Projektabschluss SAFE20: Autonome Lkw auf Dachser-Gelände

Es war das Aufzeigen von Dimensionen, was die Besucher der Bilanzveranstaltung des Projektes SAFE20 Mitte Februar zu sehen bekamen. Auf dem Dachser-Werksgelände in Langenau bei Ulm wurde seit 2020 der Betrieb von autonomen Umsetzfahrzeugen vorbereitet – im Herbst des vergangenen Jahres begann schließlich der Testbetrieb. Das Ziel: Die Fahrzeuge sollen sich im trubelhaften Verkehr des Werksgeländes zurechtfinden und eigenständig Rangieraufträge mit Sattelaufliegern und Wechselbrücken absolvieren. SAFE20 wurde als Name gewählt, da die Maximalgeschwindigkeit der Fahrzeuge idealerweise 20 Kilometer pro Stunde betragen sollte. An dem Projekt waren mehrere Unternehmen beteiligt: Die Koordination übernahm der Technologiekonzern ZF, weitere Konsortialpartner waren neben Dachser die Sick AG, Götting KG, TII KAMAG, Sensor-Technik Wiedemann GmbH sowie die Fraunhofer Institute für Materialfluss und Logistik (IML) und Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI). Der Dachser-Betriebshof in Langenau Das Werksgelände des Logistikdienstleisters umfasst 221.000 Quadratmeter Fläche, wovon etwa ein Drittel auf die Lagerflächen entfällt. Pro Jahr werden über 1,1 Millionen Sendungen für Kunden an 246 Verladetoren abgefertigt. Täglich gibt es über 1.000 Hofbewegungen. Wie funktioniert autonomer Betrieb? Den größten Teil der vierjährigen Projektdauer nahm die Vorplanung und Ausrüstung des Betriebshofes in Anspruch. Für den Feldversuch wurden zwei Umsetzfahrzeuge – eines für Wechselbrücken, eines für Sattelauflieger – des Herstellers Kamag komplett umgerüstet. Verschiedene Sensoren scannen die Umgebung und schaffen ein Abbild dessen, was sich vor und neben dem Fahrzeug tut. Parallel wurde ein Sicherheitskonzept für das Gelände erstellt: An mehreren ausgewählten Orten finden sich ebenfalls Sensoren und Kameras, die ein Livebild des Treibens auf dem Hof abbilden und mit den Erkenntnissen des Fahrzeuges kombiniert werden. An besonders sicherheitsrelevanten Orten – Zebrastreifen oder Rampen – findet sich zusätzliche Überwachungselektronik. So soll nicht nur gewährleistet sein, dass die Kamag-Umsetzer nicht mit Gegenständen oder Menschen kollidieren – es ermöglicht idealerweise auch eine Vorhersehbarkeit, welche Fahrzeuge wann den Weg der Umsetzer kreuzen. Die Aufträge erhält das Fahrzeug über eine Lösung des Fraunhofer IVI: Wird eine sogenannte Mission in das System eingegeben, berechnet dies eine Route über den Betriebshof, umschifft mögliche Hindernisse und kann perspektivisch sogar die Routen anderer autonome Fahrzeuge mit einbeziehen, damit sich diese nicht gegenseitig behindern. All diese Systeme mussten aufwändig miteinander verknüpft und getestet werden. Dabei galt es jegliche möglichen Komplikationen mit einzubeziehen. Was etwa, wenn ein Mensch beim Rückwärts-Rangieren der Trailer in die Zone hinter dem Fahrzeug läuft? Wie geht man damit um, wenn das Fahrzeug auf dem Hof überholt wird? Fragen, die man teilweise nur im Testbetrieb klären konnte. Erste Hürden An diesem Punkt wurde den Projektverantwortlichen vermutlich das erste Mal klar, wie groß die gesteckte Aufgabe ist. Sensoren sind je nach Bauform aktuell noch richtig teuer, weshalb nur einzelne Zonen auf dem Hof so ausgerüstet wurden, dass Fahrten mit 20 km/h möglich sind. Im restlichen Gebiet waren maximal 10 km/h erlaubt, was die Fahrzeuge laut André Bilz, dem Leiter Technischer Einkauf bei Dachser, immer wieder zu einem Hindernis für den umliegenden Verkehr machte. Bilz war es auch, der den tatsächlichen Praxisbetrieb der Fahrzeuge, der von November 2023 bis Januar 2024 lief, intensiv betreute. Spätestens hier wurde die ganze Dimension des autonomen Fahrens klar: Es gab etliche Hürden zu überwinden. So verwechselten die Sensoren dichtes Schneetreiben mit einem Hindernis, oder wurden durch andere Umwelteinflüsse gestört. „Wir waren in der Zeit nicht immer gerne gesehen“, bilanziert Bilz. Tatsächlich hatte der Dachser-Verantwortliche zu Projektbeginn die Vision, am Ende eine kauffertige Lösung auf dem Hof zu sehen. Davon ist man jedoch weit entfernt. Die Fahrzeuge funktionieren Jedenfalls – und davon konnte sich auch die VR beim Besuch auf dem Dachser-Gelände überzeugen – funktionierten die Fahrzeuge mit zunehmender Laufdauer immer besser. Weil die Erfahrungen und mögliche Probleme beim Betrieb direkt in die Entwicklung mit einbezogen werden konnten, wurden die Fahrzeuge sicherer. Dennoch, das ist auch die Bilanz, die Maximilian Schellert vom Fraunhofer IML zog, bleibt der menschliche Fahrer bisweilen immer noch schneller als die autonomen Maschinen. Obwohl in der Statistik freundlich mit 20 km/h Fahrtgeschwindigkeit auf dem gesamten Betriebshof gerechnet wurde, kamen die autonomen Umsetzfahrzeuge „nur“ auf acht (Sattelauflieger), beziehungsweise neun (Wechselbrücke) Arbeitsvorgänge pro Stunde; die Menschen schafften 13, beziehungsweise 14. Hintergrund ist unter anderem, dass jeder Schritt, den das Umsetzfahrzeug unternehmen muss, einzeln abgerufen wird. So besteht das rückwärts-Einparken eines Aufliegers schnell aus etlichen Einzelschritten, die nicht immer parallel zueinander laufen. Das sollte, so ist sich das SAFE20-Team aber sicher, in Zukunft optimierbar sein. Wann kommt Automatisierung? SAFE20 darf insgesamt als Erfolg gewertet werden. Denn man hat es nicht nur geschafft, mehrere Projektpartner so zu koordinieren, dass am Ende ein fahrbares Ergebnis dabei herausgekommen ist, man hat jetzt auch ein besseres Verständnis von der Aufgabe, die zu bewältigen ist. Schlussendlich braucht es wohl ein Unternehmen, das all die Aufgaben der acht Konsortialpartner – vom Sicherheitskonzept bis hin zur Fahrzeugbeschaffung- und Inbetriebnahme – übernimmt und es zu einer schlüsselfertigen Lösung ausbaut. Zudem gibt es für automatisierte Fahrten auf Betriebshöfen kaum Vorgaben in Sachen Betriebsschutz. Hermann Haase von der BG Verkehr glaubt, dass es dafür eine zeitintensive Normierung auf europäischer Ebene braucht. Bis diese vorhanden ist, werden autonome Betriebshöfe nur im Kleinstrahmen und nicht flächendeckend möglich sein. Auch an diesem Punkt sieht man, wie viel Neuland das autonome Fahren, selbst auf abgeschlossenen Betriebshöfen, noch ist. In den nächsten fünf Jahren, so prognostiziert der Konsortialpartner Hans-Heinrich Götting, werden die von SAFE20 angegangenen Systeme noch nicht vollends autonom abdeckbar sein. Knackpunkt ist dem Automatisierungsexperten zufolge unter anderem die Geschwindigkeit, die die Fahrzeuge erreichen sollen. Das ist aber nötig, denn für Unternehmen wie Dachser ist Zeit bares Geld. Stand jetzt sind automatisierte Umsetzsysteme also noch nicht wirtschaftlich darstellbar. Dennoch ist es den Partnern wichtig, das Thema weiter voranzutreiben– Dachser etwa sieht darin eine Lösung für den fortschreitenden Fachkräftemangel. SAFE20 gilt nun offiziell als beendet. Doch Thomas Wolf, der Gesamtprojektleiter aus dem Hause ZF blickt bereits in die Zukunft: „Wir haben noch einige Ergebnisse auszuwerten und ich bin mir sicher, dass wir dann auch wissen, wie es weitergeht“. Realistisch, so denken einige der Teilnehmer von SAFE20, ist vermutlich zunächst eine Weiterentwicklung und danach ein dosierter Einsatz zu geringeren Stoßzeiten oder auf kleineren Betriebshöfen. Wenn sich etwa nur eine Nachtschicht verlässlich mit autonomen Fahrzeugen abbilden ließe, wäre das schon ein großer Schritt.

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