Düsseldorf. „Die bisherigen Investitionen des Staates in die Verkehrsinfrastruktur sind absolut unzureichend“. Diese alarmierende Botschaft der nordrhein-westfälischen Wirtschaft ist das zentrale Ergebnis einer Umfrage der nordrhein-westfälischen Industrie- und Handelskammern, an der sich landesweit mehr als 3000 Unternehmen beteiligten. „Dieses eindeutige Signal von über 90 Prozent der antwortenden Unternehmen sollte die Politik veranlassen, ihren Ankündigen nunmehr konkrete Taten folgen zu lassen“, unterstreicht Joachim Brendel von der Industrie- und Handelskammer NRW.
Angesichts der Tatsache, dass in den vergangenen zwanzig Jahren ein Großteil der Mittel in den Aufbau Ost geflossen sind, verwundere es nicht, dass die große Mehrheit der Unternehmen in NRW (88 %) trotz der erheblichen Nachholbedarfe bei der Erhaltung auch weiterhin gezielte Ausbaumaßnahmen und Lückenschlüsse für unverzichtbar hält. Bei der Frage, in welche Projekte die knapper werdenden Neu- und Ausbaumittel fließen sollen, gibt die NRW-Wirtschaft der Politik eine klare Antwort: Engpassbeseitigungen müssen Vorrang haben, fordern 93,4 Prozent. Hiervon würde auch NRW in besonderem Maße profitieren. Der Verteilung der Bundesmittel nach einem festen Länderschlüssel werde damit eine klare Absage erteilt. „Die immer offensichtlicher werdenden Unterlassungssünden der Vergangenheit“, so Brendel, „ werden für die Unternehmen im Land mittlerweile deutlich spürbar“. Nur noch eingeschränkt nutzbare oder für LKW gänzlich gesperrte Brücken,
Unternehmen für Maut-Ausweitung
Schlaglöcher und täglich bis zu mehreren hundert Kilometern Stau in Nordrhein-Westfalen haben laut IHK bei der NRW-Wirtschaft ihre Spuren hinterlassen. Die negativen Konsequenzen der Infrastrukturmisere haben dazu geführt, dass etwa jedes dritte Unternehmen sogar eine Ausweitung der LKW-Maut auf alle Straßen (34,2 %) beziehungsweise auf alle LKW ab 3,5 Tonnen (33,7 %) und knapp 40 Prozent die Einführung einer PKW-Maut in Kauf nehmen würden, wenn die zusätzlichen Mittel ausschließlich dazu benutzt werden, um die Straßeninfrastruktur wieder in Schuss zu bringen sowie quälende Engpässe zu beseitigen (Mehrfachantworten waren möglich). „Dieses Ergebnis ist alarmierend und zeigt, wie groß mittlerweile die Not bei vielen Unternehmen ist“, interpretiert Brendel die in Teilen der Unternehmerschaft bedingte Akzeptanz einer Mautausweitung als eine Art „Notwehr“, um Schlimmeres zu verhindern. Dies dürfe von der Politik jedoch nicht als Freibrief missverstanden werden. „In erster Linie ist der Staat selbst gefordert, indem er aus den vorhandenen Haushaltsmitteln deutlich mehr als bisher in den Erhalt und Ausbau der Verkehrsnetze investiert“, so Brendel. In dieses Bild passe auch, dass jedes dritte Unternehmen eine Mautausweitung – gleich ob beim LKW oder PKW - kategorisch ablehnt.
Trotz aller politischen Bemühungen, Schiene und Wasserstraße zu stärken, bleibt die Straße für die Wirtschaft auch zukünftig der wichtigste Verkehrsträger. Auch dies habe die aktuelle IHK-Umfrage erneut bestätigt. Dies gilt über alle Straßenkategorien hinweg von der Autobahn (91 % sehr wichtig/wichtig) bis zu den Landesstraßen (83%). Immerhin für jedes dritte Unternehmen in NRW (35 %) ist eine gute Luftverkehrsanbindung sehr wichtig beziehungsweise wichtig. Dahinter folgen Schiene (25 %) und Wasserstraßen (19 %), so die Ergebnisse der Befragung.
Aber auch hier warnt IHK NRW vor falschen Schlussfolgerungen: „ Insbesondere in der Industrie und in der Logistikbranche gibt es bedeutende Unternehmen, die auf Gütertransporte per Schiene und Wasserstraße zwingend angewiesen sind. Insofern muss die Leistungsfähigkeit auch dieser Verkehrsträger weiter verbessert werden“, unterstreicht IHK-NRW-Federführer Verkehr, Joachim Brendel. Die Umfrageergebnisse belegen dies: Jedes vierte Unternehmen kann sich zukünftig eine stärkere Nutzung von Schiene und Wasserstraße vorstellen. Als Voraussetzung hierfür sehen die Unternehmen eine Verbesserung der Angebote im Kombinierten Verkehr (22 %) sowie eine insgesamt höhere Zuverlässigkeit beziehungsweise Pünktlichkeit der Bahn (16 %).
Lang-LKW umstritten
Beim Thema „Lang-LKW“ gehen die Meinungen auseinander. Die Hälfte der antwortenden Unternehmen (51 %) spricht sich für eine generelle Zulassung aus, jedes dritte Unternehmen ist dagegen (35 %). Als Grund für die Ablehnung wird insbesondere das Thema „Verkehrssicherheit“ genannt. (ak)