Naht jetzt Rettung?

„Mit den Corona-Hilfen wollen wir schnell und unbürokratisch den Unternehmen in der Krise helfen.“ So lautete das Versprechen der Bundesregierung im November 2020 – kurz vor dem zweiten Teil-Lockdown. Bei vielen Betrieben sind die Corona-Hilfen aber bis heute nicht angekommen. Nur ein Bruchteil des Geldes ist geflossen „Natürlich wollen die Politiker unbürokratisch helfen“, sagt dazu Steuerberater Johannes Nagler, Inhaber der Steuerkanzlei Johannes Nagler in Freising. Gleichwohl gebe es eine Diskrepanz zwischen dem, was sie auf Pressekonferenzen ankündigen, und was letztlich passiert.“ Nagler weiß, wovon er spricht. Er berät Firmen auch in puncto Corona-Hilfen und stellt die dafür nötigen Förderanträge. Denn es können ausschließlich Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer Corona-Hilfen beantragen, nicht die betroffenen Betriebe selbst. „Nur ein Bruchteil der für die Überbrückungshilfen I und II zur Verfügung stehenden Gelder ist aber bislang geflossen“, sagt Nagler. Er ermittelt für seine Mandanten, darunter auch Transport- und Logistikunternehmen, die Höhe der ihnen zustehenden Überbrückungshilfen, welche Kosten dafür zu erfassen sind sowie die Höhe ihres tatsächlichen Umsatzeinbruchs. Außerdem reicht er für sie die Förderanträge auf der Plattform „Corona-Soforthilfe“ des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) ein. Vorausgesetzt, die Plattform ist freigeschaltet. Doch genau das ist sie laut Nagler für die Überbrückungshilfe III bislang nicht. Berater befürchtet viele Insolvenzen „Bis Ende Januar konnten wir deshalb keine Anträge für Überbrückungsgelder III einreichen“, moniert Nagler. Und noch schlimmer: Überbrückungsgelder, die er schon Ende November im Rahmen der November-/Dezemberhilfe für seine Mandanten beantragt habe, seien erst Ende Januar, ausgezahlt worden. „Wenn ein Unternehmen dieses Geld wirklich braucht, ist das ein deutlich zu langer Zeitraum“, sagt der Steuerberater. „Schnell und unbürokratisch sollte den Firmen mit den Corona-Hilfen geholfen werden. Doch das Einzige, das bald schnell und unkompliziert wird, werden die Insolvenzen sein“, schimpft David Rölleke, der Firmen in der Krise berät – stets im Zusammenspiel mit Steuerberatern und Rechtsanwälten. „Das sind alles Familienbetriebe, die es seit vielen Jahren gibt. Die standen stets gut da. Bei denen bricht aber jetzt vieles zusammen“, sagt Rölleke. Ein Beispiel sei eine Spedition, die sich auf die Belieferung von Restaurantketten spezialisiert hat, erzählt er. Das Unternehmen will namentlich nicht genannt werden. Durch den TeilLockdown im November sei dieser Spedition, weiß er, über Nacht das Geschäft weggebrochen. Als der Speditionschef über seinen Steuerberater deshalb Überbrückungsgeld beantragen wollte, habe dieser abgelehnt – mit dem Verweis, das Unternehmen habe keinen Anspruch auf diese Gelder, weil die Lkw auch für andere Auftraggeber fahren könnten. Sprich: Die bisherigen Förderkriterien, unter welchen Umständen eine Firma überhaupt Anspruch auf Überbrückungsgelder hatte, waren da offenbar nicht eindeutig geregelt. Um letzten Endes nicht in die Liquiditätskrise zu schlittern, die Kosten laufen ja trotz Umsatzeinbruch weiter, bleibt den betroffenen Unternehmen also laut Rölleke oft nur eine Möglichkeit: die Aufnahme eines Kontokorrentkredits bei der Hausbank. Doch der ist mit derzeit rund 8,5 Prozent Zinssatz wirklich teuer. Weg zu Zuschüssen wird vereinfacht Es hagelt also viel Kritik. Doch offenbar kommt die Kritik in der Politik an. So hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nun bei den Corona-Hilfen nachgebessert. Der Bund will weitere Milliarden in Finanzhilfen investieren, um die wirtschaftlichen Schäden des CoronaLockdowns abzumildern. Insgesamt plane die Bundesregierung mit 50 Milliarden Euro für den Zeitraum November 2020 bis zum Juni 2021, sagte Altmaier im Januar in einer Regierungserklärung im Bundestag. Und: Der Weg zu diesen Zuschüssen soll vereinfacht werden – Stichwort weniger Bürokratie. So sollen Unternehmen Anspruch auf die Überbrückungsgelder haben, heißt es seitens des BMWi, die nachweisen können, dass sie im betreffenden Monat wegen der Corona-Pandemie mindestens einen Umsatzeinbruch von 30 Prozent verzeichnet haben. Weitere Nachweise seien für die Firmen nicht erforderlich. „Das ist eine deutliche Verbesserung zum ursprünglichen Entwurf “, begrüßt Steuerberater Nagler die Neuerungen. Die Frage sei nur, wie nun mit Firmen verfahren werde, sagt er, die etwa aufgrund einer internen Restrukturierung 30 Prozent weniger Umsatz erwirtschaften und nicht aus Gründen der Corona-Krise? Da sei die neue Regelung nicht klar gefasst. Aufstockung auf bis zu 1,5 Millionen Euro Positiv aus seiner Sicht ist indes: Die Überbrückungshilfe III wird nun von November 2020 bis Juni 2021 gewährt. Ursprünglich sollte die Frist Ende März 2021 auslaufen. Hinzu kommt, dass die Förderhöhen für Firmen, die coronabedingt schließen mussten, kräftig aufgestockt werden. Statt bisher maximal 500.000 Euro kann eine Firma nun bis zu 1,5 Millionen Euro bekommen. Neu ist zudem, dass nun auch Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 750 Milllionen Euro Anspruch auf die Corona-Hilfen haben. Bislang lag die Obergrenze bei 500 Millionen Euro. „Alles das hört sich schon mal gut an“, begrüßt Nagler die neu gefassten Überbrückungsgelder III. „Jetzt muss man diese Zuschüsse nur noch beantragen können. Stand 29. Januar ist das aber noch nicht möglich.“ Und vor allem hänge der Erfolg davon ab, wie schnell die Ministerien die Förderanträge prüfen und wie schnell das Geld fließe. „Wenn einem Unternehmen im Dezember Umsatz wegbricht“, so der Steuerberater, „hilft es ihm wenig, wenn er erst im März oder gar im April sein Geld erhält. Kurz gesagt: Das muss schneller werden.“ Das sieht Erwin Wilke, Geschäftsführer von Wilke Consulting, genauso. Seine Firma in Neuss hat sich auf die Beratung rund um „Fördermittel“ spezialisiert, etwa De-Minimis, aber auch Überbrückungsgelder. Für etliche Transportbetriebe hat Wilke Consulting Förderanträge für Überbrückungsgelder gestellt. Daher weiß er, wie mühselig das ist. „Positiv an diesen Hilfen ist zwar, dass das alles Zuschüsse vom Staat sind, die der Unternehmer nicht zurückzahlen muss“, so Wilke. Allerdings seien die Förderanträge wegen diverser DV-Probleme vom Bundesamt für Ausfuhrkontrolle nicht oder nur schleppend bearbeitet worden. Anfang November stellten wir die Anträge“, nennt Wilke ein Beispiel. „Bewilligt wurden die Gelder aber erst Ende Dezember.“ Zeitlich habe das für Betriebe gerade noch gereicht. „Aber die Existenzangst in den Firmen war groß.“ Auch Wilke hofft, dass Altmaiers Worten Taten folgen und die Gelder schneller fließen. Denn ein ähnliches Chaos wie im November und Dezember würden liquiditätsschwache Betriebe wohl nicht überstehen. Da helfe es nichts, dass die Bundesregierung die Insolvenzantragspflicht für Firmen bis Ende April 2021 aussetzt, sofern dieser Anspruch auf finanzielle Hilfen aus den Corona-Hilfsprogrammen haben und deren Auszahlung noch aussteht. Mehr zum Thema finden Sie unter #Corona www.verkehrsrundschau-plus.de In Kürze Als „Bazooka mit Wumms“ hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz die Corona-Hilfen für die Wirtschaft angepriesen. Stattdessen sind die Unternehmen verzweifelt, weil sie die Gelder zu spät oder auch gar nicht erhalten. Was Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier beim Überbrückungsgeld jetzt besser machen will. Interview Johannes Nagler, Inhaber der Steuerkanzlei Nagler in Freising "Die Nachbesserungen sind durchaus positiv zu bewerten" Die Politik will den Firmen in der CoronaKrise helfen. Doch die Überbrückungshilfe III kommt dort nicht an. Woran liegt das? Großes Manko aus heutiger Sicht ist (Stand der Redaktion 29. Januar 2021), dass die Überbrückungshilfe III noch gar nicht zu beantragen ist, weil die Schnittstellen und elektronischen Anträge seitens der Verwaltung nicht einmal programmiert sind. Wir haben jeden Tag viele Anfragen, können aber selbst nach fast sechs Wochen hartem Lockdown keine Information geben, wann überhaupt die Förderanträge gestellt werden können. Nach Auskunft des BMWi starten die Beantragung und die Abschlagszahlungen im Februar 2021. Das ist aus Sicht der Steuerberater deutlich zu spät. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat ja nun bei den Überbrückungsgeldern III nachgebessert. Ist ihm das gelungen? Die Nachbesserungen sind durchaus positiv zu bewerten. So begrüßen wir das einheitliche Kriterium für die Antragstellung, das einen Umsatzrückgang von 30 Prozent als Zugangskriterium für die Überbrückungshilfe III nennt. Ebenso begrüßen wir die Regelung für Einzelhändler, die auf unverkäuflicher Winterware sitzen. Hier sollen Wertverluste als erstattungsfähige Fixkosten anerkannt werden. Wichtig ist aber, dass die Bearbeitung in den Behörden schnell und pragmatisch stattfindet. Damit die Gelder schneller fließen, schlug Ifo-Instituts-Präsident Professor Clemens Fuest vor, die Steuervorauszahlungen des letzten Jahres pauschal zu kürzen und den Firmen so zu helfen. Dazu könnte man die Finanzämter einbeziehen, die Kontakte zu allen Firmen haben. Ein guter Ansatz, der aber in der Praxis keine Rolle spielen wird. Die Verlustverrechnungsmöglichkeiten wurden bereits erweitert, auch die bestehenden Mechanismen sind verfügbar. Die Firmen, die im Jahr 2020 Einbußen hatten, haben also schon in 2020 die Steuerzahlungen entsprechend anpassen lassen. Zudem können die laufenden Vorauszahlungen für das Jahr 2021 schon jetzt (im schlimmsten Fall) bis auf 0,00 herabgesetzt werden. Überbrückungshilfe III Auf Druck der Wirtschaft hat die Bundesregierung bei der Überbrückungshilfe III jetzt nachgebesssert. Die Beantragung soll laut Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) einfacher und die Förderung großzügiger werden. Antragsberechtigt sind Unternehmen, die in einem Monat einen Umsatzeinbruch von mindestens 30 Prozent im Vergleich zum Referenzmonat im Jahr 2019 erlitten haben. Sie können die Überbrückungshilfe III für den betreffenden Monat beantragen. Ein darüber hinausgehender Nachweis entfällt. Der Förderzeitraum umfasst den November 2020 bis Juni 2021. Das Geld können Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 750 Millionen Euro in Deutschland beantragen. Eine Doppelförderung ist ausgeschlossen. Das heißt, dass Unternehmen, die November- beziehungsweise Dezemberhilfe erhalten haben, für diese beiden Monate nicht antragsberechtigt sind. Leistungen nach der Überbrückungshilfe II für diese Monate werden angerechnet.

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