Palettenpacker aus Stahl

Bier, Chips, Dosenravioli, Tempos, Spüli, Toast, Marmelade, Kaffee. Nein, das ist nicht der Einkaufszettel fürs nächste Wochenende, sondern der Inhalt einer typischen Mischpalette, wenn sie sich auf den Weg aus dem Handelslager in die Filiale macht. Alles liebevoll in Handarbeit und filialgerecht von den Lagermitarbeitern auf den Ladungsträger geschichtet. Das erfordert viel Erfahrung: Bier auf Chips geht nicht gut. Und auch Durchhaltevermögen ist gefragt. Denn trotz aller Hilfsmittel ist das Kommissionieren von Bierkisten kein leichter Job. Diesen Uralt-Prozess wollten die Ingenieure des Lagerautomatisierers Dematic modernisieren. In der Intralogistik heißt das meist: Automatisieren. Herausgekommen ist das AMCAP-System (Automated Mixed Case Palletising). Auf Deutsch: automatisches Packen von Mischpaletten. Und das geht so: Die artikelreinen Vollpaletten kommen vom Konsumgüterhersteller in den Wareneingang des Handelsdistributionszentrums und verschwinden von dort an ihren Lagerplatz. Werden die Waren zum Kommissionieren benötigt, schaffen Flurförderzeuge oder Fördertechnik sie zu einer Depalettierstation. Dort angekommen, entstapelt ein Roboter die Palette Lage für Lage. Der Roboterarm setzt die Gebinde auf eine Fördertechnikstrecke. Während der Fahrt werden die Kartons vereinzelt und wenn nötig in die richtige Position gedreht. Am Ende der Tour wartet ein Shuttle auf sie. Der Trick mit dem Shuttle-Puffer Das sogenannte Multishuttle 2 Flex lagert die Gebinde bis zu vierfach tief ins Regal des Sequenzierungspuffers ein. Wo Chips, Tempos und Bier landen, entscheidet die Systemsoftware. Dieses Zwischenlager sorgt dafür, dass Shuttle die Waren hinterher in der benötigten Reihenfolge abholen und die Palettierstation mit Nachschub versorgen können. Bestellt eine Filiale ihre Waren, dann berechnet die Software PackBuilder, welche Gebinde in welchem Muster auf die Palette oder in den Rollbehälter gestapelt werden. Dabei berücksichtigt das Programm Größe, Gewicht und Verpackungseigenschaften der Gebinde. Zudem hat es im Blick, wo und in welcher Reihenfolge die Filialmitarbeiter die Artikel später im Laden verräumen. Dabei soll der Ladungsträger volumenoptimiert mit möglichst vielen Waren bepackt werden. Jetzt schnappen sich die Shuttle im Sequenzierungspuffer die benötigten Waren und bringen sie in der richtigen Reihenfolge zur Palettierzelle namens RapidPall. Dort wartet bereits eine Leerpalette auf sie. Über einen Schiebemechanismus - ähnlich dem Schieber eines Croupiers beim Roulettespiel - werden erst der Sechserpack Bier und dann der Chipskarton auf der Palette platziert. Je mehr Waren sich auf der Palette stapeln, desto mehr senkt das System den Ladungsträger ab. Die fertigen Lagen umwickelt ein Ringwickler mit Folie und sichert sie für den Transport. So verpackt landet die Palette im Warenausgang. In den Lkw Richtung Filiale verladen soll die von Maschinenhand gepackte Mischpalette aufgrund der höheren Packdichte mehr Waren beherbergen als ein manuell gestapelter Ladungsträger. Das erhöht die Auslastung des Verteiler-Lkw. Shuttle sind eine Alternative zu Regalbediensystemen. Sie bewegen sich in der Regalgasse auf Schienen an einer Regalebene und lagern dort Waren ein und aus. Über einen Vertikalförderer können die Shuttle die Regalebene wechseln. Dann muss nicht in jeder Ebene ein Shuttle eingesetzt werden. Verzicht auf Tablare reduziert die Arbeit Das Multishuttle 2 ist die neueste Generation der Shuttle-Technologie von Dematic. Es ist laut dem Hersteller halb so schwer und doppelt so schnell wie das Vorgängermodell. Das ermöglicht eine höhere Nutzlast und Lagerfrequenz. Die im AMCAP eingesetzte Flex-Variante ist mit einem flexiblen Lastaufnahmemittel ausgestattet und kann Waren in verschiedenen Verpackungs- beziehungsweise Gebindeformen einlagern. Dazu zählen eingeschweißte Artikel, Dosen, Gläser-Trays, offene oder geschlossene Kartons sowie unterschiedliche Getränkeeinheiten. Das Besondere an dem System: Die Anlage kommt ohne die sonst für das Handling üblichen Tablare aus. Das spart Zeit, Platz und Geld. Zeit, weil die Ware zum Einlagern im Puffer nicht erst von der Palette auf ein Tablar aufgesetzt werden muss, um später beim Stapeln der Mischpalette wieder von ihrem Untersatz getrennt zu werden. Platz: Ohne den genormten Untersatz beanspruchen die Waren nur den Raum ihrer Verpackungsgrundfläche im Sequenzierungspuffer - kleine Verpackungsmaße gleich wenig Platzbedarf. Damit lässt sich die Lagerdichte erhöhen. Geld, weil die Investition in Plastikträger entfällt. Zeit, Platz und Geld, weil Lagerbetreiber sich das Leerguthandling der Tablare ersparen. Für den Einsatz im Lebensmitteleinzelhandel beziffert Dematic den Durchsatz in der Palettierzelle auf "600 Einheiten oder mehr pro Stunde". Welche Ersparnis der Palettenpacker aus Stahl im Vergleich zu seinen Kollegen aus Fleisch und Blut bringt, will Dematic nicht beziffern. Das hänge unter anderem von der Art des Betriebes und dem Standort ab. Ein Mehrschichteinsatz und ein hohes Lohnniveau würden die Amortisationszeit verkürzen. Das Konkurrenzprodukt Die Order Picking Machinery von Witron schafft 500 Picks Bereits seit 2003 gibt es von dem Intralogistik-Anbieter Witron die Order Picking Machinery (OPM). Laut dem Hersteller ermöglicht es die OPM, gut 95 Prozent des Artikelspektrums eines Vollsortimenters im Handel komplett ohne Personaleinsatz filialgerecht in Gangfolge auf Paletten beziehungsweise in Rollcontainer zu schichten. Herzstück des mit Tablaren arbeitenden Systems ist die Beladevorrichtung COM (Case Order Machine), welche mit einer Systemleistung von über 500 Picks pro Stunde Handelseinheiten auf Ladungsträger kommissioniert.Dabei sollen die Paletten bis zu 20 Prozent dichter gepackt sein. Auch diese Maschine verzichtet auf Roboter mit Greif- oder Saugtechnik beim Packen der Palette und nutzt Schiebe- und Hebetechniken. sv