Frankfurt/Main. Bei den Anlegern kann Lufthansa derzeit nicht punkten. Nach der heftigen Gewinnwarnung vor vier Wochen hat die Aktie des größten Luftverkehrskonzerns Europas einen Sturzflug hingelegt. Nachdem er die ehrgeizigen Ziele seines Vorgängers Christoph Franz auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hat, muss der neue Lufthansa-Chef Carsten Spohr nun vor allem gute Ideen liefern. Als Termin für seine strategische Antrittsrede hat sich der 47-Jährige den kommenden Mittwoch (9. Juli) ausgesucht.
Gut möglich, dass Spohr von der vorangegangenen China-Reise mit Kanzlerin Merkel die ein oder andere positive Nachricht über engere Zusammenarbeit mit den dortigen Partnern, namentlich der Air China mitbringt. Doch für die eigentlichen Probleme seines Unternehmens muss der Manager mit Pilotenlizenz darüber hinausgehende Lösungsansätze präsentieren. In einem immer enger werdenden Markt kämpft die ehemalige Staatsairline mit erheblichen Kostennachteilen.
Im vergangenen Jahr lag der Gewinn trotz eines 30 Milliarden Euro schweren Umsatzes nur knapp über der Mini-Marge von einem Prozent.
Das Netz der Lufthansa bröckelt seit Jahren von Osten her. Auf den Rennstrecken in die aufstrebenden Metropolen Chinas, Indiens und Südostasiens ist die Konkurrenz der dortigen Gesellschaften wie auch der Airlines vom Arabischen Golf extrem hart. Lufthansa hat bereits einige Strecken eingestellt, andere stehen auf der Kippe. Umso alarmierender ist es, dass Finanzchefin Simone Menne jüngst die schwachen Erlöse auf den bis dato lukrativen Amerika-Flügen als zentralen Grund für die Rücknahme der Gewinnschätzung um bis zu eine halbe Milliarde Euro für 2014 genannt hat.
Zunehmend empfindlich reagiert Lufthansa auf das weitere Vordringen der staatlich gestützten Golf-Carrier in den europäischen Markt. Der geplante Einstieg der schon bei Air Berlin engagierten Abu-Dhabi-Airline Etihad bei der maroden Alitalia lässt die Deutschen nach der EU-Kommission rufen, die endlich Schutz gegen unfairen Wettbewerb bieten solle. Die Araber ihrerseits drohen mit Auftragsstornierungen beim europäischen Flugzeughersteller Airbus, sollten sie nicht noch mehr Landerechte erhalten.
Einer der wenigen Hoffnungsschimmer im Kranichreich ist die offenbar problemlose Verlagerung vieler Europaflüge auf die kostengünstigere Tochter Germanwings. Sie sei die richtige Antwort auf die Probleme in Deutschland gewesen, tauge aber nicht für den weitergehenden Ausbau des Punkt-zu-Punkt-Verkehrs in Europa, ließ der Lufthansa-Vorstand und Swiss-Chef Harry Hohmeister per Interview wissen.
Für Strecken ohne deutschen Start- oder Zielflughafen wie Warschau-Paris oder Mailand-London kommt eher die Lufthansa-Tochter Eurowings ins Spiel, für die verschiedene Optionen geprüft werden. Ihre Piloten und ihr Kabinenpersonal sind deutlich billiger als ihre Kollegen bei der Lufthansa. Commerzbank-Analyst Johannes Braun warnt dennoch vor der Gründung einer solchen "paneuropäischen" Airline. Damit würde Lufthansa in den direkten Wettbewerb mit hochprofitablen Gesellschaften wie Ryanair, Easyjet, Norwegian, Wizz oder Vueling eintreten, den sie kaum gewinnen könne.
Selbst über interkontinentale Billigflüge wird nachgedacht, die Etablierung einer neuen Marke gilt dabei nicht als entscheidendes Hindernis. Dass ein Langstrecken-Billigflieger grundsätzlich Erfolg haben kann, zeigt die norwegische Fluglinie Norwegian. Sie bietet inzwischen mit sieben Maschinen vom Typ Boeing 787 Flüge etwa von Oslo nach Florida und Los Angeles an. Allerdings ist der Dreamliner ein modernes, sparsames Flugzeug. Die Lufthansa denkt hingegen offiziell nur darüber nach, mit älteren Exemplaren des Spritschluckers Airbus A340 touristische Ziele anzufliegen.
Lufthansa hofft, Piloten, Flugbegleitern und Flughäfen Zugeständnisse abzuringen, damit sich ihre Geschäftsidee rechnet. Dieser Wunsch könnte sich aber schnell in Luft auflösen. Statt 5 Prozent Kostensenkung bei den Gebühren für Flughäfen und Flugsicherung sind deutliche Preissteigerungen angesagt. Die Landegebühren in Frankfurt steigen beständig und die Deutsche Flugsicherung hat gerade errechnet, dass sie rund 300 Millionen Euro mehr Einnahmen pro Jahr braucht, um die Pensionslasten ihrer Lotsen tragen zu können.
Die starken Gewerkschaften haben sich bereits auf heftige Auseinandersetzungen bei der Lufthansa eingestellt. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) pocht auf ihr tariflich verbrieftes Recht, dass Lufthansa-Maschinen nur von Lufthansa-Piloten geflogen werden dürfen. Im immer noch schwelenden Konflikt um ihre üppigen Übergangsrenten haben die Piloten mit einem dreitägigen Streik gezeigt, dass es ihnen sehr ernst ist. Auch die Kabinencrews sorgen sich um ihre Altersversorgung, zudem stehen bereits im Herbst die nächsten Gehaltsverhandlungen für die Flugbegleiter an. (dpa)