Mercedes-Benz Arocs 3245 K 8x4/4

Mercedes-Benz Arocs 3245 K 8x4/4 Ein schweres Erbe „Wir sind das Bausegment!“ definierte Daimler seinen Anspruch für Europas Bau-LKW. Ob der Mercedes-Benz Arocs 3245 K 8x4/4 diese Ansage halten kann, musste er auf der VR-Testrunde beweisen. Sein Vorgänger war der unangefochtene King aller Baustellen: Es gibt bis auf Ausnahmen in Skandinavien kaum ein Land in Europa, in dem die Actros-Baufahrzeuge nicht mindestens einen zweistelligen Prozentsatz in ihrem Segment holten. Der Actros leistete sich seit der Aufwertung zum MP2 kaum Schwächen und wurde bis zuletzt aktuell gehalten. Dazu kamen ein dichtes und meist gut arbeitendes Servicenetz, eine solide Machart und ordentliche Geländeeigenschaften. Da sollte es für den komplett neu entwickelten Arocs ein Leichtes sein, das zu toppen – auch er will wieder hoch hinaus. Hoch hinauf muss aber erst mal der Fahrer, der jetzt immerhin treppenförmiger gestufte Tritte vorfindet, über die sich der nochmals höher liegende Arbeitsplatz besser erklettern lässt als beim Vorgänger. Innen erwartet den Fahrer die vom Actros bekannte, hier allerdings komplett in dunklem Kunststoff gehaltene Armaturenlandschaft, die dem Fahrer keinerlei Rätsel aufgibt: Alle Schalter sind gut zu erreichen, die Tripdatenmenüs und Tempomat/Bremsomat sind über die Lenkrad-tasten einfach und logisch zu bedienen. Die beim Tester verbaute Klimaautomatik regelt die Heizung respektive Lüftung exakt. Fahrersitz und Lenkrad lassen sich auch für groß gewachsene Fahrer gut einstellen, wenngleich man immer noch nicht ganz die PKW-artige Straffheit von Scania erreicht. In der Grube merkt man dem Armaturenträger leider an, das gegenüber dem Vorgänger Geld gespart wurde: Zwar ist alles solide gefertigt und gefügt und auch beim Durchfahren von tiefen Löchern knarzt oder knistert nichts. Trotzdem setzt die Anmutung keine Maßstäbe – weder gegenüber dem Vorgänger noch gegenüber den Marktbegleitern. Servotwin ist ein echter Gewinn Unbeladen bleibt auch die elektrisch unterstützte Servotwin genannte Lenkung unauffällig: Der rundum blattgefederte 8x4 ist an den Vorderachsen eher weich ausgelegt und nickt böse Unebenheiten mit einem netten Schwingen ab, was die prinzipielle Exaktheit der Lenkung etwas konterkariert. Bei voller Beladung wird daraus dann eine harmonische und verbindliche Gesamtabstimmung. Prinzipiell lässt sich die Servo-twin-Lenkung durch nichts erschüttern und lässt sich selbst bei Volleinschlag nicht zu nervösem Servopulsen hinreißen: Wie zu erwarten war, kann man den Arocs für einen 8x4 vorbildlich exakt steuern. (Wieder) Neu für Daimler-Kunden ist der Schaltknüppel der Doppel-H-Schaltung, die bei der G-230-16 genannten Sechzehn-Gangbox eher ein „K“ ist, da die rechte Gasse gut getrennt von der linken richtig weit außen liegt. Tatsächlich lässt sich das Getriebe über Seilzüge butterweich fast wie in einem PKW schalten. Nur der Gruppenwechsel von klein nach groß braucht immer etwas Nachdruck und Zeit. Da ist Powershift im Offroadmodus mittlerweile viel schneller, dafür kann man sich dank des drehfreudigen und standfesten OM 471 etliche Schaltvorgänge sparen: Unbeladen kann man mit der 4,33er-Achse des Testwagens alles im größten Gang machen und selbst voll beladen muss man nur selten in „acht klein“ splitten. Offroad darf der Fahrer entsprechend lang in der großen Gruppe bleiben: Die kleine dient eigentlich nur zum Anfahren. Und sollte man sich doch einmal vertan haben, erträgt der Reihensechser notfalls auch Minimaldrehzahlen von 500 Touren: Ist man in einer Ebene unterwegs, kriecht er sogar aus einem derartigen Drehzahlkrater wieder heraus. Ansonsten steht ab 800 Umdrehungen verwertbares Drehmoment bereit. Das Maximum von 2200 Newtonmetern liegt dann bei 1100 Touren an, offiziell 20 Umdrehungen später als beim OM 501 des Vorgängers. Trotzdem kann man den Arocs in großen Gängen wühlen lassen. Die beiden fiesen Anstiege der Testrunde erklomm er jeweils in Fahrstufe sechs. Die Motor-Getriebeabstimmung darf also als gelungen gelten, wenngleich das Aggregat selbst mit 1362 Kilo Trockengewicht schwer ausfällt und in manchen Bereichen zu Dröhnfrequenzen neigt, womit auch gleich die beiden Hauptnachteile des Arocs aufgezeigt sind: Mit fast 15 Tonnen Leergewicht wiegt er im Vergleich zum Vorgänger und dem MAN TGS gut 500 Kilo zu viel. Und wie die Actros-Fernverkehrsbrüder gehört auch der Arocs nicht zu den Leisetretern und gibt hier lieber den harten Hund. ➞ Auch verbrauchsseitig kam der Euro-6-Bauarbeiter nicht ganz an seine perfekt eingestellten Vorgänger heran: Bei den Kippern versprach Daimler deshalb auch nur eine „Verbrauchsneutralität“ gegenüber dem Vorgänger – die FernverkehrsFabelverbräuche kann der Bauarbeiter jedenfalls im ersten Anlauf nicht realisieren. Neu geordnet wurden teils auch die Servicepunkte: Hinter der Wartungsklappe liegen die Einfüllstutzen für Kühlwasser, Motoröl, Waschwasser und die Kupplungsflüssigkeit. Dann ist es Zeit, die kompakte S-Kabine zu kippen: Das Öl für die Servopumpe sowie Öl- und Kraftstofffilter liegen gut zugänglich fahrerseitig auf der kalten Seite des Motos, den Luftfilter stopfte Daimler noch auf die „warme“ Beifahrerseite, wo sich der Filtersatz durch Abschrauben des Kunststoffdeckels tauschen lässt. Multikultureller Teileeinkauf Den Motorblock beziehen die Wörther übrigens aus Schweden und das Luftsammelrohr kommt mittlerweile aus Indien. Sollte es mal ganz schlimm kommen, ist der Motor dank neuer Schnittstellen binnen einer Stunde aus dem Rahmen gehoben. Hier attestieren die Daimler-Testfahrer den Konstrukteuren große Fortschritte. Muss man die Leuchtmittel tauschen, fallen die nicht ganz so groß aus: Hier müssen erst das Gitter, dann der Rahmen und dann der Scheinwerfer selbst ab- respektive aufgeschraubt werden, bevor er sich ausklappen lässt und man bequem für neues Licht sorgen kann. Das strahlt in Sachen Triebstrangabstufung und Lenkung sehr hell, hat im Detail aber noch ein paar Schatten. ❙❚■ Gregor Soller Der Reihensechser gibt sich deutlich elastischer als der V-Motor im Vorgänger OM 471 LA; wassergekühlter R6-Motor m. Single-Turbolader u. LLK; Ventile pro Zyl. 4; BohrungxHub (mm): 132x156 mm; Hubr.: 12.809 cm3; Einspritzsyst.: Common-Rail; Verdichtung: 17,3:1; Leistung PS (kW) bei U/min: 449 (330) bei 1800; max. Drehmoment (Nm) bei U/min: 2200 bei 1100; Euro 6 m. AGR/SCR Drehstromgen.: 100 A; Batterien: 220 Ah; Startermotor: 7,0 kW; Hauptscheinwerfer H7, LED-Tagfahrlicht vollsynchronisiertes Getriebe G 230-16, 16 Gänge; Getriebespreizung: 14,17-0,83; Kupplung: ZF-Sachs; Betätigung: elektrohydraulisch; Typ: MFZ 430 Antriebsachsen: blattgefederte 13-t-Außenplaneten-Hinterachsen; Typ: R 233P13+RT 233P13; Achsübers: i=4,33; Vorderachsen: starre 7,5 t-Faustachsen; Typ: F8; 3-Blatt-Stahl-Parabelfedern, Stoßdämpfer, Stabi Zweikreis-Druckluft-Bremsanlage, vorn: innebelüftete Scheibenbremsen, hinten: Trommelbremsen; Federspeicher-Feststellbremse auf die HA wirkend; ABS, ASR, Rückrollsperre, Dekompressions-Motorbremse, Voith-Sekundär-Wasserretarder Radstand (mm): 4550; LxBxH (mm): 8491x2500x3572; Leergewicht (Testfzg. m. Aufbau, vollem Tank, ein Fahrer, 80 kg): 14.890 kg; Tanks: 260 l + 25 l Adblue Verbrauch und Geschwindigkeit auf der 220-km-Teststrecke Etappe l/100 km km/h 1. Landstraße beladen 65,6 km 39,2 57,5 B 13 Lohhof - A 9 Langenbruck 2. Autobahn beladen 44,5 km 33,4 83,0 A 9 Langenbruck - A 92 Lohhof 3. Landstraße leer 65,6 km 33,1 60,8 B 13 Lohhof - A 9 Langenbruck 4. Autobahn leer 44,5 km 26,7 85,0 A 9 Langenbruck - A 92 Lohhof Durchschnitt: 33,2 69,3 starke Motorbremse, leicht zu bedienende Lenkung und Handschaltung, solide Verarbeitung hohes Leergewicht, durchschnittlicher Verbrauch, nur 500 Millimeter Wattiefe Die Sperren werden nach wie vor per Drehschalter in der richtigen Reihenfolge geschaltet kostenrechnung und leasingangebot hersteller* MB Arocs 3245 K 8x4/4 Listenpreis (inkl. Meiller D 428): 201.055,- Reifenlaufleistung: 90.000 km Einsatztage/Auslastung: 240/60 % Verbrauch: 33,2 l/100 km Leasing (über freien Anbieter, 48 Mon. Laufzeit, keine Anzahlung, 17,8 % Restwert, 60.000 km/Jahr) 1970,- Euro/Monat (nur Fahrzeug) 2159,- Euro/Monat (mit Basiswartung) 2284,- Euro/Monat (Full-Service-Vertrag) KOSTENRECHNUNG (netto) km-Kosten (nur Fahrzeugkosten, ohne Teuerung/Restwert; 60.000 km Jahreslaufleistung, inkl. Regelwartung) Anschaffungspreis (Kaufpreis): 157.000 Euro Ersatzpreis Reifen (Goodyear Omnitrack): 7000 Euro Kraftstoffpreis: 1,17 Euro/l kalkulatorischer Zins: 8,5 % Zeit-/Leistungsabschreibung: 50 %/50 % Nutzungsdauer: 48 Monate Wartungs- und Reparaturkosten: 3972 Euro/Jahr KFZ-Steuer: 556 Euro/Jahr Haftpflichtversicherung: 4500 Euro/Jahr Vollkasko-Versicherung: 4280 Euro/Jahr KALKULATION variable Kosten (Euro/100 km) Leistungsabschreibung: 31,25 Kraftstoffkosten: 38,84 Schmierstoffkosten (anteilig): 1,17 Reifenkosten (anteilig): 7,78 Wartungs-/Reparaturkosten: 6,62 SUMME variable Kosten: 85,66 Fixkosten (Euro/Jahr) Zeitabschreibung: 18.750,- kalkulatorischer Zins: 6672,50 Steuer + Versicherung: 9336,- SUMME Fixkosten: 37.758,50 Fixkosten (Euro/100 km): 62,93 SUMME Fix- und variable Kosten: 148,59 Gesamtkosten (Euro/Jahr): 89.152,76 Kosten (Euro/Tag): 157,33 GESAMTKOSTEN während der Nutzungsdauer: 356.611,03 Wartungs-/Reparaturkosten auf Basis der Herstellerangaben für R+W-Verträge inkl. Servicearbeiten und techn. Prüfungen, inkl. 4000 Euro Reparaturkosten *Angaben ohne Gewähr Service- und Ersatzteilkosten in Euro (Herstellerangaben, netto) Wartungsteile Ölfilter (alle) 32,37+100,- Luftfiltereinsatz k.A. Ventildeckeldichtung (kpl. Motor) -+213,60 Kraftstofffilter (alle) 93,66+53,60 Lufttrocknereinsatz k.A. Pollenfiltereinsatz 40,09+20,- Keil-/Antriebsriemen (alle) 79,18+299,20 Verschleißteile Stoßdämpfer vo./hi. (Paar) 385,36+80,-/k.A. Bremssch. vo./hi. (Paar) 475,64+260,- Bremsbel. vo./hi. (Satz) 239,-+140,- Lenkhilfp.*/Lenkgetr. 679,19+133,60/6038,84+793,60 Wasserpumpe* 322,20+146,40 Kuppl. (kpl. m. Scheibe, DP u. Lager)* 1391,84+600,- Zylinderkopfd. (kpl. f. alle Zylinder) 188,64+1606,40 Turbolader* 1089,66+433,60 Hauptschalldämpfer (mit SCR-Kat) 7216,34+213,60 Wischerblätter (Paar) k.A. Unfallteile Frontscheibe (getönt) 377,18+386,40 Scheinwerfer H7 (komplett) 367,-+60,- Stoßfänger mit Halter 750,75+180,- Unterfahrschutz hinten 350,61+k.A. ■ = günstige Teilepreise ■ = teure Teilepreise Alle Preise o. Einbau; durchschn. Stundensatz: 80,00 Euro * Tauschteil Listenpreise in Euro (Herstellerangaben, netto) Listenpreis MB Arocs 3245 Fgst.: 125.701,- Summe Sonderausstattungen: 28.149,- Komplettpreis Test-LKW (inkl. Kipper): 201.591,- Komplettpreis VR-Empfehlung: 195.990,- Ausstattung Testfahrzeug: Handschaltung G230-16 1743,- Antriebsschlupfregelung 4 Kraftstoffvorwärmung 4 Lenkung Servotwin 3950,- Batterietrennschalter (mech.) k.A. Differenzialsperre 4 Funk-/Radio- + Telefonvorbereitung 530,- / 1971,- Nebenabtrieb Kardanwelle k.A. stärkere Lichtmaschine / Eco-Roll 4 / 4 Abbiegeassistent / Notbremsassistent k.A./k.A. Baupaket k.A. Fahrerhaus-Lagerung Komfort stahlgefedert 896,- Fahrersitz Komfort k.A. Hillholder 4 stärkere Batterien / CD-Radio k.A. Ruheliege k.A. Geländebereifung statt Standard 4 Flottenmanagement Fleetboard Classic 1437,- Klimaautomatik 2691,- Rückspiegel beheizt / el. verstellbar 4 / 4 Fensterheber rechts / links elektrisch 4 / 4 Bordcomputer / Diagnosesystem 4 / 4 Sonnenblende außen k.A.- Standheizung (Luft) 1975,- Standklimaanlage (ab Werk) 7 Stahlstoßstange 4 Anhängerkpl. inkl. Traverse 1716,- Sekundär-Wasserretarder 7610,- Rollsperre (Hillholder Bremse) 4 Zentralverriegelung 4 Empfohlen: Klimaanlage 2691,- verstärkte Motorbremse 610,- Retarder 7610,- Schutzgitter für Scheinwerfer 192,- Sonnenblende außen k.A. Radio- und Telefonvorber. inkl. Bluetooth 1971,- Rückfahrwarner 171,- Kombiinstr. m. Videofunktion 527,- Drucklufthorn f. Fahrerhausdach 240,- Powershift 0,- PMS, Aufbau und Anhänger-CAN ISO 11992 521,- Heckunterfahrschutz klappbar 1434,- Fazit VR-Tipp Wie aufwendig und engmaschig die Entwicklung neuer LKW-Modelle ist, lässt sich gut am Arocs ablesen: Hier kostet Euro 6 mit dem neuen Triebstrang leider viel Nutzlast und (zu) viel Sprit – dafür machte die Neukonstruktion gegenüber dem Vorgänger große Fortschritte in Sachen Triebstrang und Lenkung. Trotzdem lässt der Arocs noch „Luft“ für die eine oder andere Verbesserung. Kontakt: gregor.soller@springer.com Profi-Test Profi-Test

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