Azubi-Suche auf Jobmessen: Personalgewinnung zwischen Aufwand und Erfolg

Um Nachwuchs zu finden, müssen Unternehmen immer kreativer werden. Neben Online- und Social Media-Marketing sind auch Jobmessen mögliche Treffpunkte - doch lohnen sich Zeit, Kosten und Aufwand? Beim Speditions- und Logistikunternehmen Chr. Carstensen in Handewitt bei Flensburg ist man überzeugt von solchen Messeteilnahmen. "Wir gehen hauptsächlich auf Jobmessen, um Azubis anzuwerben. Gerade Logistik und Spedition sind nicht als attraktives Berufsfeld in den Köpfen der Schulabgänger oder auch der Eltern verankert, deshalb wollen wir so Präsenz zeigen und sagen: ,Hallo, uns gibt es auch'", erklärt Saskia Suckow, verantwortlich für die Bereiche Personal und Marketing bei Carstensen. Auch für Franziska Schöpker ist die Sichtbarkeit ein zentraler Aspekt - besonders bei branchenübergreifenden Messen. Sie leitet das Marketing der Barlag Werbe- & Messeagentur, einem Veranstalter von Jobmessen. "Besucher können sich von der Vielfalt an Angeboten inspirieren lassen. Oft führt das zu Gesprächen mit Unternehmen, die sie vorher nicht so auf dem Schirm hatten", so Schöpker. Erschwerte Bedingungen Denn in der Praxis kommen Ausbildungsbetriebe und die nach einer Ausbildung suchenden Personen häufig nicht zusammen, geht aus einer Erhebung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) hervor. Die Folge: Die Zahl an nicht besetzten Ausbildungsplätzen hat in den vergangenen Jahren neue Höchstwerte erreicht, wie Ermittlungen des BIBB sowie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen. "Es fehlt in den meisten Branchen an Nachwuchs. Die kleinen Betriebe haben am meisten zu kämpfen", erklärt Achim Dercks. "Der Fachkräftemangel fängt bereits bei den Auszubildenden an", so der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Im vergangenen Jahr gab es allerdings das erste Mal seit 2019 einen Rückgang: Tatsächlich blieben 2024 insgesamt 69.400 Stellen unbesetzt, teilt das BIBB mit, 5,5 Prozent beziehungsweise 4000 Stellen weniger als im Vorjahr. Ein zentrales Motiv bei der Berufswahl sind dem BIBB zufolge das Ansehen von Berufen und die damit verbundene soziale Anerkennung. Jugendliche schließen demnach Jobs, bei denen sie mit negativen Rückmeldungen von Eltern oder Freunden rechnen, oft von vornherein aus - auch wenn die Tätigkeit eigentlich zu ihren Interessen und Fähigkeiten passt. Um mehr Personen für eine Ausbildung zu gewinnen, ist es aus Sicht des BIBB daher elementar, die soziale Anerkennung des Berufs zu verbessern. Und gerade die Transport- und Logistikbranche kämpft neben der eingangs erwähnten geringen Sichtbarkeit mit einem mangelhaften Image. Lage in der Transport- und Logistikbranche 49 Prozent aller bei den Industrie- und Handelskammern (IHKs) registrierten Ausbildungsbetriebe konnten im Jahr 2023 nicht alle Ausbildungsplätze besetzen, in der Transport- und Logistikbranche waren es sogar 52 Prozent. Über ein Drittel der Betriebe mit Besetzungsschwierigkeiten geben an, sie hätten keine einzige Bewerbung erhalten, zeigt die Ausbildungsumfrage 2024 der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), an der sich mehr als 13.000 Unternehmen beteiligten. Jedoch konnten demnach in der Transport- und Logistikbranche, die neben dem Gastgewerbe am häufigsten auf Auszubildende aus anderen Herkunftsländern setzt (58 Prozent), anteilig mehr Ausbildungsplätze besetzt werden als noch 2022. Im Jahr 2024 blieben bei Speditions- und Logistikberufen vor allem Ausbildungsplätze zur Fachkraft für Lagerlogistik unbesetzt (18 Prozent; 2023: 18,8 Prozent), gefolgt von den Fachlageristen mit 13,2 Prozent (2023: 13,7 Prozent) und Kaufleuten für Spedition und Logistikdienstleistung mit 12 Prozent (2023: 12,5 Prozent), zeigen eine BIBB-Erhebung von September 2024 und die Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Stolperfalle Berufsorientierung Zu den weiteren Ursachen für unbesetzte Ausbildungsstellen zählen laut dem BIBB die Demografie, der Trend zu höheren Schulabschlüssen sowie eine gestiegene Studierneigung. Und auch das Fehlen einer effizienten Berufsorientierung ist ein Grund für den Azubi-Mangel, weiß Dercks von der DIHK: "Hilfreich wäre es, wenn bereits in den Schulen für die Berufsorientierung ausreichend Zeit eingeplant wird", ist er überzeugt. Hier sieht Tanja Meininghaus, Geschäftsführerin der Sitra Spedition in Hamburg, die Verantwortung hauptsächlich bei den Eltern: "Sie müssen den Grundstein legen. Und in vielen Elternhäusern fehlt den Jugendlichen die Unterstützung." Bei Sitra hat man schlechte Erfahrungen mit Jobmessen gemacht: "Wir haben das zwei-, dreimal probiert und waren auch mit unseren Azubis vor Ort, aber das Interesse der jungen Menschen war einfach nicht da", berichtet Meininghaus. Sitra nehme deshalb nicht mehr an Karrieremessen teil, sondern setze inzwischen hauptsächlich auf Jobportale und Werbung über die eigene Homepage. "Ein Problem an Messen ist auch, dass wir als mittelständisches Unternehmen im Vergleich zu den großen Namen ganz andere Kapazitäten zur Verfügung haben", kritisiert Meininghaus. "Da steht es in keinem Verhältnis, dass wir mit vier Leuten zwei Tage da sind, extreme Standgebühren haben, Flyer drucken müssen .", betont sie. Schöpker vom Messeveranstalter Barlag sieht dieses Problem nicht: "Es geht auf einer Messe um die Chemie, die zwischen Besucher und Unternehmen passen muss. Ob diese stimmt, wird im Face-to-face-Gespräch auf einer Jobmesse schnell klar." Mit ihrer Messebilanz aus dem vergangenen Jahr ist Suckow von Carstensen dennoch nicht vollends zufrieden: "Ich habe viele gute Gespräche geführt, aber letztendlich hat es nicht zu so vielen Bewerbungen geführt, wie wir uns das erhofft hatten." Trotzdem wird das Unternehmen weiterhin auf Jobmessen ausstellen: "Ich finde einfach, der persönliche Kontakt ist immer wichtig und richtig. Online ist man viel anonymer unterwegs und kann einfach weiter skippen. Aber in einem Gespräch kann man auf die Wünsche und Bedürfnisse der Schüler und Schülerinnen eingehen, sie fragen, was sie machen wollen und dann da einhaken und sagen: ,Das beinhaltet eine Ausbildung bei uns auch'." Messen haben, so auch das BIBB, den Vorteil, dass sich beide Seiten persönlich begegnen und kennenlernen können. Der direkte Kontakt biete zudem die Möglichkeit, mehr und auch andere Informationen über den Betrieb und die Ausbildungsstelle zu kommunizieren als über die meisten indirekten Wege. Der hohe Aufwand lasse sich über virtuelle Messen anstelle von Präsenzformaten etwas verringern, schlägt das BIBB vor. Dies würde auch der Zielgruppe entgegenkommen, die virtuelle Formate Präsenzveranstaltungen vorzuziehen scheint. Ein Ort für Begegnung Fazit: Jobmessen garantieren keine Auszubildenden. Jedoch zeigt die DIHK-Ausbildungsumfrage 2024, dass sich bei dem Werben um junge Menschen vor allem die persönliche Ansprache auszahlt: Über 70 Prozent der befragten Betriebe gaben an, künftige Azubis durch Schnuppertage, Jobmessen oder Praktika kennenzulernen. Darüber hinaus bringen Messen Sichtbarkeit - sowohl dem eigenen Betrieb als auch der gesamten Branche. Zwar lässt sich auf eine digitale Präsenz heutzutage nicht mehr verzichten. Doch sollten Unternehmen auch zwischenmenschliche Begegnungen nicht vernachlässigen. Messen können diesen analogen Raum der Begegnung zwischen Betrieben und ihrem potenziellen Nachwuchs herstellen.