaige Störungen" Es gibt unzählige Zertifizierungen, Kennzahlen- und Bewertungssysteme. Trotzdem tun Ihrer Studie zufolge die Firmen in puncto Supply Chain Risk Management zu wenig. Was kann ein solches System, was die anderen nicht leisten?Die meisten solcher Systeme beziehen sich auf die Firmen selbst und beziehen zu wenig die Transport- und Logistikpartner, Lieferanten und Kunden ein. Dabei ist es heute angesichts der Komplexität so wichtig, einen Überblick über alle Prozesse zu haben und so etwaige Risiken bei allen Partnern der Kette früh erkennen und absichern zu können.Laut Ihrer Studie sind Logistikdienstleister am zweithäufigsten für Störungen in Supply Chains verantwortlich. Was raten Sie?Da Verlader zunehmend auch komplexe Logistikaufgaben fremdvergeben, sind sie von ihren Logistikdienstleistern ein gutes Stück abhängig. Bricht dort etwa eine Grippewelle aus, kann das die Lieferkette gefährden. Dienstleister sollten daher Personalkonzepte, einen Plan B, entwickeln, um solche Risiken abzusichern und Handlungsoptionen zu haben. Essenziell ist auch, dass sie ihre Kunden proaktiv über etwaige Störungen im Prozess informieren, wenn etwa Engpässe drohen. Das tun aber viele zum Ärgernis vieler Auftraggeber noch zu wenig. Mein Tipp: Informieren Sie als Dienstleister Ihre Kunden idealerweise systemgestützt über den Status Ihrer Aufträge und rechtzeitig über anstehende Engpässe. Kunden können so frühzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder Reduzierung von negativen Auswirkungen ergreifen. Das schafft Vertrauen. ehBernd Müller-Dauppert, Mitglied der Geschäftsführung Miebach Consulting

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