Modulare Services und flexible Trailer

Bis wann stellt Schmitz Cargobull komplett auf die rollierten Rahmen um? Wir stellen seit gut zwei Jahren sukzessive um. Leider sind wir in der Umstellung etwas langsamer als erwartet. Das liegt daran, dass der Markt aktuell wirklich brummt und wir die Kapazitäten, die wir für die Umstellung benötigen, in die Mehrproduktion investieren. Aber die Universal-Trailer sind bereits da, der Mega wird langsam umgestellt, ebenso wie die bahnverladbaren Fahrzeuge. Davon existieren erste Varianten. Letztlich geht es um die Erhöhung der Zuverlässigkeit und eine Modularisierung des Baukastens. Wie wichtig ist denn die Zuverlässigkeit? Mit Ausnahme eines natürlich teureren Kühltrailers macht der Auflieger im Gesamtgespann rund sieben bis zehn Prozent der Kosten aus. Wenn also die Gefahr besteht, dass ein Ausfall dieser rund sieben Prozent die 100 Prozent der Gesamtinvestition eines Zuges zum Erliegen bringt, dann darf man als Hersteller nicht den Fehler machen, ein paar Hundert oder vielleicht auch Tausend Euro auf Kosten der Zuverlässigkeit zu sparen und damit letztendlich dem Kunden ein Problem zu schaffen. Darum hat es sich gezeigt, dass der rollierte Rahmen auf jeden Fall zuverlässiger ist. Und was bringen die neuen Rahmen für die Modularität? Wir können zum Beispiel viel einfacher Zwei- oder Dreiachser realisieren. Der Achsbock ist angebolzt, was uns eine höhere Variabilität beschert. Das heißt aber auch, dass wir beispielsweise aus einem gebrauchten Zweiachser problemlos einen Dreiachser machen können. Ist die Nachfrage nach Zweiachsern für 38 Tonnen Gesamtgewicht so groß? Es ist eine deutsche Lösung. Aber wir haben bislang einige Hundert davon gebaut. Wie gesagt, man kann die Trailer später umrüsten und man könnte sogar eine gebrauchte dritte Achse unterbauen. Ebenso wie man aus Trailern mit verändertem Achsabstand - denken Sie an Stahltrailer oder Mitnahmestapler - wieder Standard-Trailer machen könnte. Eine weitere Neuerung ist der geklebte Boden. Ist das wirklich eine gute Idee? Wir haben einige Kunden, die wollten mehr Tragfähigkeit im Boden. In der Vergangenheit haben wir dazu mehr Träger beziehungsweise einen zusätzlichen Hilfsträger verbaut. Durch das Kleben bekommen wir eine neue Lösung. Der Boden bringt mehr Festigkeit und ist stabiler. Wir können uns - aktuell betrifft das nur wenige Fahrzeuge - durchaus vorstellen, dass wir den geklebten Boden künftig in die Serie nehmen. Zudem hat der Boden den Vorteil, dass er absolut dicht und belastbarer ist. Wie sieht es mit der Austauschbarkeit des Bodens aus? Da ist zugegebenermaßen etwas mehr Aufwand, aber in der Fachwerkstatt kein Problem. Nicht zu vergessen: Der Kunde hat auch die Möglichkeit, den Ersatzboden ganz konventionell zu verschrauben. Die Produktion von Kofferaufbauten für Vans ist neu - liegt aber im Trend. Wie entwickelt sich dieses Segment? Anfang März haben wir die neuen Koffer vorgestellt, seit Anfang April produzieren wir im Werk Berlin. Und um der Frage vorzubeugen: Wir fokussieren uns auf den Kofferbau und wollen hier weder ein kleines Kühlaggregat noch ein elektrisch angetriebenes Fahrgestell daruntersetzen. Aber Sie sind Fahrgestell-offen und bieten Koffer für alle Temperaturbereiche an? Wir starten mit der sogenannten Dry-Box, also Trockenfracht. Im zweiten Schritt kommt dann die temperierte Box. Es wird auch da wieder ein Paneel sein, das in jedem Bereich eine gewisse Isolation darstellt, weil das Vorteile für den Kunden bringt. Und ja, wir sind markenoffen, was das Fahrgestell betrifft. Wir bieten Lösungen in verschiedenen Längen und Höhen an und natürlich auch verschiedene kundenspezifische Innenlösungen. Da bleiben wir der Baukastenphilosophie treu. Ist der "kleine" Koffer eine weitere Idee, um die Wertschöpfung zu erhöhen? Und was kommt demnächst? Denn das Thema Achse zum Beispiel würde mehr hergeben. Wir haben unser eigenes Dach entwickelt und zu unserer 125-Jahr-Feier kommen wir mit einer Weiterentwicklung, über die ich noch nichts verraten möchte. Wir hätten auch kein Problem, das anderen Herstellern zur Verfügung zu stellen. Außerdem fertigen wir unsere eigenen Rungen. Bei den Stützwinden haben wir festgestellt, dass wir das nicht besser können und damit unseren Kunden keinen Benefit zur Verfügung stellen können. Ganz anders bei der Achse. Diese lohnte sich, insbesondere mit dem technologischen Sprung zur Scheibenbremse. Daher sind heute unsere Achsen wie auch das Fahrwerk optimal auf das Gesamtfahrzeug abgestimmt. Das sieht man auch im Feld. Dort gibt es keine Reklamationen. Wir sind - mit Ausnahme der Sattelkipper - bei 98 Prozent Ausrüstung der Trailer mit eigenen Achsen. Trotzdem die Nachfrage: Kommen nach Standard- und Nachlauf-Lenkachse noch andere Achsvarianten? Nein, beide Achsen sind für 19,5- und 22,5-Zoll-Bereifung lieferbar. Und das reicht! Speziallösungen zu entwickeln, wäre unseres Erachtens falsch. Das können andere im Sinne der Kunden besser. Sind Sie bei den Kühlaggregaten auf Plan? Wir haben eine Penetrationsrate von zehn Prozent. Das ist für den Start nicht schlecht. Wir wollen das weiter ausbauen. In den Service haben wir viel Arbeit investiert, um unsere Servicepartner vor Ort zu schulen. Wir haben noch ein paar kleinere weiße Flecken auf der Landkarte. Daran arbeiten wir und können demnächst einen flächendeckenden Service bis nach Asien hinein anbieten. Überrascht waren wir, als wir unsere Telematikdaten genauer analysiert haben. Unsere Kunden fahren tatsächlich quer durch Europa bis an Nordkorea heran und runter bis Israel. Machen Sie sich Gedanken über alternative Antriebssysteme bei Kühlaggregaten? Wir haben schon mehr als 100 rein elektrisch angetriebene Kühlaggregate gebaut, zusammen mit Railcare in der Schweiz. Das läuft - nach kleinen Startproblemchen - reibungslos. Durch unser Konzept der Trennung von Antrieb und Kühlung konnten wir unser Aggregat problemlos umrüsten. Modularität steckt bei uns nicht nur in den Aufbauten. Wenn der Kunde kommt und ein rein elektrisches Kühlgerät will, haben wir überhaupt kein Problem, das zu liefern. Funktioniert die elektrische Versorgung reibungslos? Da ist unsere Erfahrung eher, dass es auf der Strecke flächendeckend noch keine wirklich gute Versorgung gibt. Wir denken auch über eine Energie-Rückgewinnung über die Achse nach. Aber auch da ist der Wirkungsgrad aktuell noch nicht befriedigend. Solarpaneele auf dem Dach reichen auf jeden Fall nicht aus. Kommen wir zurück zu den Standardprodukten. Da gibt es nicht weit entfernt einen anderen Hersteller, der gerne behauptet, Schmitz Cargobull wäre gar nicht mehr Marktführer, sondern er. - Stimmt das? (Lacht!) Wenn man die Wechselbrücken dazuzählt, mag das stimmen. Aber im Ernst: Wir machen Lafetten nur noch als Projektgeschäfte. Wir fokussieren uns eben und bewegen uns lieber im hochvolumigen Geschäft, wo wir gute Prozesse hinbekommen und hohe Qualität sicherstellen können. Das ist der Sattelkoffer, das ist der Curtainsider, das ist der Sattel- oder Motorkipper. Natürlich gibt es auch Projektgeschäfte im Containerfahrgestell-Bereich. Durch die Fokussierung hat sich unser traditionelles Geschäft auf jeden Fall deutlich positiv entwickelt. Zumindest beim Kühlkoffer macht Ihnen aber niemand den Titel streitig? (Lacht laut!) Das soll auch so bleiben! Da mögen andere Innovationen für sich in Anspruch nehmen, wie etwa die Vakuum-Paneele. Da kann ich nur sagen, Schmitz Cargobull hat 1997 bereits solche Paneele gefertigt. Wir haben aber damals schon festgestellt, dass es wirtschaftlich nicht darstellbar ist. Das scheinen auch andere inzwischen gelernt zu haben - da müssen wir jetzt nicht hinterherlaufen. Da finde ich unseren Ansatz des 0,33er K-Wertes viel interessanter. Und wir realisieren das in einem Standard-Kühlkoffer. Das schafft aber nicht jeder Koffer? Nein, das bedeutet zusätzlichen Aufwand, aber es lässt sich problemlos realisieren. Und ganz ehrlich, es ist dem Kunden am Ende des Tages doch egal, wie man zu einem positiven Ergebnis kommt, solange Preis, Zuverlässigkeit und Qualität stimmen. Wir bieten mit dem SKO Cool Complete auf jeden Fall diesen gewinnbringenden Zusatznutzen. Ist der Executive schwerer? Nein. Und er kostet auch nicht Zigtausende Euro mehr. Letztlich bedeutet die bessere Isolation auch niedrigere Kraftstoffkosten für das Aggregat. Wir haben sogar ein Rechenprogramm mit dem Kunden kalkulieren können, ob sich die Investition für sie lohnt. Im Idealfall liegt der Payback schon bei ein bis zwei Jahren. Eigentlich sollten bis 1. Mai die neuen Längen und Gewichte in nationales Recht umgesetzt werden. Ist das bereits ein Thema? Wichtig vor allem ist: Nachhaltigkeit muss sich auch rechnen lassen. Für SKO-Kunden könnten sich aerodynamische Optimierungen rechnen - insbesondere die Seitenverkleidungen. Was den Curtainsider betrifft, muss ich Ihnen nicht sagen, dass ein einziger seitlicher Anfahrschaden die Gesamtbilanz negativ macht. Wir machen uns aber trotzdem Gedanken. Was das Thema Längen betrifft, bauen wir schon heute 16,50 Meter lange Fahrzeuge für Russland oder verlängerte Sattelauflieger mit 15,50 Meter für Australien. Wenn Sie das Thema Flaps am Heck ansprechen, kann ich nur sagen: Die reißt uns keiner aus der Hand, obwohl wir sie anbieten. Das Problem in dem Bereich ist doch die Durchtauschbarkeit des Trailers. Wer übernimmt denn die Verantwortung, wenn die Zusatzanbauteile kaputtgehen? Was raten Sie Ihren Kunden? Wenn es ums Thema Kühler geht, würde ich eher zum SKO Cool Complete mit einem K-Wert von 0,33 W/m2 K raten. Das kostet weniger, bringt mehr. - Und ich kann's mir nicht kaputt fahren. Und statt sich dem Thema Aerodynamik mit all seinen Problemen anzunehmen, sollte man doch lieber dem Reifendruck mehr Aufmerksamkeit schenken. Nehmen wir das Thema gleich auf. Reifendruck ist ein klassisches Telematik-Thema. Wie wichtig sind solche Zusatzservices? Nicht jeder Kunde ist gleich, deshalb gilt auch unser Ansatz der "Tailor made Services". Wir haben Kunden, die finanzieren bei uns für fünf Jahre, inklusive Wartungsvertrag mit Reifenservice - also das komplette "Rundum-sorglos-Paket". Habe ich das heute nicht im Portfolio, kauft der Kunde den Trailer im Zweifelsfall anderswo. Grundsätzlich glaube ich, dass so etwas für die Mehrzahl der Kunden Sinn ergibt. Trotzdem nimmt es nicht jeder an. Einige glauben, dass sie manches am Ende selbst günstiger machen können. Daher haben wir auch Kunden, die wollen nur die Telematik oder nur bestimmte Telematik-Services. Diese bekommen sie natürlich auch. Wieder mal ein Punkt, bei dem wir sehr modular unterwegs sind. Der Kunde sucht sich aus, was er haben will. Gibt es eindeutige Trends? Wir haben auf jeden Fall eine steigende Anzahl von Kunden, die mit den Daten aus der Telematik arbeiten wollen. Aber sie wollen eine Integration der Daten ins eigene Managementsystem. Auch da stellen wir den Kunden ganz spezifische Lösungen zur Verfügung - von Einzeldatenabfragen bis hin zum kompletten Schmitz Cargobull-Portal. Sie sind also offen für die neuen offenen Plattformen à la RIO von VW Nutzfahrzeuge oder FleetBoard von Daimler? Klar, wir arbeiten mit FleetBoard bereits zusammen. Die Daten unseres Kühlers sind ins Zugfahrzeug übertragbar. Wir stellen aber auch fest, dass die Kunden eine zweite Telematikeinheit im Trailer brauchen, denn es gibt viel mehr Trailer als Zugmaschinen. Da ist unsere autarke Telematiklösung gefragt. Was machen Sie anders als andere? Wir bauen unser System ab Werk ein. Damit hat man eine optimale Integration in jeder Beziehung. Und jetzt verrate ich ein kleines Geheimnis: Es steht mit der Transport Logistic eine wichtige Messe bevor und wir haben dieses Jahr unsere 125-Jahr-Feier. Wenn Sie so wollen, machen wir unseren Kunden ein Geburtstagsgeschenk, indem wir die Telematik in einem besonderen Paket zu äußerst attraktiven Konditionen anbieten werden. Trotzdem kaufen die Kunden noch Systeme anderer, teils freier Anbieter? Mag sein. Aber für unsere Lösung spricht die absolute Zuverlässigkeit. So zumindest spiegelt es uns der Markt zurück. Und wir verkaufen das System in steigender Quantität. Die Daten, die der Kunde wirklich braucht - Wartungsintervalle, Reifendruck, Türöffnungen, Temperaturverläufe, Kraftstoffstand im Aggregat, Krisenintervention - bekommt er doch von anderen Systemen in der Summe aus einer Lösung nicht. Was sind Themen für die nahe Zukunft? Wir denken unter anderem über eine integrierte Laderaum-Analyse nach. Also ein System, mit dem der Fuhrunternehmer die Trailerauslastung optimieren kann. Auch bei dem Thema arbeiten wir in enger Partnerschaft mit Kunden, damit am Ende die beste Lösung herauskommt. Mehr zum Thema im Dossier Schmitz Cargobull Trailer www.verkehrsrundschau.de/dossiers Vita Andreas Schmitz Seit 1. April 2016 ist Andreas Schmitz, geb. 1968, Vorstandsvorsitzender der Schmitz Cargobull AG. Er ist verantwortlich für die Unternehmensstrategie, Public Relations, Emerging Markets, Schmitz Cargobull Wuhan (China) sowie Value Services. Sein Start im Unternehmen war 2001 als Geschäftsführer der Schmitz Cargobull Iberica. Andreas Schmitz studierte in den USA und ist u.a."Bachelor of Science Electrical Engineering" sowie "Bachelor of Arts Business Economics with Honors". Vorher war er unter anderem Berater bei der Boston Consulting Group. Er lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Münster. gg Daten & Fakten Schmitz Cargobull AG Die Schmitz Cargobull AG geht auf die 1892 von Melchior Schmitz in Altenberge gegründete Schmiede zurück. 1935 erfolgte der Bau der ersten Sattel- und Kofferfahrzeuge. Im abgelaufenen Geschäftsjahr wurden rund 50.000 Fahrzeuge produziert. Der Umsatz der Unternehmensgruppe belief sich auf 1,78 Milliarden Euro (Vorjahr: 1,59 Mrd. Euro). Im Geschäftsjahr 2015/2016 beschäftigte Schmitz Cargobull insgesamt 5678 Mitarbeiter (inklusive Leiharbeiter). Produktionsstandorte liegen in Altenberge, Vreden, Toddin, Gotha und Berlin sowie Saragossa, Panevezys, Moskau und Wuhan (Joint Venture mit Dongfeng). gg

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