VR: Das Unternehmen Deutsche Post DHL hat mit „Resilience 360“ ein neues Risikomanagement-Tool entwickelt. Warum?
Tobias Larsson: Mit diesem IT-Tool wollen wir proaktiv auf etwaige Risiken reagieren können, die Lieferketten bedrohen. Das sind zum Beispiel potenzielle Gefahren, bedingt durch den klimatischen Wandel oder auch politische und soziale Unruhen. Diese Risiken treffen Unternehmen heute deutlich stärker, weil die Firmen immer globaler miteinander vernetzt sind und mit ihren Prozessen gleichzeitig immer schneller reagieren müssen. Die Lieferketten sind also heute durch die genannten Risiken deutlich gefährdeter.
Wälzen die Auftraggeber diese Risiken auf ihre Transport- und Logistikpartner ab?
Durch solche Risiken können stets Mehrkosten entstehen. Wie diese auf die einzelnen Firmen verteilt werden, hängt von der Vertragsgestaltung mit den Kunden ab.
Ist das Tool für DHL also nur eine Investition, um diese Risiken aufzufangen und auch den Kunden in Rechnung zu stellen?
Wir haben Resilience 360 entwickelt, um mit unseren Kunden gemeinsam Schwachstellen in der Lieferkette aufzudecken und so proaktiv auf Risiken reagieren zu können. Dadurch lassen sich mögliche Kosten reduzieren oder – im besten Fall – vielleicht sogar vermeiden.
Was leistet Ihr neues Tool dafür konkret?
Mit Resilience 360 bieten wir eine sehr große Datenbank, in die wir unterschiedlichste Daten teilweise in Echtzeit einpflegen. Das sind etwa Daten von Rückversicherern zu Klima, Erdbeben und Vulkanismus in Ländern, geopolitische Daten, spezifische Kundendaten bezüglich ihrer Liefer- und Warenströme, Daten aus unserem eigenen Logistiknetz sowie Daten, die wir aus Social Media generieren.
Warum glauben Sie, dass Sie damit Risiken in der Lieferkette besser abfedern?
Aufgrund unserer Daten wissen wir zum Beispiel, in welchen Regionen weltweit das Erdbeben- oder Überflutungs-Risiko besonders hoch ist. Das gleichen wir mit den Daten der einzelnen Produktions-Standorte unserer Kunden und deren Lieferanten ab. So lässt sich das Gefährdungspotenzial sehr schnell identifizieren. Wir schaffen damit quasi ein Frühwarnsystem und können dann gemeinsam mit Kunden frühzeitig Alternativen erarbeiten.
Hilft dieses Tool Kunden auch Kosten zu sparen?
Im Schnitt verursacht der Bruch innerhalb einer Supply Chain rund drei Millionen Euro Kosten. Wenn sich durch ein solches Tool Lieferstörungen vermeiden lassen, spart das einem Kunden natürlich Kosten. Denn je früher man darüber informiert ist, desto frühzeitiger lassen sich Alternativen entwickeln, etwa alternative Zulieferer oder Transportketten. Für die Nutzung des Tools berechnen wir Kunden eine mengenabhängige Nutzungsgebühr.
Welche Daten fehlen Resilience 360 noch?
Asien ist eine Region, in der es schwieriger ist, gewisse Informationen zu generieren. Auch Stauinformationen in Häfen wären wünschenswert. Jetzt müssen wir nur noch unsere Kunden überzeugen. Wir haben aber interessante Pilotkunden, insbesondere aus der Automobil- und Chemiebranche.
Kann auch ein mittelständischer Speditionsunternehmer ein solches Tool entwickeln?
Machbar ist alles. Wenn er das will, kann er das auch. Aber es bedeutet einen gewissen Aufwand. Wir haben über 2,5 Jahre für den Aufbau unseres Tools gebraucht. Gar nicht zu reden vom Investment.
Das Interview führte VR-Redakteurin Eva Hassa