Phönix aus der Asche

Rund 200 Kilogramm Sprengstoff, ein lauter Knall und jede Menge "Sprengtouristen": Kesselhaus, Kühlturm und Schornstein des stillgelegten Steinkohlekraftwerks Knepper zwischen Dortmund und Castrop-Rauxel fielen an einem Sonntag Mitte Februar spektakulär in sich zusammen. Stillgelegt hatte es der Energiekonzern E.ON bereits Ende 2014, 2017 erhielt die unter anderem auf Rückbau, Abriss und Revitalisierung von Industriearealen spezialisierte Hagedorn-Unternehmensgruppe den Zuschlag für das strategisch günstig gelegene Areal an den Autobahnen A 2, A 42 und A 45. Die Zukunft der 59 Hektar großen Kraftwerksbrache ist bereits besiegelt - hier werden in den nächsten Jahren Logistikflächen entstehen. Diese sind bekanntlich begehrt, erst recht in Toplagen wie dem Ruhrgebiet. In den großen Logistik-Hotspots gelten sogenannte Brownfield-Projekte - das Gegenstück zu den Greenfield-Neubauten auf der grünen Wiese - als rare Gelegenheit, an einem guten Standort mit bester Anbindung großflächig Logistikimmobilien zu errichten. Das weiß auch Sebastian Ott, als Investment Director Northern Europe bei Segro Germany für den An- und Verkauf von Immobilien-Assets in Deutschland, Österreich und Benelux verantwortlich. Für die Entwicklung des Kraftwerkgeländes hat der Immobilienentwickler eine Projektgesellschaft mit der Firma Hagedorn gegründet. "Sobald das Baurecht für das Grundstück geschaffen wurde - damit rechnen wir bis Ende 2019 -, kann Segro das Grundstück übernehmen und entwickeln", erklärt Ott. Mit dem Kraftwerk Knepper habe sich Segro eines der letzten Grundstücke in dieser Größenordnung in der Region sichern können, freut sich der Investment-Experte. Das Rhein-Ruhr-Gebiet sei sicherlich der größte Markt für Brownfield-Entwicklungen. "Hier gibt es eine riesige Nachfrage nach Logistikflächen, und es sind, auch wenn das Angebot knapper wird, Industrieareale tatsächlich noch für die Neuentwicklung verfügbar", erklärt Ott. In anderen Regionen sei das schwieriger. "Wir wollen uns aber auch gar nicht in B- oder C-Lagen begeben, nur weil es dort vielleicht ein interessantes Grundstück gibt. Wir konzentrieren uns auf die Topstandorte und suchen hier ganz konkret nach Gelegenheiten." Es müssten auch nicht immer gleich 600.000 Quadratmeter sein, betont der Segro-Manager. "Auch Grundstücke ab 20.000 Quadratmetern können spannend sein, wenn der Standort stimmt", erklärt er. Keine neue Flächenversiegelung nötig Das sehen andere Marktteilnehmer offenbar ähnlich. Prologis etwa entwickelt derzeit spekulativ in Pulheim nordwestlich von Köln eine Logistikanlage mit rund 26.000 Quadratmetern, verteilt auf drei Einheiten. Die Fertigstellung ist für das dritte Quartal 2019 geplant. Das rund 47.500 Quadratmeter große Grundstück war zuvor im Besitz der HeidelbergCement AG. Prologis hat das Gelände erworben und revitalisiert nun die Flächen. "In Regionen, die von Flächenknappheit geprägt sind, bietet uns die Nutzung von Brownfields die Möglichkeit, unseren Kunden Raum an begehrten Standorten anzubieten", sagt Alexander Heubes, Senior Vice President, Country Manager, Prologis. "Dabei führen wir diese ehemaligen Industrieareale wie in Pulheim einer neuen, nachhaltigen Nutzung zu. Der Vorteil ist, dass keine neuen Flächen versiegelt und in vielen Fällen Altlasten beseitigt werden", so Heubes. Kontraktlogistik statt Brennelementen Die Garbe Industrial Real Estate und die Bremer Projektentwicklung haben derweil in einem Joint Venture ein 35.000 Quadratmeter großes Grundstück im Technologiepark Hanau erworben. Auf dem Gelände des heutigen Parks wurden bis Ende der 1980er-Jahre Brennelemente für Kernkraftwerke produziert. 2008 ging das Bunker-Areal, eine Teilfläche des Gesamtkomplexes, auf den Internetprovider 1&1 über, der zunächst ein Rechenzentrum realisieren wollte, diese Pläne aber nicht verwirklichte. Nun soll die Fläche nach dem Rückbau der letzten aus dieser Zeit verbliebenen, ungenutzten Anlage mit modernen und nachhaltigen Gewerbe- und Logistikflächen bebaut werden. Nach der Revitalisierung ist der Bau einer circa 20.000 Quadratmeter großen Multi-User-Immobilie geplant, die voraussichtlich im Frühjahr 2020 fertig sein soll. Alte Industrieareale umzurüsten, bringt allerdings auch eine ganze Reihe von Herausforderungen mit sich, die bei klassischen Greenfield-Projekten nicht anfallen. "Was Brownfield-Projekte klar von Entwicklungen auf der Grünen Wiese unterscheidet, ist, dass sie langfristiger zu betrachten und damit auch etwas risikobehaftet sind", räumt Segros-Investmentexperte Ott ein. Am Anfang eines Brownfield-Projekts stehe daher immer die Ankaufsprüfung, für die externe Partner und Berater beauftragt werden. Ein Architekt etwa prüfe die grobe Planung, indem er das Gebäudelayout auf das Grundstück legt und analysiert, wie viel Fläche es für eine Vermietung hergibt. Für die Beantwortung der wichtigsten Fragen müsse man immer in Vorleistung gehen, betont Ott. Welche Gebäudesubstanz habe ich, und mit welchen Kosten muss ich bei einem Abriss rechnen? Welche Risiken sind zu erwarten, etwa in puncto Umweltbelastung durch Asbest in Gebäuden oder Chemierückständen im Boden? "Wir bauen zwar keine Schulen oder Kinderspielplätze. Aber auch bei Projekten für die Industrie- und Logistiknutzung muss man natürlich sehr genau wissen, was sich im Boden verbirgt, und macht Probebohrungen", erklärt Ott. Liegt dann etwa ein massiver Grundwasserschaden vor, werde man als potenzieller Käufer vielleicht doch besser die Finger davon lassen. "Dann haben wir zwar für die Ankaufsprüfung 30.000 Euro in die Hand genommen. Da es aber um die Entscheidung für oder wider Projekte im mittleren zweistelligen Millionenbereich geht, sind diese Kosten zu vernachlässigen", sagt Ott. Die Kriterien, die am Ende einem Areal den Zuschlag geben, sind demnach vielfältig, das Allerwichtigste ist und bleibt aber der Standort. "Wenn wir uns Grundstücke in Toplage, idealerweise im innerstädtischen Raum, sichern können, ist das wichtigste Kriterium erfüllt", meint Ott. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei der zeitliche Rahmen, das heißt, wie hoch der Rückbau- und Abrissbedarf ist, bis man überhaupt bauen kann. Weitere Faktoren wie etwa die digitale Infrastruktur seien dagegen eher nebensächlich - zumal diese in den von Segro präferierten Lagen ohnehin bereits gegeben ist. "Ob es an einem Standort beispielsweise Glasfaser-Internet gibt, davon würden wir eine Kaufentscheidung nicht abhängig machen. Ob man das bei Bedarf nachrüstet, ist Teil der Kostenkalkulation", sagt Ott. Denkmalschutz alter Fassaden im Blick Eine größere Herausforderung bei der Brownfield-Entwicklung ist der Faktor Denkmalschutz, denn auch Industrieanlagen verfügen mitunter über denkmalgeschützte Gebäude beziehungsweise Fassaden. "Dieser Denkmalschutz kann einen Strich durch Neubaupläne machen", sagt Ott. Andererseits passe der Stil alter Ziegelstein-Industriegebäude beispielsweise auch sehr gut für loftartige Büros. Sein Unternehmen wisse das aus eigener Erfahrung: Im Citypark Düsseldorf hat Segro alte Gebäudefassaden in den neuen Park integriert - und dort auch die eigene Nordeuropa-Zentrale untergebracht. Mehr zum Thema im Dossier Logistikimmobilien www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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