Privatisierungsfrage spaltet große Koalition

Für CDU/CSU und SPD drängt die Zeit. Im Oktober hatten Bund und Länder im Rahmen der beschlossenen Neuordnung der Finanzbeziehungen die Gründung einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft verabredet. Denn die bisherige Auftragsverwaltung - der Bund zahlt, die Länder setzen um - gilt als wenig effizient. Daher brachte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Option ins Gespräch, bis zu 49,9 Prozent der Anteile an der Autobahngesellschaft privaten Geldgebern zu überlassen. Der Bund solle die Mehrheit an dem neuen Unternehmen halten. Die Aufregung war groß. "Die SPD lehnt eine private Rechtsform ab", erklärte Martin Burkert (SPD), Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Bundestages. Auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) fuhr seinem Kabinettskollegen in die Parade: "Es wird weder eine Privatisierung von Straßen noch der Autobahngesellschaft geben." Die Unveräußerlichkeit von Straßen sollten im Grundgesetz festgeschrieben werden. Im Kern geht es um die Auslegung des Grundsatzbeschlusses zwischen dem Bund und den Ländern. Während eine Privatisierung einzelner Straßen abgelehnt wurde, galt das nach Ansicht Schäubles nicht für die Beteiligung von Investoren an der Bundesautobahngesellschaft. Das fand einigen Widerspruch - auch aus der Union. Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Eckhardt Rehberg, sagte, es gebe noch keinen Konsens, Unternehmen zu beteiligen. Er sehe dafür keine Notwendigkeit. Von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) wird die Vorlage eines Gesetzesentwurfs erwartet. Trotz Zeitdrucks ist dies bisher aber nicht geschehen. Dem Bundesfinanzminister als treibende Kraft geht es darum, dass Kredite der Gesellschaft nicht der Schuldenbremse und den Maastricht-Kriterien zugerechnet werden. Die politische und rechtliche Ausgliederung des Verkehrsnetzes könnte dem Bund helfen, keine Schulden zu machen und die schwarze Null zu wahren. SPD will öffentlich-rechtliches Modell Die SPD ist strikt dagegen, an einer geplanten Bundesautobahngesellschaft beispielsweise Banken oder Versicherungen zu beteiligen. Die Sozialdemokraten wollen stattdessen eine öffentlich-rechtliche Gesellschaft gründen. Diese könne auch Geld auf dem Kapitalmarkt aufnehmen, betonte Burkert. Dafür hatte sich unter den Ländern das rot-rot-grün regierte Thüringen in einem Minderheitsvotum stark gemacht. Für ein solches Modell könnten sich offenbar auch die Grünen erwärmen, ohne deren Zustimmung im Bundesrat die für die Bundesautobahngesellschaft notwendige Grundgesetzänderung (Artikel 90) nicht zustande käme. "Wir wollen nicht, dass Autobahnen zu profitorientierten Anlageobjekten für Banken und Versicherungen auf Kosten von Autofahrern werden", betonte Fraktionsvize Oliver Krischer. Die Linke spricht von einem "Privatisierungswahn" Schäubles. Aus der Wirtschaft sind unterschiedliche Stimmen zu hören. Wegen der dauerhaft niedrigen Zinsen suche man nach langfristigen Anlagemöglichkeiten, sagte ein Sprecher der Allianz-Versicherung. Jetzt soll Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) mit den Staats- und Senatskanzleien der Länder verhandeln. Noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 sollen Bundestag und Bundesrat über eine Verfassungsänderung abstimmen. Rechtsanpassung Artikel 90 des Grundgesetzes müsste geändert werden Für die Schaffung einer Bundesautobahngesellschaft ist eine Änderung des Grundgesetzes nötig - und damit die Zustimmung des Bundesrats. Artikel 90 Absatz 2 Grundgesetz besagt bisher:"Die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften verwalten die Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrage des Bundes." ag