Brüssel. Im Streit um den Mindestlohn für Lkw-Fahrer, die Deutschland nur auf einer Durchreise passieren, signalisiert Brüssel Kompromissbereitschaft. Die EU-Kommission hat der Bundesregierung einen Vorschlag gemacht: Ausländische Spediteure, bei denen nur ein geringer Teil ihrer jährlichen Fahrtstrecke auf Reisen durch Deutschland entfällt, müssten den deutschen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde demnach nicht zahlen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Brüssel am Donnerstag aus Kommissionskreisen.
Der zum Jahresbeginn eingeführte Mindestlohn soll eigentlich auch für ausländische Lkw-Fahrer auf der Durchreise gelten. Nach Protesten von Nachbarstaaten setzte die Bundesregierung diese Regelung aber nach kurzer Zeit wieder aus und wollte die Prüfung durch die EU-Kommission abwarten.
Eingeschränkte Dienstleistungsfreiheit
Die EU-Kommission sieht im Mindestlohn für Lkw-Fahrer, die Deutschland nur durchqueren, eine Einschränkung der in Europa geltenden Dienstleistungsfreiheit. Zwar stehe sie grundsätzlich hinter dem Mindestlohn, so die Behörde. Doch der bürokratische Aufwand sei in diesem Bereich zu hoch. Sie hatte deshalb am Dienstag angekündigt, rechtlich gegen Deutschland vorzugehen.
Wie nun bekannt wurde, machte die Brüsseler Behörde der Bundesregierung zugleich einen Vorschlag zur Güte: Unternehmer aus anderen EU-Ländern müssten den Mindestlohn demnach nicht zahlen, wenn nur bis zu zehn Prozent der jährlich gefahrenen Kilometer beim Transit durch Deutschland anfallen.
Berlin hat nun zwei Monate Zeit für eine Antwort. Falls sich beide Seiten nicht einigen, könnte der Fall am Ende vor den Europäischen Gerichtshof kommen.
Kabotage ist kein Problem
Bei der sogenannten Cabotage ist die Anwendung nationaler Sozialstandards nach Einschätzung der Brüsseler Behörde übrigens weniger problematisch. Dabei führen ausländische Spediteure Transporte in Deutschland durch und treten so direkt in Konkurrenz zu einheimischen Anbietern. In diesem Bereich setzte die Bundesregierung den Mindestlohn auch nicht aus.
Die Gewerkschaft Verdi kritisierte das Verfahren wegen Verletzung von EU-Recht gegen Deutschland als „unverständlich und inakzeptabel“. Bundesvorstandsmitglied Christine Behle erklärte: „Die Kommission selbst hat soziale Fragen insbesondere im Verkehrssektor auf ihre Agenda gesetzt. Nun will sie bürokratische Hürden über soziale Fragen stellen, weil sich im Zusammenhang mit ihrer Kontrolle gewisse Nachweispflichten für die Unternehmen ergeben.“ (dpa)